Bei einem Polizeieinsatz in Leipzig ist am gestrigen Mittwoch ein 36-Jähriger verstorben. Der Mann soll zuvor an einem Raubüberfall auf einen Supermarkt beteiligt gewesen sein. Im Rahmen der eingeleiteten Durchsuchungsmaßnahmen in seiner Wohnung in Paunsdorf entstand eine „bedrohliche“ Lage, heißt es seitens der Polizeidirektion Leipzig.

Daraufhin hätten die Beamt/-innen geschossen. Der Mann wurde zunächst schwer verletzt und wurde zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Dort erlag er am Abend seinen Verletzungen. Wie viele Schüsse abgegeben wurden und wie viele Polizist/-innen beteiligt waren, sei derzeit noch Teil der Ermittlungen, so Ricardo Schulz, Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Leipzig, gegenüber der Leipziger Zeitung (LZ).

Auch der Ablauf des Einsatzes werde derzeit rekonstruiert. Der 36-Jährige soll der Polizei nicht freiwillig Zutritt zu seiner Wohnung gewährt haben. „Ob der Verstorbene daraufhin eine Waffe gezückt hatte und die Beamten bedrohte oder ob es eine andere Bedrohungslage gab, lässt sich derzeit noch nicht sagen“, erklärt Schulz. „Es kann natürlich auch sein, dass ein Beamter die Situation falsch eingeschätzt hat.“

Ermittlungen an Polizeidirektion Dresden abgegeben

Daher wird gegen die beteiligten Polizist/-innen wegen des Anfangsverdachts eines Tötungsdeliktes ermittelt. Um objektive Ermittlungen zu gewährleisten, habe die Polizeidirektion Leipzig den Fall an die Beamt/-innen in Dresden abgegeben, so Schulz. Die Tatortgruppe des Landeskriminalamtes Sachsen sicherte Beweise vor Ort.

Am heutigen Donnerstag soll der Verstorbene obduziert werden, um die letztliche Todesursache festzustellen. Außerdem werden Vernehmungen durchgeführt und die Ergebnisse der Spurensicherung auszuwerten, um in den nächsten Tagen erste Ergebnisse in dem Fall zu liefern.

„Wahrscheinlich werden wir auch schon heute eine weitere Pressemitteilung herausgeben“, teilt Schulz mit. So wolle man spekulativen Medienberichten von Journalist/-innen vorbeugen, die am gestrigen Tag vor Ort waren.

Tödliche Polizeieinsätze häufen sich

Bereits Anfang August kam es zu einer Reihe von tödlich verlaufenden Polizeieinsätzen. Innerhalb einer Woche verstarben vier Menschen in Nordrhein-Westfalen und Hessen; darunter drei Personen mit Migrationshintergrund. Am 2. August erschoss die Polizei im Frankfurter Bahnhofsviertel einen 23-Jährigen, nachdem dieser zwei Frauen bedroht und einen Polizeihund angegriffen hatte.

Einen Tag später wurde in Köln ein Mann bei der Zwangsräumung seiner Wohnung niedergeschossen. Die Polizist/-innen setzten nach dem „erfolglosen Einsatz von Pfefferspray und der Androhung des Schusswaffengebrauchs ihre Schusswaffen ein“, hieß es in der Mitteilung der Polizei Köln.

Wenige Tage später randalierte ein 39-Jähriger in seiner Wohnung. Auch hier lässt sich der Mensch nach Polizeiangaben nicht beruhigen, die Polizei habe ihn am Boden „fixieren“ müssen. Der Mann verlor das Bewusstsein und stirbt kurze Zeit später.

Der letzte Fall in dieser Reihe ereignete sich am Montag, 8. August. In Dortmund starb ein 16-Jähriger in einer Jugendeinrichtung. Ein Beamter schoss mit einer Maschinenpistole sechsmal auf den Teenager, unter anderem in den Kopf. Zuvor soll der 16-Jährige mit einem Messer gedroht haben.

Kritische Stimmen werden laut

Bodo Pfalzgraf, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft Berlin, wird in verschiedenen Medienberichten zu dem Vorfall in Leipzig zitiert: „Solche Einsätze mit grausamen Szenen zeigen, wie gefährlich meine Kollegen täglich leben. Wenn Einsatzkräfte dann so angegriffen werden, dann bleibt nur die Schusswaffe als letztes Mittel, weil uns andere wirksame Mittel wie der Taser von der Politik vorenthalten werden.“

Polizeiwissenschaftler Alexander Bosch kann diesem Argument von aussichtslosen Situationen für die Beamt/-innen jedoch wenig abgewinnen. Er sieht starke Defizite in der Polizeipraxis, besonders wenn es um den Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen geht, erklärt er gegenüber Belltower News. Er fordert geschultes Personal für solche Einsätze.

Auch Copwatch Leipzig bestätigt gegenüber der Leipziger Zeitung (LZ) diese Kritik: „Die Ausbildung der Polizist/-innen, insbesondere auch beim Umgang mit Menschen in psychischen Akutlagen, ist mangelhaft. Durch das martialische Auftreten der bewaffneten Einheiten eskalieren Situationen. Hilfe in einer solchen Situation ist so nicht zu gewährleisten.“

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