Seit 17 Uhr rollen der Sächsische Zoll, das LKA Sachsen und die Bundespolizei vor allem die Eisenbahnstraße regelrecht auf. Erst wurde die Ost-Magistrale dicht gemacht, nun kontrollieren Zollbeamte mit Unterstützung der Polizeikräfte Schritt um Schritt die Ladengeschäfte der Straße. Hier, wie auch in der Georg-Schumann-Straße, liege „der Schwerpunkt auf der Gastronomie“, so Zoll-Sprecher Maximilian Hempel auf LZ-Nachfrage.
Die Arbeit steht im Moment still an der quirligen Straße im Leipziger Osten. Überall stehen Mitarbeiter der Läden auf der Straße, Autos und Räume werden durchsucht, Bonrollen aus Registrierkassen gezogen und begutachtet. Nichts Schlimmeres als eine Routinemaßnahme, so der Grundtenor des Zoll-Sprechers Maximilian Hempel gegenüber LZ.
Es gehe um „Schwarzarbeit, illegale Beschäftigungen und die Einhaltung des Mindestlohns“ bei den am heutigen 9. Juni 2022 laufenden Kontrollen. Der stets dabei mögliche Beifang ist natürlich auch der eine oder andere schwarze Euro, darf man vermuten, aber vorrangig sei man heute auch unterwegs, um „ein gewisses Unrechtsbewusstsein“ (Hempel) in den Bereichen illegaler Beschäftigungen und der Einhaltung von arbeitsrechtlichen Regeln zu erzeugen.
Im Gegensatz zu anderen Einsätzen handele es sich hier um eine präventive Maßnahme, Strafanzeigen oder Strafbefehle lägen nicht vor. Es gibt also derzeit auch keine Beschuldigten, vor allem die gastronomischen Betriebe der Gegend werden kontrolliert, weil es bei den letzten Einsätzen 2021 hier einige Funde gab.
Man schaue also auch nach, ob die bemängelten Zustände vom vergangenen Jahr abgestellt wurden, so Hempel gegenüber der LZ. Der Einsatz dürfte noch „ein paar Stunden dauern, je nachdem, wie viel wir finden“, so der Zollbeamte abschließend. Nach Ende der noch laufenden Maßnahmen würde eine Pressemitteilung mit der entsprechenden Auswertung folgen.
Update 10. Juni 2022, 01 Uhr: Auch die Steuerfahnder waren dabei
Gegen 23 Uhr waren dann die Ergebnisse der, angesichts der 270 beteiligten Beamtinnen und Beamten, nun doch als große Razzia zu bezeichnenden Durchsuchungen und Maßnahmen des Hauptzollamt Dresden (HZA-DD) online.
Gemeinsam mit dem Landeskriminalamt Sachsen, der Polizeidirektion Leipzig, der Bundespolizei und der Steuerfahndung hatten die Zollfahnder „Exekutivmaßnahmen in Leipzig und Taucha“ durchgeführt und dabei „im Bereich der Eisenbahnstraße sowie der Georg-Schumann-Straße 16 Objekte, darunter Gastronomiegewerbe wie Bistros, Spätverkaufe und Shishabars“ kontrolliert.
Was während des frühen Abends noch unbekannt blieb: Zeitgleich war auch „die Steuerfahndung in 7 Objekten“ unterwegs und setzte „Durchsuchungsbeschlüsse wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung“ durch.
Die Beamtinnen und Beamten kontrollierten nach eigener Auskunft insbesondere die ordnungsgemäße Zahlung des vorgeschriebenen Mindestlohns, „die Einhaltung sozialversicherungsrechtlicher Pflichten, den unrechtmäßigen Bezug von Sozialleistungen sowie die illegale Beschäftigung von Ausländern, unerlaubter Aufenthalt und Steuerhinterziehung.“
Neben Vorgängen, welchen die Zollbeamten nun erst einmal prüfen wollen, wurde eine nicht aufgeführte Anzahl von „Verfahren wegen unerlaubter Arbeitnehmerbeschäftigung, Verstößen gegen die Sofortmeldepflicht sowie Verstößen gegen Pflicht zum Führen von Stundenaufzeichnungen“ eingeleitet.
Darüber hinaus hätten die Beamten „einen Fluchtversuch während der Kontrollmaßnahmen“ vereitelt und 4,6 Kilogramm Shishatabak beschlagnahmt.
Der „Beifang“ des Fischzuges, welcher nun von der Landespolizei Sachsen verfolgt wird: 30 Cliptütchen sowie mehrere Päckchen mit Rauschgift, ein gestohlener Elektroroller, zwei gestohlene Fahrräder sowie zwei Dolche.
Hintergrundinfos des Zoll
Im Jahr 2021 prüfte das Hauptzollamt Dresden nach eigenen Angaben ca. 1.400 Arbeitgeber und leitete etwa 4.000 Strafverfahren ein. Insgesamt ermittelte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamtes Dresden eine Schadenssumme von 31,4 Mio. Euro. Bundesweit deckten die Ermittlungen des Zolls einen Schaden von etwa 789 Millionen Euro auf.
So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:
Es gibt 9 Kommentare
Ja, richtig, es gab auch Razzien bei großen Konzernen – aber doch nicht hier in unserer Gegend – und darauf bezog sich die Kritik.
Auch bei der Deutschen Bank, auch bei VW, auch bei Siemens gab es schon Razzien. So eine Brecht’sche Romantik, dass wieder nur “die kleinen” belangt würden… Fourschbar.
Ist doch gut, das der Staat mal Präsenz zeigt, gerade wenn es um Verdacht auf Lohndumping und dergleichen geht! Gerade in einem Gebiet der Stadt, wo staatliche Präsenz definitiv angezeigt ist.
Und die Nummer mit dem wochenlang ausgefallenen EC Geräten ist mir auch schon aufgefallen. Interessant auch wie nichtssagend bisher die Antworten waren, wenn man mal nach dem Grund fragte. “lächeln und nicken” war das bewährte Prinzip…
Ja, schlimm, wie bei kleinen Betrieben “durchgegriffen” wird und die Großen machen können, was sie wollen!
Ich war auch schockiert, mit welcher Häme in den Nachrichten über den Einsatz “berichtet” wurde, von Radio Leipzig hätte ich sowas z. B. nicht erwartet. Es geht hier klar um Stimmungsmache gegen “die Ausländer”, es werden dem einfachen Volk wieder Sündenböcke präsentiert, damit es sich besser fühlt und abreagieren kann.
An die echten Wirtschaftskriminellen traut man sich nicht heran, die haben nichts zu befürchten. Einfach nur fürchterlich!
Ich lach’ mich schlapp! Da geht es doch nur um Kleingeld, ein paar Kilo Shisha-Tabak, lächerlich.
Herr Reul – ja, eine Leuchte vor dem Herrn! LOL
Solange auf Konzernebene immer nur ein Kotau gemacht wird, wo Millionen oder Milliarden zu finden sind, kann ich sowas nicht ernst nehmen. Hier rücken hunderte Beamte an, was das kostet.
Aber gut bezahlte Steuerfahnder und den Zoll (Schwarzarbeit etc.) auf alle Konzerne ansetzen geht nicht. Obwohl bekannt ist, dass jeder Steuerfahnder seinen Jahreslohn pro Jahr mehrfach wett macht (also Plus-Geschäft!). Lieber alle paar Jahre eine zahnlose Beriebsprüfung oder so eine Kleinscheiße.
Shisha-Bars durch Gesetze verbieten?
Ob das jetzt “im Westen” gegen Steuerhinterzieher und Schwarzgeld hilft – scheint mir nicht so: zdf.de/dokumentation/die-spur/das-system-toennies-100.html
Ist eigentlich das bundesweite Software-Problem mit der Kartenzahlung inzwischen behoben? www1.wdr.de/nachrichten/ec-karten-stoerung-lesegeraete-100.html
Sicher sollte man ab und zu mal nach Schwarzarbeit schauen, da die illegal Beschäftigten keinerlei Rechte haben. Ob damit aber auch die Situation der Betroffenen wirklich verbessert wird, vermutlich nicht.
Es gibt seit ein paar Jahren neue verpflichtende Kassensysteme, wenn ich mich nicht täusche. Diese speichern alles, was man eintippt. Aber nicht alles, was nicht sofort eingetippt wird, ist Schwarzgeld. Es ist gerade bei den neuen Systemen riskant, zu oft etwas zu verbessern (wenn z.B. bei Lieferungen nicht geöffnet wird). Große Ketten haben da viele kleine elektronische Geräte für jeden Mitarbeiter, aber kleine Läden können das nicht. Für die ist Kartenzahlung z.B. oft auch nicht lohnend.
Es KANN also natürlich sein, dass es schwarz in die Kasse soll in so einem Moment, muss aber nicht.
Mit politischer Wille meine ich, dass man stärker strukturell arbeitet und Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung und dergleichen vorab bekämpft und zwar mit härteren Gesetzen, Null-Toleranz-Politik und entsprechend klaren Ansagen wie sie etwa Innenminister Reul im Westen macht. Das fehlt mir in Sachsen bzw. Leipzig
Etwas von “fehlendem politischen Willen” unter einem Beitrag mit einer Razzia genau in diesem Bereich zu schreiben, ist etwas speziell 😉 weil es sich ein wenig selbst widerlegt.
Es gibt – nicht nur in der Eisenbahnstraße – viel zu viele Restaurants, in denen man nur bar zahlen kann. Besonders die hippen veganen Restaurants mit oftmals vietnamesischen Namen und – damit das Publikum sich wohlfühlt – shabby chic an der Front sind oft nicht bereit, Karten zu akzeptieren oder wirkliche Rechnungen auszustellen. Gleiches gilt für Shisha Bars und dergleichen. Die Behörden sollten hier massiv gegen vorgehen und gerade Shisha Bars dichtmachen bzw. nicht mehr erlauben. Einige Städte im Ruhrgebiet haben vorgemacht wie das geht (das Baurecht hilft), aber hierzulande fehlt noch der politische Wille, scheint mir.