Manchmal gibt es einen Wink, manchmal erfährt man nichts. Doch dass es in der linksradikalen Szene Leipzigs brodelt, ist seit Tagen klar. Kurz nach 20 Uhr startet jedenfalls eine Spontandemo in Reudnitz, nahe des kleinen Parks an der Lilienstraße und dieses Mal sickerte der Anlass vorher durch: es geht um die Wut wegen der Heibo-Räumung und den Haftfall Alfredo Cospito in Italien.
Das für den weiteren Kiesabbau vorgesehene Gelände im Heidebogen ist geräumt und Bilder einer „Schlacht“ wie in Lützerath blieben aus. Nicht zuletzt das wesentlich kleinere Medieninteresse an der Besetzung nahe Dresdens und der Mangel an deutschlandweitem Zulauf wie noch zuvor im Falle der weiteren Kohlebaggerei von RWE hatte den Polizeibeamten den Job leichter und die Räumung rasch realisierbar gemacht.
Was nicht heißt, dass der Fall keinen Widerhall in Teilen der Leipziger Linken-Szene gehabt hätte, ganz im Gegenteil, wie auch die vor der Spontandemo kursierenden Zeilen wie eine Abkehr von demokratischen Wegen klingen. „Wieder hat sich gezeigt, dass es egal ist wen wir wählen, sie alle führen die Umweltzerstörung ununterbrochen fort. Die Zeit der netten Märsche und Anträge im Parlament sind vorbei. Wir können nur auf uns selbst zählen!“
Insbesondere über die Grünen in der Bundesregierung sind Teile der aktionsorientierten Szene längst schwer enttäuscht, auch gemäßigtere Teile der Umwelt- und Klimabewegung sehen Jahr um Jahr verrinnen, in denen zu wenig gegen die Klimakrise unternommen wird. Erst am Donnerstagmorgen, 16. Februar 2023, hatte es eine Brandstiftung auf dem Hof des Sachsenforstes gegeben, welcher laut LKA Sachsen mit einer Radikalisierung rings um Heibo und Lützerath zu tun haben könnte. Schon einige Tage nach Lützerath hatte die LZ über diese Tendenzen -aufseiten des Staates und der Szene – berichtet.
Ein zweiter Grund für die heutige Demonstration sollen die Entwicklungen rings um den Haftfall Alfredo Cospito in Italien sein. Die Tagesschau schreibt darüber: „Der 55-jährige Anarchist ist seit mehr als 100 Tagen im Hungerstreik, er will bessere Haftbedingungen erreichen. Denn für Cospito gilt der ,Artikel 41-bis´, der äußerst strenge Regeln vorsieht. Das gesamte Leben – auch Gespräche und jeder Moment – werde überwacht und aufgezeichnet, alles per Video“ berichte eine mit dem Haftsystem vertraute Frau.
Weiter heißt es dort: „Cospito ist Anarchist, seit zehn Jahren sitzt er wegen zwei Anschlägen im Gefängnis. Im vergangenen Jahr wurde ein Bombenattentat, bei dem Sachschaden entstanden war, vom Kassationsgericht als Anschlag gegen die Sicherheit des Staates eingestuft“.
Cospito ist seit Anfang Februar im Hungerstreik gegen die sogenannte „harte Haft“, welche sonst nach Medienberichten in Italien nur gegen Bosse der Mafia angewendet werde, um die Kommunikation untereinander und nach außen zu blockieren.
In den Gründen zur Spontandemo heißt es entsprechend: „Das Knastregime „41bis“ ist nichts als Folter. Jeden Tag komplett isoliert und überwacht zu werden, ohne Aussicht je wieder frei zu kommen, ist wie lebendig begraben zu sein. Alfredo hat seit Oktober 22 dagegen gekämpft. Diesen Kampf wird er wahrscheinlich verlieren“.
„Zurückschlagen“ und es „krachen lassen“
Die Ankündigungen im Vorfeld jedenfalls haben die rund 30 bis 40 Beteiligten heute Abend wahrgemacht. Im Vorfeld hieß es, „schlagen wir hier zurück! Unsere Wut auf die Schweine soll einen Ausdruck finden, weshalb wir uns gemeinsam laut und krachend die Straße nehmen. Rache für den Heibo, Fecher und Danni! Rache für Alfredo! Rache für Tortoguita! Rache für alle toten indigenen und kurdischen Freund/-innen! Für die Freiheit und gegen jeden Staat!“
Das Ergebnis des heutigen Abends vor Ort innerhalb einer Viertelstunde: zerschlagene Scheiben bei einigen Autos und einer Allianz-Filiale, eine brennende Barrikade, Grafitti und Krähenfüße als Hinterlassenschaft für die Polizei auf der Straße. Und anrückende Beamte etwa 15 Minuten später, die die Schäden vor Ort feststellen und direkt vor Ort die Ermittlungen gegen Unbekannt aufgenommen hat.
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