Nach einer weiteren Pause geht es am 5. August vor dem Staatsschutzsenat ab 12:40 Uhr um die Funktion der sogenannte „Überblicksperson“ während der Angriffstrainings und bei den Ausführungen in der Praxis. Eine Funktion, von welcher Johannes D. behauptet, dass diese auch Lina E. beim Eisenacher Überfall auf den Betreiber des „Bulls Eye“ eingenommen habe.
Lina E. als „Überblicksperson“ und Kreditkartenbetrug
Diese Funktion sei – so Johannes D. – vor allem davon geprägt, dass diese Person absichern solle, im Falle eines Scheiterns des Angriffes oder der Einmischung von Dritten zu intervenieren und deshalb auch das „große Pfefferspray“ (einen sogenannten „Löscher“) mit sich führe.
Diese Variante sei nur vorgesehen gewesen, wenn das Geschehen, wie beim ersten Überfall auf das „Bulls Eye“, „außer Kontrolle“ gerät und für den Rückzug nach dem „Kampf“ als Rückendeckung. Zudem habe es ein „Abbruchssignal“ gegeben, welches von der Übersichtsperson kommen musste, so D., was auch im Training geübt worden sei.
Dazu habe es kein festes Wort gegeben, offenbar gab es verschiedenste „Codeworte“, welche in der Auseinandersetzung wie Einsatzbefehle wie zum Beispiel „helfen“ genutzt werden sollten. In diesem Fall sollte eine überraschende Überzahlsituation beim attackierten Gegner so ausgeglichen werden, dass sich alle zeitgleich darauf konzentrierten. „Messer“ hingegen bedeutete, dass der Gegner eine Waffe habe und ein Rückzug erforderlich sei.
Dazu solle die Übersichtsperson „fokussiert, mit Überblick und klaren Ansagen“ handeln, liest Schlüter-Staats aus Johannes D.s schriftlicher Anzeige vor. Fertigkeiten, die offenbar Lina E. in diese Funktion brachten und die – neben den anderen einstudierten Rollen – Übergriffe mit großem Schaden binnen von 30 Sekunden ermöglichen sollten.
Für Schlüter-Staats genügt das an diesem Tag, er übergibt an die Bundesanwaltschaft für deren Nachfragen.
Diese fasst sich kurz und kommt noch einmal auf jene „Ausfahrten“ zurück, bei welchen Johannes D. aussagte, rings um größere rechte Demonstrationen in Sachsen im Zug den „Scout“ für anschließende Überfälle gegeben zu haben. Ob er dazu Erfolgsmeldungen bekommen habe, möchte die Anwaltschaft wissen. „Ja, manchmal“, so Johannes D. Mal habe er nachgefragt, manchmal kam die Meldung von allein, ob ein Überfall stattgefunden habe oder nicht.
Die Anfragen und Absprachen zu diesen „Scoutings“ und „Ausfahrten“ fanden laut Johannes D. stets mit Johann G. statt, hierüber kamen auch die „Wegwerfhandys“ oder Johannes D. hätte diese selbst besorgt. Nach den zu kaufenden Zugtickets befragt und wer diese besorgt habe, wendet sich Johannes D. an seinen Anwalt, um abzusprechen, ob er dazu aussagen sollte.
Nach einer positiven Auskunft schildert D., dass mindestens ein Ticket aus Kreditkartenbetrug stammte. Er habe dazu nur einen Code bekommen, mit welchem er am Deutsche-Bahn-Automaten ein „Querdurchsland-Ticket“ ziehen konnte. Auch dieser Code sei von Johann G. gekommen.
Anschließend geht es um Tarnoutfits, wie zum Beispiel einen Pullover mit „Yakuza“-Aufdruck. Dieser sei über einen Türsteherkollegen zur Gruppe gelangt, da in bestimmten Umständen bei Ausspähaktionen so ein Kleidungsstück unter Rechtsextremen eher „szenegerecht“ sei.
Arndt Hohnstädter hat Fragen und Trubel im Publikum
„Beim nächsten Mal bringe ich Dich um“, habe ja der Spruch gegenüber Leon R. beim Überfall am 14. Dezember 2019 in Eisenach gelautet. Ob denn dies im Nachgang im Kreise der Gruppe danach goutiert worden sei oder abgelehnt, möchte der einzige anwesende Nebenkläger-Anwalt Arndt Hohnstädter an diesem Tag von Johannes D. wissen.
Schlüter-Staats greift ein, da er den Satz bereits gestern so verstanden habe, dass er nicht ernst gemeint gewesen sei. Zudem habe Johannes D. bereits gestern dazu Stellung genommen. Johannes D. verweigert gegenüber Hohnstädter die Aussage, ebenfalls wie auch gestern schon. An von Hohnstädter erfragte eventuelle „Tarnmittel wie Polizeiunformen“ kann sich D. nicht erinnern.
Ob sich Johann G. mit dem geschichtlichen Bezug der „Nakam“-Crew als Vergeltungsgruppe gegenüber den Deutschen für den Holocaust befasst habe. Diese habe, so Hohnstädter vorgehabt, sechs Millionen Deutsche zu töten, genau so viele, wie … Der Rest der Frage geht im lautstarken Widerspruch der Verteidigung um Ulrich von Klinggräff unter.
Arndt Hohnstädter, so Verteidiger Klinggräff, befleißige sich hier der Holocaustleugnung, der rechte Szeneanwalt Hohnstädter fühlt sich daraufhin durch Klinggräff zu Unrecht attackiert.
Daraufhin folgt ein wildes Wortgefecht zwischen Richtertisch, Hohnstädter und Verteidigung, ob hier rechte Propaganda verbreitet wurde. Tatsächlich hat Hohnstädter lediglich Erkenntnisse wiedergegeben, welche leicht auf Wikipedia zu finden sind.
Im gleichen Moment beginnt eine junge Frau im Publikum zu rufen: „Ich habe Dich geliebt Johannes, Du weißt es. Aber Du hast uns alle verraten. Du wirst einsam sterben.“, bevor sie unter Begleitung eines Justizbeamten nach draußen stürmt und den Gerichtssaal verlässt.
Damit erlebt der vorerst letzte von vier Tagen der Aussagen eines in der Szene als Verräter gehandelten jungen Mannes seinen abschließenden Paukenschlag. Und endet mit der Bestätigung, dass Johannes D. den Strafverfolgungsbehörden keine Bären aufgebunden hat und auch vor Gericht gerade Dinge schildert, die wohl weitgehend den Tatsachen entsprechen.
Die Befragung von Johannes D. wird voraussichtlich am Montag, 29. August 2022 fortgesetzt.
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