Mehr als ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod des 19-jährigen Jesse L. auf einem Feldweg nahe Schkeuditz verurteilte das Leipziger Landgericht einen Bekannten des Opfers am Freitag unter anderem wegen Mordes zu zehn Jahren Haft nach Jugendstrafrecht. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass der hochverschuldete Max D. (21) sich an Rauschmitteln von Jesse L. bereichern wollte und ihn dafür in eine Falle lockte.
Das Leben des 19-jährigen Jesse L. endete am frühen Abend des 11. Januar 2022 zwischen 18:26 Uhr und 18:50 Uhr auf einem einsamen Feldweg in der Nähe von Schkeuditz bei Leipzig durch einen Pistolenschuss. Über das „Wie“ und „Warum“ gab es jedoch unterschiedliche Auffassungen.
Nach siebenmonatiger Hauptverhandlung sprach das Leipziger Landgericht den 21 Jahre alten Max D. am Freitag, dem 27. Januar 2023, schuldig wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie illegalem Waffenbesitz. Max D. soll für zehn Jahre hinter Gitter – der nach Jugendstrafrecht grundsätzlich höchsten Bestrafung. Zudem muss er den Hinterbliebenen des Getöteten eine Entschädigung zahlen.
Aufwendiger Lebensstil und Ãœberschuldung
Das Schwurgericht sah es als erwiesen, dass Max D. seinem Bekannten aus nächster Nähe in den Kopf schoss, um an dessen Drogen zu gelangen und diese gewinnbringend zu veräußern. Motiv von Max D. war offenbar dessen, zumal für sein junges Lebensalter, massive Verschuldung im fünfstelligen Bereich: „Anfang 2022 war der Angeklagte praktisch zahlungsunfähig“, konstatierte der Vorsitzende Richter Michael Dahms in seiner ausführlichen Urteilsbegründung.
Sein Plan, durch Drogenhandel schnell und ohne größeren Aufwand zu viel Geld zu kommen, sei schlicht gescheitert, der großzügige Lebensstil von Max D. habe mit seinen Einnahmen längst nicht mehr im Einklang gestanden. Offenbar stand er zudem unter heftigem Druck von Gläubigern.
In dieser prekären Situation habe sich Max D. entschieden, seinen Kontakt zu Jesse L. zu nutzen, den er seit etwa zwei Jahren kannte. Unter der Vorspiegelung des Angeklagten, einen finanzstarken Abnehmer zu haben, hätten die jungen Männer am Tatabend gemeinsam mehrere Kilogramm Marihuana- und Cannabisblüten in einer Sporttasche aus einem Mölkauer Spätverkauf abgeholt und seien im Auto von Max Richtung Schkeuditz gefahren, so die Anklage.
Doch der scheinbar lukrative Deal erwies sich demnach als Falle: Max D. habe mit einer Waffe aus etwa einem Meter Entfernung auf Jesse L. gezielt, der umgehend verstarb. Die Leiche soll Max D. anschließend in einem nahen Graben versteckt haben, wo sie eine Woche später gefunden wurde. Jesse L. galt bis dahin als Vermisstenfall.
Angeklagter sprach von versehentlichem Schuss
Im Verlauf des Prozesses hatte Max D. dem Gericht gegenüber unterschiedliche Details zum Tatablauf präsentiert. Grundsätzlich räumte der Sohn eines Zahnarztes und einer Lehrerin zwar seine Verantwortung ein. Er hielt jedoch daran fest, dass sich der tödliche Schuss beim Ergreifen der Waffe versehentlich gelöst habe, als er mit Jesse L. vor der geplanten Drogenübergabe das schnelle Ziehen der Pistole geübt haben will – angeblich für den Fall, dass die Gegenseite Schwierigkeiten bereitet.
Ein Sachverständiger hatte diese Version im Prozess allerdings aus mehreren Gründen bezweifelt, die Ergebnisse der Untersuchung deckten sich nicht mit den Aussagen von Max D., so der Befund. Die Herkunft der Waffe konnte im Prozess nicht abschließend geklärt werden.
Staatsanwaltschaft wollte höheres Strafmaß
Aufgrund angenommener Reifedefizite des Angeklagten, dessen Vater sich vor Jahren das Leben nahm, folgte das Schwurgericht den Empfehlungen der Jugendgerichtshilfe und verhängte zehn Jahre nach Jugendstrafrecht. Dies entsprach der Forderung von Opferanwalt Jan Siebenhüner, der die Eltern und den älteren Bruder von Jesse L. vor Gericht vertrat. Staatsanwältin Katharina Thieme wollte sogar zwölf Jahre Haft, was auch bei Heranwachsenden ausnahmsweise möglich ist, sofern eine besondere Schwere der Schuld festgestellt wird.
Die Verteidigung von Max D. hatte eine gezielte und planvolle Ermordung von Jesse L. dagegen verneint und auf fahrlässige Tötung sowie Handel mit Betäubungsmitteln und einen Verstoß gegen das Waffengesetz plädiert. Christian Friedrich und Anne Prestrich, die Anwälte des Angeklagten, beantragten dafür eine Jugendstrafe, deren Höhe sie ins Ermessen der Kammer legten.
Richter: Opfer wurde in Hinterhalt gelockt
Das Gericht kam jedoch in Anbetracht aller Umstände zu dem Schluss, dass die Tatversion von Max D. gelogen sei: „Wir sind überzeugt, dass die Schussabgabe nicht auf Ungeschick beruhte, sondern der Angeklagte Jesse L. in einen Hinterhalt gelockt hat“, betonte Richter Dahms am Freitag. Dafür spräche die Gesamtschau aller Indizien, die Anhörung zahlreicher Zeugen und die aufwendige Rekonstruktion des Geschehens am Tatort. Das Aussageverhalten Max D.s sei „sehr inkonsistent“ gewesen, das Verbrechen erfülle die Mordmerkmale Heimtücke, Habgier und Ermöglichung einer Straftat.
In seinem Schlusswort vor dem Urteil hatte der nicht vorbestrafte Max D. bereits am Mittwoch Reue geäußert: Es tue ihm unbeschreiblich leid, den Tod eines Menschen verursacht zu haben, sagte der junge Mann nach den Plädoyers. Die Verantwortung werde ihn sein Leben lang begleiten.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel der Revision möglich.
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