Er raste in einem nicht zugelassenen Auto drei Menschen tot und verletzte eine weitere Passantin schwer: Nach einem schockierenden Verkehrsunfall auf der Prager Straße im März 2021 verurteilte das Amtsgericht Leipzig den Fahrer eines Smart Roadster zu zwei Jahren und elf Monaten hinter Gittern. Die Richterin lenkte den Blick auf die gravierenden Folgen der rücksichtslosen Raserei und das Leid der Hinterbliebenen.
Drei Tote und eine Schwerverletzte
Marko H. ist schuldig des vorsätzlichen Kraftfahrzeugrennens in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs sowie fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung, so das Amtsgericht Leipzig. Es verurteilte den 51-jährigen Marko H. am Mittwoch zu zwei Jahren und elf Monaten Freiheitsentzug – ein Strafmaß, das nach deutschem Recht nicht mehr bewährungsfähig ist. Zudem verliert er für vier Jahre die Fahrerlaubnis.
Das Schöffengericht um Amtsrichterin Ute Pisecky hielt es nach der Beweisaufnahme für belegt, dass der Angeklagte am Vormittag des 16. März 2021 auf der Prager Straße stadteinwärts in seinem getunten Smart Roadster unterwegs war, dabei an der Kreuzung Franzosenallee auf der grün zeigenden Rechtsabbiegerspur weiter nach vorn raste, die Gewalt über sein Fahrzeug verlor, mit 96 km/h gegen zwei Pfeiler prallte und mehrere Fußgänger erfasste, die gerade die Ampel an der LVB-Haltestelle überqueren wollten.
Ein Passant (80) und eine Passantin (85) starben noch an der Unfallstelle, eine weitere Frau (72) erlag mittags in der Klinik ihren schweren Verletzungen. Das vierte Opfer, eine 78 Jahre alte Frau, überlebte als einzige, sie wurde schwer verletzt.
Stopp und massive Beschleunigung auf gerader Strecke
Der viertägige Prozess, in dem der Angeklagte seit dem Auftakt im November weitgehend schwieg, drehte sich vor allem um die Unfall-Ursache und die Schuldfähigkeit des zuletzt arbeitslosen Leipzigers. Bekannt ist, dass Marko H. seit Jahren an Epilepsie und weiteren Erkrankungen leidet und auf Medikamente angewiesen ist.
Sein Arzt hatte einen epileptischen Anfall zum Unfallzeitpunkt jedoch als sehr unwahrscheinlich erachtet. Einen Drogen- oder Alkoholeinfluss schlossen die Ermittlungsbehörden aus.
Laut Überzeugung der Anklage spreche alles für ein zielgerichtetes Verhalten von Marko H.: „Er wollte testen, was an Geschwindigkeit aus diesem Wagen herauszuholen ist“, sagte Staatsanwältin Lena Bilstein in ihrem Plädoyer und verwies auf Zeugenaussagen, wonach der auffällige Sportwagen mit lila Lackierung in Höhe der Höltystraße zunächst komplett stoppte, um dann auf freier Strecke in Richtung der Ampelkreuzung massiv zu beschleunigen.
Epileptischer Anfall laut Staatsanwaltschaft widerlegt
Marko H., für den das Auto sein Ein und Alles war, habe den mit Tuning-Chip aufgemotzten Wagen laut Gutachter bewusst gelenkt und nachweislich noch Ausweichbewegungen vollführt – auch dies widerlege die diskutierte Möglichkeit eines epileptischen Anfalls oder Dämmerzustandes. Überdies lag der letzte Anfall von Marko H. zum Unfallzeitpunkt bereits über zehn Jahre zurück, offenbar war er medikamentös gut eingestellt.
Marko H. sei anzurechnen, dass er nicht vorbestraft ist und im Prozess zumindest eine Entschuldigung verlas, nichtsdestotrotz käme wegen dessen rücksichtsloser Raserei und den schlimmen Folgen des Unfalls nur eine Haftstrafe ohne Bewährung in Betracht. Die Staatsanwaltschaft beantragte drei Jahre und sechs Monate Gefängnis sowie den Entzug der Fahrerlaubnis für drei Jahre.
Gravierende Folgen für Opfer und Angehörige
Auch die Nebenklage-Vertreter waren sich einig, dass eine Gefängnisstrafe unabdingbar sei. Rechtsanwalt Reinhard Baehr wies darauf hin, dass der Unfalltod der Mutter bei seinem Mandanten für eine posttraumatische Belastungsstörung gesorgt hatte, der Mann war zeitweise arbeitsunfähig und sah sich nicht imstande, dem Strafprozess persönlich beizuwohnen.
Zudem wurde, über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus, ein lebenslanger Führerscheinentzug ins Spiel gebracht. Rechtsanwalt Robert Schubert, der die einzige Überlebende aus der Passantengruppe vertrat, zählte nochmals deren gravierende Verletzungen auf. Die einst rüstige Rentnerin kämpft bis heute mit Einschränkungen.
Nach dem Unfall Autoteile eingesammelt
Dem äußeren Ablauf des Unfalls konnte auch Verteidiger Tino Rasser nichts entgegensetzen und sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Dennoch plädierte er auf Freispruch für Marko H., weil sich letzte Zweifel an einem epileptischen Anfall seiner Meinung nach nicht ausräumen ließen. Auch hielt er es für unwahrscheinlich, dass sein Mandant im gesetzten Alter eine Gefährdung dieses Ausmaßes bewusst in Kauf nehme.
Eine Argumentation, der Amtsrichterin Ute Pisecky widersprach, auch wenn Marko H. sicher nicht ins Schema eines jugendlichen Verkehrsrowdys passe. Aus ihrer Sicht gab es keine schwerwiegenden Zweifel, dass der Angeklagte unter keinem Anfall litt, sondern die Leistung seines geliebten Fahrzeugs austesten wollte und dieses Fahrverhalten zum vermeidbaren Tod und Leid von Menschen führte. „Welche Auswirkungen das tatsächlich hat, ist manchmal gar nicht in Worte zu fassen“, sagte sie.
Marko H. habe darüber hinaus viele weitere Menschen einer Gefährdung ausgesetzt. Nach dem Unfall konnte er seinen schrottreifen PKW, der im Gleisbett der Straßenbahn gelandet war, eigenständig verlassen. Laut Zeugen habe er sich dann aber nicht etwa um die Opfer gekümmert, sondern Teile der Karosserie eingesammelt und nur Augen für sein Auto gehabt. Nach Erinnerung eines Polizisten vor Ort wirkte er gar locker und unbeschwert. Eine „empfindliche Strafe“ sei notwendig und ein mildes Urteil nicht vermittelbar, betonte die Amtsrichterin.
Angeklagter spricht von Erinnerungslücke
Bereits 2017 hatte der damals 46-jährige Marko H. seinen Führerschein wegen eines Unfalls infolge einer Medikamenten-Unverträglichkeit abgeben müssen, bekam ihn dann aber 2018 nach einer medizinisch-psychologischen Untersuchung wieder. In seinem Schlusswort hatte der Leipziger nochmals Bedauern in Richtung der Opfer und Hinterbliebenen geäußert. An seine Raserei habe er keine Erinnerung mehr: „Es ist für mich selber unerklärlich.“
Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Berufung oder Revision eingelegt werden. Die Verteidigung will diese Option prüfen.
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