Es sind die bundesweit ersten Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit Aktionen der „Letzten Generation“: Seit den frühen Morgenstunden durchsucht die sächsische Polizei die Wohnungen von Klimaaktivist/-innen in Leipzig. Die Maßnahme bezieht sich auf eine Aktion der „Letzten Generation“ am 23. August in der Gemäldegalerie „Alte Meister“ in Dresden. Damals hatten sich zwei Mitglieder der „Letzten Generation“ am goldenen Rahmen der Sixtinischen Madonna festgeklebt, ein drittes Mitglied hatte die Aktion gefilmt und ins Netz gestellt.

Verdacht der gemeinschädlichen Sachbeschädigung

Das Landeskriminalamt (LKA) ermittelt seitdem gegen die drei Mitglieder der aktivistischen Gruppe, eine 22-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 22 und 29 Jahren. Es geht um den Verdacht der gemeinschädlichen Sachbeschädigung. Die Durchsuchungen in Leipzig fanden in den Wohnungen der beiden Klimaaktivist/-innen statt, die sich an den Rahmen der Madonna geklebt hatten.

Laut einer Sprecherin der „Letzten Generation“ war die 22-jährige beschuldigte Aktivistin am Morgen nicht zu Hause, doch ihre Mitbewohnerin war vor Ort.

Die Wohnung des 28-jährigen Beschuldigten war am Donnerstagfrüh leer, da der Aktivist derzeit in einem Münchner Gefängnis sitzt. Die Polizei durchsuchte seine Räumlichkeiten trotzdem. Darüber hinaus war ein Aktivist in Greifswald von den heutigen Hausdurchsuchungen betroffen.

Ein Leipziger Durchsuchungsort befand sich in Zentrum-Süd. Dort parkten am Morgen mehrere Polizeiwagen mit Dresdner Kennzeichen. Vor Ort waren Beamt/-innen zu sehen, die offenbar Beweismittel aus dem Haus trugen und in ihre Transporter verluden. Zudem gibt es Meldungen über Durchsuchungen in Zentrum-Ost.

Bundesweit erste Hausdurchsuchung bei „Letzte Generation“

Dass im Laufe des Tages oder in naher Zukunft weitere Durchsuchungsmaßnahmen oder andere Maßnahmen im Rahmen der Ermittlungen folgen, deutete der LKA-Sprecher an. „Das muss ja auch noch nicht alles sein“, so lautet das Statement des LKA am Donnerstagmorgen gegenüber LZ.

Bei der Aktion der „Letzten Generation“ am 23. August in Dresden entstand laut LKA ein Sachschaden von rund 4.000 Euro.

Es ist das erste Mal, dass die Polizei in Deutschland Häuser im Zusammenhang mit Aktionen der „Letzten Generation“ durchsucht. Das LKA verweist bei der Frage nach Verhältnismäßigkeit auf das Vorgehen der Kolleg/-innen in Bayern. Dort sitzen derzeit mehr als 20 Mitglieder der „Letzten Generation“ in Gewahrsamszellen, nachdem sie den Autoverkehr in München blockiert hatten – darunter auch der in Leipzig wohnhafte Aktivist, dessen Wohnung heute Ziel der Durchsuchungen war. Auf richterliche Anordnung waren die Aktivist/-innen in München im Rahmen des sogenannten 30-Tages-Gewahrsams in die Justizvollzugsanstalt geschickt worden.

Dass die Polizei aufgrund des Vorwurfs von Sachbeschädigung Hausdurchsuchungen durchführt, bezeichnet das LKA als angemessen. Sprecher Tom Bernhardt verweist auf die Strafprozessordnung und die entsprechende richterliche Anordnung. „Das ist rechtlich in keinster Weise schwierig.“

Am heutigen Einsatz sind rund 60 Beamt/-innen des LKA, der Bereitschaftspolizei und der Leipziger Polizeidienststellen beteiligt. Im Laufe des Tages will die Polizei Details zum Ablauf und den Ergebnissen der Maßnahme bekanntgeben.

„Letzte Generation“ will trotz Hausdurchsuchungen weitermachen

Die „Letzte Generation“ nahm am Vormittag öffentlich Stellung zu der Razzia. Man werde sich nicht von Hausdurchsuchungen aufhalten lassen. „Die entscheidende Frage ist nicht, was diese drei Zuhause haben, sondern wie wir überleben jenseits der planetaren Grenzen.“ Der 29-jährige Beschuldigte sitze im Münchner Gefängnis, weil er nicht aufgehört habe, zu warnen. „Unsere Lebensgrundlage wird vernichtet und die Bundesregierung erlässt nicht mal die einfachsten Maßnahmen: Tempolimit, 9-Euro-Ticket. Wir werden nicht aufhören, die überlebenswichtigen Fragen zu stellen.“

Die „Letzte Generation“ ist eine von mehreren klimaaktivistischen Gruppen in Deutschland und zieht seit mehr als einem Jahr besonders viel öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Die häufigste Protestform der Gruppe ist das Ankleben auf Verkehrsstraßen in verschiedenen deutschen Städten, beispielsweise auf der Stadtautobahn in Berlin.

Auch in Leipzig setzten sich die Aktivist/-innen schon mehrmals auf Straßen, beispielsweise auf den Waldplatz, auf die Brandenburger Brücke und auf den Ring. Und im Mai besetzten sie über mehrere Tage den größten Hörsaal der Universität Leipzig, um die Rektorin zur Abgabe einer „sofortigen Lebenserklärung“ aufzufordern.

In den vergangenen Monaten sorgte die „Letzte Generation“ vor allem mit Aktionen in Museen für Aufsehen, wo sich ihre Mitglieder wie in Dresden an Gemälde festklebten oder Kartoffelbrei oder Tomatensuppe auf Gemälde schütteten.

Mit ihren Aktionen wollen die Aktivist/-innen auf die Dringlichkeit der Lösung der Klimafrage hinweisen.

„Mit ihrer Aktion in der Dresdner Gemäldegalerie verdeutlichen die entschlossenen Bürger:innen, dass die weltweit voranschreitende Klimakatastrophe unignorierbar ist“, hieß es etwa von Seiten der „Letzten Generation“, nachdem sich die zwei Aktivist/-innen an Raffaels Sixtinischer Madonna in der Dresdner Gemäldegalerie festgeklebt hatten.

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Es gibt 5 Kommentare

Der Skandal ist eben nicht unsere Endstation Klimahölle, sondern dass vorher die Musik aufhören könnte zu spielen…

Ja sicher muss für Schäden aufgekommen werden.
Aber die Unverletzlichkeit der Wohnung steht im Grundgesetz recht weit vorn.
Die darf man mMn nur verletzen, wenn es ein Kapitalverbrechen aufzuklären gilt, nicht bei solchen (im Vergleich) Pille-Palle Vorfällen.
Und auch das bayrische Polizeigesetz verletzt mMn das Grundgesetz. Einen Monat Knast, einfach so? Ohne Gerichtverfahren und Verurteilung? Wegen (mehrfacher) Sachbeschädigung und Wiederholungsgefahr? Sorry, aber Bananenrepublik lässt grüßen.

Die Straßenklebereien sorgen auch für Unmut, aber rechtfertigen sicherlich keine Hausdurchsuchung oder gar Vorbeugehaft.

Bei den Kunstwerken handelt es sich da schon um ein anderes Kaliber. Das sind Meisterwerke, also Repräsentanten größter Fähigkeit, aus so alter Zeit, dass es nur mit großem Glück und der Umsicht vieler Generationen gelungen ist, sie bis heute zu erhalten. Es gab Umzüge, Renovierungen, zwei Weltkriege und so weiter. Alles haben sie überstanden und dienen nun als Vehikel und Druckmittel einiger Leute_/innen, die für sich keine Zukunft sehen.
Anders als mal eben morgens im Verkehr stecken zu bleiben ist der denkbare Schaden bei so einer Aktion an diesen “Erbstücken” so groß, dass ich es richtig finde, dass hier ein Exempel statuiert wird.
Die uns weitergegebenen Kunstwerke haben mit den vielen fossilen Kraftwerken und anderen Emittenten auf der Welt so wenig zu tun, dass diese aktuell in Mode gekommene Protestform wirklich unterbunden gehört. Um so klarer werde ich in dieser Haltung, wenn ich Äußerungen wie die geforderte “Lebenserklärung” an die Rektorin lese, oder von seltsamen Gedankenspielen zum “überleben jenseits der planetaren Grenzen”. Ich würde dieses Thema lieber Elon Musk überlassen (aber eigentlich nicht mal ihm), der kann seine teils krude Gedankenwelt eher umsetzen.

Ja, sehe ich auch so.
Absolut unverhältnismäßig (ungeachtet meiner Meinung zu den Aktionen)!
Wenn man mal so bei schlimmeren Verbrechen oder Taten agieren würde; es sieht ganz nach aktionistischem Staatshandeln aus.

An Gemälden festkleben finde ich jetzt nicht so klasse.
Aber deswegen eine Hausdurchsuchung? Leute, Leute, Leute! Wonach sucht man denn da? Ich mein die wurden auf “frischer Tat” gefasst, was will man da noch als weitere Beweise finden?
Das riecht alles nach Abschreckung Modell “starker Staat”, genauso wie die unverhältnismäßige einmonatige Haft!
Das finde ich echt zum Kotzen.

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