Saidou B. fehlen drei Zähne, als er zu unserem Treffen erscheint. Mit aufgeplatzter Lippe erzählt er, dass seine Abschlussprüfung nun auf nächste Woche verschoben wurde. An lernen konnte der angehende Krankenpfleger nach dem 12. Juni nicht denken. In der Nacht von Samstag zu Sonntag wurde Saidou laut eigener Aussage zusammengeschlagen – vom Security-Personal im Leipziger Club „Elsterartig“.

Erst zwei Wochen vorher wurde im „Spizz“-Keller der Berliner Robert H. von drei Türstehern zusammengeschlagen. Und auch beim „Elsterartig”-Vorfall steht wieder ein Vorwurf der Diskriminierung im Raum: Während Robert H. bei dem Angriff auf ihn von Homophobie ausgeht, war das, was Saidou B. angetan wurde, klar rassistisch motiviert, so der Geschädigte.

Widersprüchliche Aussagen

Saidou B.s Abend startet am Samstag, 11. Juni, als er einen Freund, der in der „Elster“ arbeitet, zum Club begleitet. Dort trinkt B. einige Bier und tanzt. Gegen 2 Uhr nachts schmeißen ihn vier Securitys aus dem Laden – ein Pärchen hatte sich über Saidou B. beschwert.

Die Zeugenaussagen zum Vorfall sind sehr widersprüchlich. Während das Pärchen Saidou B. sexuelle Belästigung vorwirft, erzählt der angehende Krankenpfleger, dass er versehentlich das Getränk der Frau umschmiss, es aber auf Forderung des Pärchens nicht ersetzen wollte.

Wieder eine Clubnacht, die im Krankenhaus endete

Als B. sich auch weigert, den Laden zu verlassen, sollen ihn vier Türsteher an den Armen die Treppe heruntergezerrt und auf ihn eingeschlagen haben, so der Geschädigte. Zwei Personen seien Saidou nach eigenen Aussagen zu Hilfe gekommen und hätten die Polizei benachrichtigt. Diese muss die widersprüchlichen Zeugenaussagen nun auswerten. Fakt ist, dass hier wieder ein Clubbesuch im Krankenhaus endete.

Auf LZ-Anfrage bestätigt die Polizeidirektion Leipzig, dass sie eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung gegen einen der Türsteher aufgenommen hat. „Es müssen noch verschiedene Zeugen vernommen werden und deren Aussagen ausgewertet werden. Danach könnte sich der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung gegen weitere Personen richten.“

Man lernt bei der Security-Ausbildung, dass das Gewaltmonopol der Exekutive obliegt. Als Security sollte man verschiedene Techniken und Griffe beherrschen, um Situationen unter Kontrolle zu bringen. Dadurch trägt man höchstens blaue Flecken und Quetschungen davon“, berichtete eine ehemalige Türsteherin gegenüber der LZ, als es um den „Spizz“-Vorfall ging.

Rassismus als Motiv?

Zwar entschuldigt sich das „Elsterartig“ auf Social Media für den Vorfall – sagt aber auch, dass man für jede Person einen „sicheren Ort“ bieten möchte und Vorwürfen der sexuellen Belästigung sofort nachgegangen würde. Außerdem sei es bedenklich, den Club als rassistisch darzustellen, da laut eigener Aussagen 50 Prozent der Mitarbeiter/-innen Migrationshintergrund hätten …

Und auch die extern engagierte Firma Koloss Mitte GmbH streitet Rassismus als Motiv vehement ab: „Ob Mitarbeiter falsch reagiert haben könnten, liegt hier in keinster Weise an der Ethnie des Gastes, die Situation wäre genau die gleiche gewesen, wäre es ein hellhäutiger Mann gewesen“, so Koloss Mitte-Geschäftsführer Udoka Unamba-Oparah. „Ich möchte noch beifügen, dass alle Mitarbeiter, welche in den Vorfall verwickelt gewesen sind, ebenfalls Migrationshintergrund haben.“ Auch er selbst sei nigerianischer Staatsbürger und würde in seinem Unternehmen keinerlei Rassismus dulden.

„Grundlegend ist festzuhalten, dass wir bei unseren Handlungen jegliche Art von Gewalt vermeiden wollen“, sagt Elsterartig-Geschäftsführer Sebastian Seifert auf LZ-Anfrage. Sowohl das Elsterartig als auch die Koloss Mitte GmbH wollen sich erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen weitergehend zum Vorfall äußern.

Solidarität mit Saidou B.

Soli-Demo zu Elsterartig-Vorfall am 17. Juni 2022 in der Leipziger Innenstadt. Foto: Antonia Weber

Die BiPoc-Community in Leipzig solidarisierte sich derweil mit Saidou B. Am Freitag, 17. Juni, versammelten sich rund 100 Menschen für eine Soli-Demo. Diese startete am Goerdelerring und endete vor dem „Elsterartig“. Eine Sprecherin erzählt, dass am selben Abend des 11. Juni eine Person of Colour vor dem Club abgewiesen wurde, da laut Security „schon genug Schwarze drin sind“. Gleiches berichtet auch die Dokumentationsplattform chronik.LE. 

Der Demonstrationszug skandiert „Black lives matter“, während die Speakerin die Aufklärung des Vorfalls fordert. „Wir hören erst auf, wenn Saidou B. und allen von rassistischer Gewalt Betroffenen Gerechtigkeit widerfährt.“

Die Ermittlungen dauern an, so die Polizei.

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