Ein bereits rechtskräftig als Totschläger verurteilter Mann muss wieder für sehr lange Zeit in Haft – wenn es dick kommt, bis zum Ende seines Lebens. Das Schwurgericht verurteilte den 65-jährigen Manfred F. am Freitag zu zwölf Jahren Freiheitsentzug mit Vorbehalt der Sicherungsverwahrung, weil er aus nichtigen Gründen auf seine jüngere Nachbarin eingestochen hatte. Sie überlebte nur mit Glück.
Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht hatte Manfred F. am 20. Januar über seine Anwältin zumindest die äußeren Tatabläufe eingeräumt: In den Mittagsstunden des 28. Juli 2021 stach der Rentner demnach mit einem Küchenmesser auf seine arglose Nachbarin Kathleen B. (Name geändert) ein, als sie gerade heimkam und ihre Wohnungstür aufschließen wollte.Die heute 42-jährige Krankenschwester flüchtete, schwer verletzt und in panischer Angst, auf die oberen Stockwerke des Mehrfamilienhauses in der Schleußiger Könneritzstraße, wohin ihr der 65-jährige Angreifer wegen seiner schlechten Verfassung nicht folgen konnte. Vielleicht rettete ihr dieser Umstand das Leben. Mit letzter Kraft wählte die Frau den Notruf – wenig später tat dies auch Manfred F. selbst, die Polizei nahm ihn vor Ort fest. Kathleen B. musste für mehr als eine Woche in die Klinik, spürt die Folgen des Angriffs bis heute – körperlich und mental.
Gute Nachbarschaft kippte in Terrorisierung
Dabei verband die beiden einst ein freundschaftliches Verhältnis. Kathleen B., die erst kurz zuvor in die neue Wohnung gezogen war, leistete dem älteren Mann immer wieder kleine Hilfen im Alltag – nachbarschaftliche Unterstützung eben. Doch das Blatt soll sich gewendet haben, nachdem sie den langjährigen Gießereiarbeiter hilflos vorfand und den Rettungsdienst rief, obwohl er das nicht wollte.
Hernach begann Manfred F., so die Anklage, die Nachbarin zu terrorisieren und ihr nachzustellen. Unter anderem habe er am Türschloss der Frau manipuliert – er wies diesen Vorwurf jedoch zurück – und ihr immer damit gedroht, er habe schon einmal einen Menschen umgebracht.
Zudem gewann der Angeklagte zunehmend den Eindruck, Kathleen B. würde ihn im Umfeld schlechtmachen, sagte Rechtsanwältin Henrike Wittner über ihren Mandanten. Vier Wochen vor der Tat hatte Kathleen B. im Rahmen eines Gewaltschutzverfahrens ein Annäherungsverbot gegen den Senior erwirkt, wonach er mindestens 15 Meter Abstand zu ihr einzuhalten hatte.
Dieser hatte zum Ende des Prozesses wiederholt, er habe das Ganze so nicht gewollt. „Es tut mir aufrichtig leid“, versuchte er bereits am ersten Verhandlungstag eine Entschuldigung.
Bleibt der Angeklagte für immer eingesperrt?
Wie ist so eine Tat zu bestrafen? Während Manfred F.s Verteidigerin von einer möglichen Affekttat ihres alkoholabhängigen Klienten ausging und neun Jahre Haft für angemessen hielt, zumal seine Steuerungsfähigkeit vermindert gewesen sein könnte, sah die Anklage die Merkmale eines heimtückischen Mordversuchs erfüllt.
Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob plädierte auf eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Angeklagten, der seit den siebziger Jahren unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten und Totschlags massiv vorbestraft ist. Am 6. August 1998 hatte der damals 42-jährige Manfred F. einen Kumpel in Leipzig nach einem Trinkgelage erstochen, wurde im Januar 1999 zu zwölf Jahren hinter Gittern und einem Alkoholentzug verurteilt.
Auf zwölf Jahre Haft wegen versuchten Mordes entschied am Freitag auch die Strafkammer unter dem Vorsitzenden Richter Hans Weiß – und ordnete zudem den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung an. Sollten Gutachter zu dem Schluss kommen, dass der verwitwete Manfred F. eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, käme er auch nach Ablauf der regulären Haftzeit nicht auf freien Fuß – im Extremfall bis zu seinem Tod.
Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.
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