Einen kleinen Einblick in ihre Arbeit gab jetzt die Verkehrsunfallkommission der Stadt Leipzig mit der Vorlage des „Jährlichen Verkehrsunfallberichts der Stadt Leipzig“. Ein nicht ganz unparteiischer Bericht, der zwar zeigt, dass die Arbeit der Kommission tatsächlich hilft, die Unfallzahlen zu senken. Aber gleichzeitig spricht er sich gegen eines der zentralen Anliegen der Stadtratsmehrheit aus: die Einführung flächendeckend geringerer Richtgeschwindigkeiten.
Eigentlich sollte das Gremium relativ ausgewogen und sachorientiert arbeiten. Aber in Ämtern und Behörden haben sich in den Jahren auch Arbeitsweisen institutionalisiert, die sich schwertun damit, ihre bisherigen Arbeitsansätze zu ändern.
Vertreten sind in der Leipziger Verkehrsunfallkommission die Straßenverkehrsbehörde, die Straßenbaubehörde, die Verkehrsplanungsabteilung des Verkehrs- und Tiefbauamtes sowie die Polizei. Unterstützung bekäme ihre Arbeit durch Verbände und Vereine wie dem Messestadt-Verkehrswacht e. V., dem ADFC und dem ADAC, kann man hin und wieder lesen.
Aber das schlägt sich nicht wirklich in der Berichterstattung nieder.
Im Gegenteil, da betont die Kommission ihr Beharren auf den gewohnten Arbeitsansätzen. Und dass die dort vertretenen Akteure die Diskussion um z. B. flächendeckendes Tempo 30 in einzelnen Stadtgebieten regelrecht nervig finden und gern loswerden würden, wird schon mit dem grantigen Wort „Nochmals“ deutlich.
Es sei nochmals hingewiesen …
„Nochmals hingewiesen sei dafür darauf, dass geeignete Maßnahmen gegen Unfälle nur gefunden werden können, wenn die aufgetretenen Unfälle spezifische Gemeinsamkeiten aufweisen, die auf eine gleiche konkrete Ursache hindeuten. Entsprechend der geltenden Rechtsvorschriften müssen dann ursachenbezogene, angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen umgesetzt werden. Jede Unfallhäufungsstelle wird hierbei differenziert betrachtet und führt zu anderen Einschätzungen“, betont der Bericht genau diese Sichtweise.
Und legt gleich nach: „Eine pauschale Anordnung, z. B. einer Geschwindigkeitsbegrenzung, in der Annahme, dies würde sicher helfen, scheidet deshalb aus. Einerseits hilft so eine Maßnahme nur gegen tatsächlich geschwindigkeitsbedingte Unfälle, andererseits ist so eine Maßnahme insbesondere dann extrem kostenintensiv, wenn sie im Bereich von Lichtsignalanlagen umgesetzt wird, da diese dann hinsichtlich der Räumgeschwindigkeiten neu berechnet und programmiert werden müssen. Vorrang genießen deshalb zunächst immer einfache, kostengünstige und deshalb möglichst schnell umsetzbare Maßnahmen, sofern sie eine positive Wirkung erwarten lassen.“
Was schlichtweg so nicht stimmt. Denn eine flächendeckende Geschwindigkeitsbegrenzung senkt nicht nur die Zahl der „geschwindigkeitsbedingten Unfälle“, sondern auch die Zahl der Unfallarten, die in Leipzig dominieren, weil sie eben auch mit hohen und überhöhten Geschwindigkeiten zu tun haben: Nichtbeachten der Vorfahrt, Fehler beim Abbiegen, ungenügender Sicherheitsabstand usw.
Die den Unfall aufnehmenden Polizisten vor Ort vermerken in der Regel nur die Hauptunfallursache. Welche Rolle hohe Geschwindigkeiten, fehlende Reaktionen und Unaufmerksamkeit am Ende beim konkreten Unfall gespielt haben, interessiert im Unfallprotokoll in der Regel nicht.
Der Verkehrsunfallbericht der Polizeidirektion Leipzig für 2021.
Sodass die Verkehrsunfallkommission nur bedingt hilfreich ist, das Stadtgebiet wirklich sicherer zu machen, eben weil die Flickschusterei an einzelnen Unfallschwerpunkten nur bedingt zum Erfolg führt. An manchen doktert die Kommission schon seit Jahren herum, ohne das Problem in den Griff zu bekommen.
Das gibt sie im Bericht auch selbst zu.
Ungelöste Konfliktstellen
Zum 2. Mai 2022 befanden sich 110 Unfallhäufungsstellen (UHS) im Stadtgebiet Leipzigs in der Bearbeitung der VUK, kann man da lesen. „An 27 dieser UHS wurden im Jahr 2020 Maßnahmen umgesetzt und in 2021 dafür Wirkungskontrollen durchgeführt. Bei 19 Unfallhäufungsstellen waren die Maßnahmen ausreichend wirkungsvoll, sodass die Bearbeitung abgeschlossen werden konnte. Bei acht UHS waren die Maßnahmen (noch) nicht ausreichend, sodass sie weiterhin Bestandteil des Arbeitsprogramms bleiben.“
Und diese Stellen, wo man mit punktuellen Veränderungen eben keine Verbesserung erreicht hat, zählt die Kommission auch auf:
Hinrichsenstraße (4 Fahrunfälle bei Nässe im Jahr 2021)
Arno-Nitzsche-Straße/Meusdorfer Straße (3 Vorfahrtunfälle mit Radfahrern von rechts im Jahr 2021)
Torgauer Straße/Dornbergerstraße (2 Linksabbiegeunfälle im Jahr 2021 trotz Verbot)
Koburger Straße/Prinz-Eugen-Straße (keine Fahrunfälle des Radverkehrs mehr, aber nun neue Unfalllage, die andere Maßnahmen erfordert)
Täubchenweg/Gutenbergplatz (5 Vorfahrtunfälle mit Radfahrern von links im Jahr 2021)
Ludolf-Colditz-Straße/Naunhofer Straße (3 Vorfahrtunfälle im Jahr 2021)
Lützner Straße/Endersstraße (2 Linksabbiegeunfälle mit Radfahrern von links im Jahr 2021)
Merseburger Straße/Fahrspurreduktion stadtauswärts nach der Hupfeldstraße (3 Unfälle im Längsverkehr im Jahr 2021)
„Im Jahr 2021 konnten zudem an 19 UHS beschlossene Maßnahmen neu umgesetzt werden. Bei diesen wird 2022 eine Wirkungskontrolle durchgeführt“, heißt es weiter. „Für die verbleibenden 64 UHS konnten noch keine geeigneten Maßnahmen umgesetzt werden.
Oft handelt es sich hierbei um erforderliche bauliche Maßnahmen oder größere Anpassungen an Lichtsignalanlagen (LSA), die einen längeren planerischen Vorlauf benötigen bzw. aus pragmatischen Gründen im Zusammenhang mit ohnehin geplanten Bauvorhaben umgesetzt werden sollen.“
Umbau dringend erforderlich
Die Unfallhäufungsstellen, die ohne größere Maßnahmen nicht entschärft werden können:
Torgauer Platz (Gleisstürze von Radfahrern und Abbiegeunfälle zwischen Linksabbiegern aus der südlichen Zufahrt und dem Gegenverkehr): die Unfalllage kann nur mit dem geplanten Umbau des Knotenpunktes behoben werden, die Vorplanung wurde bereits begonnen, kurzfristige Maßnahmen sind nicht möglich
Zeitzer Straße/Zur Weißen Mark (Abbiegeunfälle zwischen Linksabbiegern in Richtung Belantis mit dem Gegenverkehr): die in 2020 beschlossene konfliktfreie Signalisierung des Linksabbiegeverkehrs kann nur im Rahmen einer Überarbeitung der LSA-Steuerung erfolgen, die zeitlich vom zuständigen Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) noch nicht eingeordnet werden konnte; kurzfristige Maßnahmen sind nicht möglich
Brandenburger Straße / Am Gothischen Bad (Abbiegeunfälle beim zweistreifigen Rechtsabbiegen aus Richtung Am Gothischen Bad): die in 2020 beschlossene Prüfung des Rückbaus der beiden Fahrbahnteiler zwischen Fahrbahn und Radweg und der Bau eines Hochbordradwegs wurde noch nicht begonnen
Richard-Lehmann-Straße/An der Tabaksmühle (Abbiegeunfälle aus der westlichen Zufahrt An der Tabaksmühle): aktuell in der Bearbeitung seit 2013, die Realisierung der beschlossenen einstreifigen Zufahrt An der Tabaksmühle ist nur im Zusammenhang mit einem Umbau möglich, abgestimmte Vorplanung liegt vor, Ziel ist eine abgestimmte Entwurfsplanung bis Ende 2022 und ein Umbau bis Ende 2023
Karl-Liebknecht-Straße/Richard-Lehmann-Straße (Abbiegeunfälle zwischen Linksabbiegern aus der östlichen Zufahrt mit Gegenverkehr): die in 2021 beschlossene Prüfung der konfliktfreien Signalisierung des Linksabbiegeverkehrs konnte zeitlich noch nicht eingeordnet werden
Rippachtalstraße/Albersdorfer Straße (Vorfahrtunfälle aus der südlichen Albersdorfer Straße): in 2020 wurde der Bau einer LSA beschlossen, zuständig für Planung und Bau der LSA ist das LASuV, eine zeitliche Einordnung konnte bisher noch nicht erfolgen
Windmühlenstraße/Emilienstraße (Vorfahrtunfälle mit Radfahrern auf der linken Seite): der in 2019 beschlossene Umbau der Windmühlenstraße konnte planungsseitig noch nicht eingeordnet werden
Und dann gibt es noch die Einschränkung, mit welchen Unfallursachen sich die Verkehrsunfallkommission erst gar nicht beschäftigt:
„Aus Kapazitätsgründen beschäftigt sich die VUK nicht mit UHS bei denen überwiegend Unfälle im Längsverkehr im Zulauf zu Lichtsignalanlagen (LSA) typisch waren, da gegen diesen Typ Unfälle im Regelfall keine geeigneten Maßnahmen möglich sind.“
„Es handelt sich hier meist um Auffahrunfälle infolge zu geringen Sicherheitsabstands oder um Spurwechselunfälle. Bei derartigen Unfällen stehen grundsätzlich keine geeigneten Maßnahmen zur Verfügung. Sie gelten als LSA-typisch und sind seltener mit schweren Personenschäden verbunden.“
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