Vor dem Leipziger Landgericht wurde am Donnerstag der Mammut-Drogenprozess um den als „Kinderzimmer-Dealer“ bekannt gewordenen Maximilian S. (28) und seine vier mutmaßlichen Komplizen fortgesetzt. Dabei ging es zentral um die Frage, unter welchen Umständen die Ermittlungen in Gang kamen – nun steht fest: Offenbar gab ein Insider den entscheidenden Tipp.
Tag zwei im Drogenprozess gegen Maximilian S., vor Jahren Gründer des berüchtigten Online-Drogenportals „Shiny Flakes“, und vier Mitangeklagte vor dem Leipziger Landgericht: Dabei sagte am Donnerstag ein Beamter des Landeskriminalamts (LKA) Sachsen als Zeuge aus und berichtete davon, dass seine Behörde vor gut vier Jahren einen Insider-Hinweis auf eine Online-Plattform erhielt, über die illegale Rauschmittel gehandelt werden sollen.
Streit um geheimen Informanten und abgehörte Telefonate
Die Identität des Insiders wird bis heute streng geheim gehalten und war einer von mehreren Gründen, warum es im Gerichtssaal erneut zum Streit zwischen Richterbank, Anklage und Verteidigung kam. Der LKA-Ermittler verweigerte die Beantwortung diverser Fragen und verwies dazu auf eine nur begrenzte Aussagegenehmigung seiner Vorgesetzten.
Auch zur strittigen Frage der Telekommunikationsüberwachung erlebte das zahlreiche Publikum im Gerichtssaal am Donnerstag wieder lebhafte Kontroversen: Schon zum Auftakt des Prozesses am Montag hatten Vertreter der Verteidigung massive Kritik an den Ermittlungsbehörden geübt, da diese auch den als mutmaßliches Bandenmitlied mitangeklagten Strafverteidiger André R. (43) abgehört hätten, obwohl dieser als Geheimnisträger von Berufs wegen gesetzlich besonders gegen derlei Maßnahmen geschützt sein müsste.
Sowohl die Anklage als auch die 8. Strafkammer vertraten jedoch den Standpunkt, gegen den Rechtsanwalt sei ein hinreichender Verdacht gegeben gewesen, dass er sich selbst an Straftaten beteiligt haben soll, daher habe er mit richterlicher Erlaubnis abgehört werden dürfen: „Dieser Punkt hat mich ein wenig echauffiert, um es mal freundlich zu sagen“, hatte sich Oberstaatsanwalt Guido Lunkeit bereits am Montag gegen die Attacken der Verteidigerbank gesperrt.
Staatsanwaltschaft geht von bandenmäßigem Drogenhandel aus
Wie berichtet, soll sich Anwalt André R. laut Anklage spätestens im November 2018 mit Maximilian S. (28) sowie seinem Mandanten Friedemann G. (36) zusammengetan haben, um über das Internet ein arbeitsteiliges Rauschmittel-Geschäft namens „Candylove“ auf die Beine zu stellen. Dabei seien von April 2019 bis Januar 2021 insgesamt etwa 20 Kilo Drogen an Abnehmer deutschlandweit und international versendet worden. Der angenommene Gesamterlös: rund 94.840 Euro.
Während Maximilian S., der es schon vor Jahren als „Kinderzimmer-Dealer“ auch dank einer späteren Netflix-Doku zur Berühmtheit brachte, als Bandenkopf fungiert haben soll, habe sich Autohändler Friedemann G. um die Logistik gekümmert, sein Anwalt André R. sei für die rechtliche Beratung und die Schaffung von Schein-Arbeitsverträgen zuständig gewesen. Mit auf der Anklagebank sitzen zudem Julius M. (24) und Jens M. (40), die der Beihilfe zum Handel mit Betäubungsmitteln beschuldigt werden.
Angeklagte könnten sich noch äußern
Daneben lehnte das Gericht am Donnerstag auch einen weiteren Antrag von Vertretern der Verteidigung ab: Diese wollten das Verfahren eingestellt sehen, weil der Mitbeschuldigte Julius M. zum angenommenen Zeitpunkt des Tatentschlusses noch unter 21 gewesen sei, daher müsste der Sachverhalt vor einer Jugendkammer verhandelt werden, so die ursprüngliche Argumentation.
Das Gericht sah es anders: Nicht der Entschluss zur Tatbeteiligung sei entscheidend, sondern der tatsächliche Einstieg ins Geschäft – und der liege mutmaßlich nach dem 21. Lebensjahr des jungen Mannes.
Der Prozess wird kommende Woche Donnerstag fortgesetzt – und einige der Anwälte haben bereits in Aussicht gestellt, dass sich ihre Mandanten dann zu den Vorwürfen äußern würden.
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