Die Tatvorwürfe machen fassungslos: Eine 33-jährige Frau soll ihren neugeborenen Jungen getötet haben, weil er ihr schlicht nicht in die Lebensplanung passte. Am Freitag startete der Prozess vor dem Landgericht. Die Angeklagte wies den Vorwurf des Mordes zum Auftakt von sich und schilderte eine andere Version des Geschehens.
Neun Monate nach dem Fund eines toten Babys in Wurzen hat die unter Mordverdacht stehende Mutter des Kindes den schweren Vorwurf bestritten: Sie habe von ihrer Schwangerschaft nichts bemerkt, das Kind sei ihr dann nach der überraschenden Geburt auf der Toilette von einem Unbekannten entrissen worden, sagte die 33-jährige Angela B. am Freitag vor dem Landgericht aus.
Anklage sieht Mord aus niedrigen Beweggründen
Zuvor hatte Staatsanwältin Katharina Thieme der gelernten Gärtnerin vorgeworfen, sie habe den lebend geborenen Säugling um den 29. Oktober 2021 herum – der Zeitpunkt von Geburt und Tod ließ sich nicht exakt bestimmen – gezielt umgebracht.
Dem Jungen wurden demnach stumpfe Gewalt und Stichverletzungen am Hals zugefügt, er starb letztlich an einer Lungenembolie. Das von der Staatsanwaltschaft angenommene Motiv der Angeklagten lag darin, dass „das Kind für ihren aktuellen Lebensplan einen Störfaktor darstellte“, heißt es in der Anklage.
Der in einer Tüte eingewickelte Körper des toten Säuglings war am 10. November 2021 zufällig von einem Arbeiter im Gefrierfach eines nicht mehr genutzten Kühlschranks entdeckt worden.
Dieser befand sich in jener Wurzener Gemeinschaftsunterkunft, die auch Angela B. bewohnte – die gebürtige Ungarin war erst vor kurzer Zeit nach Deutschland gekommen, um hier in einem Mutzschener Lebensmittelbetrieb zu arbeiten.
Angeklagte: Unbekannter Mann hat das Kind entrissen
Am Freitag ließ Angela B., die seit 11. November 2021 in Untersuchungshaft sitzt, über ihren Pflichtverteidiger Alexander Krell zunächst mitteilen, sie fühle sich aktuell nicht in der Lage zu einer Aussage und wolle diese später nachholen.
Nach einer Prozessunterbrechung nahm die 33-Jährige dann aber doch Stellung zum Tatvorwurf: Demnach habe sie von ihrer Schwangerschaft nichts bemerkt, bevor sie Ende Oktober unter Durchfall und Krämpfen litt. Während sie auf der Toilette saß, habe sie das Kind überraschend zur Welt gebracht und unter Schock gestanden.
Nach einem Sturz mit dem Säugling sei ihr dieser von einem unbekannten Mann entrissen worden, sie selbst will erneut bewusstlos geworden sein und das Baby nie wieder gesehen haben, sagte die mehrfache Mutter am Freitag.
Kindsvater vorübergehend in Untersuchungshaft
Vater des Kindes war laut DNA-Untersuchungen der Lebensgefährte von Angela B., mit dem sie gemeinsam im gleichen Betrieb tätig war.
Auch der 24-jährige Landsmann der Verdächtigen hatte in gleicher Sache vorübergehend in Untersuchungshaft gesessen, war aber schließlich wieder auf freien Fuß gesetzt worden, da sich der Verdacht gegen ihn nicht erhärten ließ. Er gab an, er habe nichts von der Geburt gewusst.
Die 16. Strafkammer muss den Vorwürfen gegen Angela B. nun in einer umfassenden Beweisaufnahme mit zahlreichen Zeugen nachgehen. Acht Verhandlungstermine bis 15. November sind derzeit geplant.
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