Die Beschwerde der Ehefrau über ein Frühstücksbrötchen soll vor einem halben Jahr dazu geführt haben, dass ihr Mann seine Gattin mit einem Messer erstach. Am Leipziger Landgericht legte der nun wegen Mordes angeklagte Störmthaler Klaus-Peter S. (65) am Donnerstag ein Geständnis ab – und nach und nach offenbart die erschreckende Gewalttat ihren tragischen Hintergrund.
Frühstücksbrötchen als Auslöser
Seit 1986 waren sie verheiratet, hatten drei erwachsene Kinder zusammen, besaßen ein Eigenheim in Störmthal bei Leipzig. Der jahrzehntelange Ehebund von Klaus-Peter S. (65) und seiner jüngeren Frau Gertrud (60) war ohnehin konfliktbelastet. Doch dann kam die niederschmetternde Nachricht: Gertrud S. ist schwer krebskrank, die Aussichten auf Genesung gehen gegen null. Die Frau wollte die letzten Monate ihres Lebens in gewohnter Umgebung verbringen.
Am Morgen des 3. September 2021, so die Anklage beim Prozessauftakt, stach Klaus-Peter S. mit einem Messer auf seine Frau ein, die in der Stube des Hauses im Bett lag. Zuvor soll sie sich bei ihm heftig beschwert haben, weil ihr das servierte Frühstücksbrötchen zu kross gebacken war. Gertrud S. verstarb wenige Minuten nach dem Angriff noch vor Ort, ihr Gatte selbst wählte den Notruf und stellte sich somit der Polizei.
Frau unheilbar an Krebs erkrankt
Vor der 16. Strafkammer des Leipziger Landgerichts hatte Klaus-Peter S. nun am Donnerstag die Gelegenheit, sich selbst zur Mordanklage zu äußern. Gefasst schilderte der langjährige Schlosser, der die Schule bereits nach der 7. Klasse verließ, wie er die gemeinsamen Ehejahre mit Gertrud S. erlebte. Als junger Mann lernte er sie kennen, sie war die Schwester seines besten Freundes. Aus der 1986 geschlossenen Ehe gingen drei Kinder hervor.
Das Verhältnis des Paars sei allerdings von häufigem Streit belastet gewesen. Anfang 2021 erreichte die Familie der erschütternde Befund, dass die Ursache von Gertruds körperlichen Dauerbeschwerden ernst war: Krebs, der bereits gestreut hatte, unter anderem auch im Kopf.
„Hör auf, du tust mir weh“
Ab Sommer 2021 pflegte Klaus-Peter S. seine Ehefrau daheim, die es ablehnte, in eine Palliativklinik zu gehen. Aussicht auf Heilung konnten ihr die Ärzte da nicht mehr geben. Am Morgen des 3. September 2021, so bestätigte er die Anklage, habe Gertrud S. das von ihm zubereitete Marmeladenbrötchen in etwas barschem Ton abgelehnt. Der 65-Jährige griff daraufhin zu einem Messer aus der Küche: „Ich habe zwei- oder dreimal zugestochen“, beschrieb der Rentner das Geschehene. „Hör auf, du tust mir weh“, habe Gertrud noch gerufen.
Auf den Vorhalt des Vorsitzenden Richters Hans Weiß, dass das Opfer 14 Messerstiche erlitt, antwortete der Angeklagte: „Das begreife ich nicht.“ Und schob nach: „Ich habe das nicht aus Wut getan. Ich war wie weg.“
Sohn: Mutter hatte Befehlsgewalt
Dass die Beziehung der Eheleute, die früher beide unter Alkoholproblemen litten, nicht unbedingt harmonisch war, bestätigte auch der gemeinsame Sohn Enrico S. im Zeugenstand: „Es gab öfter mal Auseinandersetzungen“, sagte der 34-Jährige über seine beiden Eltern. „Meine Mutter brauchte bloß was sagen, dann wurde es laut und es kam zum Streit.“
Die Krebsdiagnose habe seine Mutter akzeptiert und sich auf das Sterben vorbereitet, allerdings sei die 60-Jährige durch die Krankheit in ihrem Wesen verändert gewesen, verbal zum Teil aggressiver aufgetreten. In der Beziehung zum Vater habe sie dominiert: „Meine Mutter hatte die Befehlsgewalt“, so der Sohn.
Schon an Weihnachten 2020 sei ein banaler Grund zum Anlass geworden, dass Klaus-Peter S. mit seinem Suizid drohte. Damals hatte sein Bruder der Familie einen Broiler vorbeigebracht, Gertrud S. jedoch sei sauer gewesen, weil ihr Gatte vorher nicht fragte, ob der Kühlschrank schon voll sei. „Ich kann ja auch gehen, ich kann mich auch umbringen. Ich habe sowieso nichts mehr zu sagen“, habe sein Vater damals gesagt und verschwand für mehrere Stunden, redete danach tagelang nicht mehr mit der Familie.
Kinder beschreiben Vater als gleichgültig
Sowohl Enrico S. als auch seine jüngere Schwester ließen an ihrem Vater kein gutes Haar: „Mama war immer für uns da und er selten“, sagte Tochter Gwendolyn S. (25) als Zeugin aus. Als der gemeinsame Bruder Steve vor einigen Jahren nach einem Streit einfach verschwand, habe das Klaus-Peter S. völlig kaltgelassen. Mit der Unabhängigkeit seiner Frau, die ihren eigenen Willen hatte und darauf bestand, selbst Geld zu verdienen, habe der Vater offenbar nicht umgehen können.
Gewalttätig war er zwar nicht, so die Tochter, aber gleichgültig. Vor allem den häufigen Aufenthalten bei der Oma sei es zu verdanken, dass sie trotz allem von einer unbeschwerten Kindheit sprechen könnte, erklärte die Erzieherin, die bis zuletzt an der Pflege ihrer schwerkranken Mutter beteiligt war.
Gutachten über Angeklagten steht noch aus
War es die Überforderung mit Pflege und Haushalt, die den Gewaltausbruch des Angeklagten erklärt? Der gemeinsame Sohn Enrico S. vermutete auf Nachfrage von der Richterbank die angestaute Wut als Beweggrund. Die Mutter, die im Bett lag und ohne Hilfe nicht mehr aufstehen konnte, um etwa zur Toilette zu gehen, habe sich ja nicht wehren können.
Wegen der unstrittigen Täterschaft von Klaus-Peter S. dürfte sich der Prozess wesentlich um die Frage seiner Schuldfähigkeit drehen. Dazu wird im weiteren Lauf des Verfahrens noch ein psychiatrisches Gutachten erwartet.
Der Prozess wird fortgesetzt. Bis 14. April sind noch sechs Verhandlungstage anberaumt.
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