In der lauschigen Leipziger Ein- und Zweifamilienhausgegend ist seit November 2020 Groรalarm. Wo sonst eher kleinteilige Hรคuschen stehen, will eine Baufirma nach dem Erwerb eines der Grundstรผcke drei Reihenhรคuser errichten. Sehr zum รrger der Anwohner, die eine Bรผrgerinitiative gegrรผndet haben, eine Instagram-Seite betreiben und Beschwerden an die Stadtverwaltung Leipzig richten. Unter ihnen Frau und Herr H. Patrick H. ist Kriminaloberkommissar und Ermittler beim LKA Sachsen in der โSoko LinXโ. Und ein Bewohner der Siedlung. Der Sachbearbeiter beim Bauordnungsamt Leipzig ist Henry A., seit spรคtestens 2014 von Patrick H. polizeilich verfolgt, der Zeitpunkt datiert auf November 2020.
Es gibt Menschen, die glauben an Zufรคlle, andere an Zusammenhรคnge. Welches der beiden Interpretationsmuster zutrifft, wird nun die Staatsanwaltschaft Chemnitz im Fall von Patrick H. klรคren mรผssen. Dass da womรถglich Ermittlungen auch gegen ihn selbst ins Haus stehen kรถnnten, ahnte der Leipziger Ermittler offenbar bereits am 30. September 2021, als er mit einem eigenen Anwalt vor dem Dresdner Staatsschutzsenat erschien, um รผber seine Ermittlungen rings um den รberfall auf Enrico Bรถhm am 2. Oktober 2021 an Bรถhms Wohnadresse auszusagen.
Die Fragerunde an diesem Tag in Dresden war schnell beendet, als auch dem Vorsitzenden Richter Hans Schlรผter-Staats klar wurde, dass es sein kรถnnte, dass bereits Ermittlungen gegen den polizeilichen Zeugen und die Sonderkommission des LKA Sachsen, die โSoko LinXโ, laufen kรถnnten. Und er die Befragung des Kriminaloberkommissars abbrach.
Wie nun die Staatsanwaltschaft Chemnitz gegenรผber der TAZ bestรคtigte, laufen seit einigen Tagen auch Ermittlungen gegen Patrick H. Der Grund: die Vorgรคnge rings um Henry A.
Die Grรผnde fรผr einen Anfangsverdacht der Weitergabe von Ermittlungsunterlagen und somit der Verrat von Dienstgeheimnissen und Datenhehlerei, wie auch dubiose Ermittlungsmethoden der Soko LinX waren frรผher gegeben, der erste Verdacht datiert auf den 29. April 2021, als das Magazin โCompact Onlineโ detailgenau รผber eine Hausdurchsuchung bei Henry A. berichtete. (siehe Unschuldig verfolgt (4): Lina E., Henry A. und der fleiรige Patrick H.)
Und die Ablรคufe reichen weit, bis ins Jahr 2014 und womรถglich noch weiter zurรผck.
Nun, ein paar Tage spรคter, kommt durch neue Unterlagen, die der LZ seit Freitag dieser Woche vorliegen, eine seltsame โNebengeschichteโ hinzu, welche der Spiegel in einem Artikel vom gestrigen 9. Oktober 2021 (Paywall) als eine Art Handlungsmotiv von Kriminalkommissar Patrick H. beschreibt.
In einem Bauvorhaben in H.s Nachbarschaft kรถnnte jedoch ein weiterer Grund liegen, weshalb auch 2021 nach 2014 erneut gegen Henry A. ermittelt und eine Wohnungsdurchsuchung am 28. April 2021 mit erstaunlich dรผnner Begrรผndung durchgefรผhrt wurde.
Sie lautete da lediglich, ein โszenekundiger Beamterโ habe gemutmaรt, auf einem Videoauszug Henry A. in Statur und anhand einer Augenpartie erkennen zu kรถnnen. Trotzdem lassen drei Landgerichtsrichterinnen den Durchsuchungsbefehl durchlaufen und mรผssen indirekt einrรคumen, dass sich kein Gutachter mit dem โBildbeweisโ beschรคftigt hat.
Auch kรถnnte sich so erklรคren, warum die Ermittler so erpicht darauf waren โ obwohl sie am 28. April 2021 offiziell wegen des Vorwurfs des Landfriedensbruchs Henry A.s Wohnung durchsuchten -, Bauakten, welche Henry A. in Coronazeiten zu Hause bearbeiten durfte, mitzunehmen. Und letztlich sogar Leipzigs Baudezernent Thomas Dienberg deshalb zu vernehmen.
Es ist eine von mittlerweile acht Ermittlungen in unterschiedlichsten Fรคllen gegen Henry A., die seit 2014 ins Leere liefen und keine Anklage, geschweige eine Verurteilung nach sich zogen oder ziehen werden. Auch bei den im Jahre 2021 gegen Henry A. laufenden Ermittlungen erhรคlt A. eine Verfahrenseinstellung nach der anderen, mangels Beweisen.
Warum Henry A. immer wieder ins Visier gerรคt?
Neben der Mutmaรung, einige oder ein Ermittler wie Patrick H. kรถnnten sich hier in einen fรผr sie Verdรคchtigen seit 2014 regelrecht verbissen haben, gibt es offenkundig ein weiteres Problem mit dem polizeilichen Auskunftsregister beim LKA. Trotz fehlender Beweise in den Ermittlungen und den Einstellungen der Verfahren finden sich bis heute mindestens 20 ungelรถschte Eintrรคge in der Datenerfassung, wie Henry A. im Jahr 2020 in einer abgeforderten Selbstauskunft erfรคhrt.
Nach Einschรคtzungen der Staatsanwaltschaften und Gerichte ist Henry A. ein unschuldiger Mann mit einer Arbeitsstelle und Familie. Fรผr das LKA Sachsen zieht er einen riesigen Rattenschwanz polizeiintern gespeicherter, unbewiesener Verdรคchtigungen hinter sich her, welcher ihn in ihren Augen zu einem gefรคhrlichen Menschen machen. Und immer wieder verdรคchtigen sie ihn aufs Neue, so wie bei dem รberfall am 1. September 2019 auf Lokfans im Zug nach Meuselwitz am Bahnhof Neukieritzsch, welcher dieses Mal fรผr die Wohnungsdurchsuchung bei A. der Anlass ist.
Man sieht sich immer zweimalโฆ
Als im November 2020 in einer Leutzscher Ein- und Zweifamilienfamilienhaussiedlung bekannt wird, dass auf einem Gelรคnde in der Nachbarschaft eine Bebauung mit Reihenhรคusern ins Haus steht, bildet sich Widerstand. Mittendrin das Ehepaar H., welches sich daraufhin erst an die Stadtverwaltung, anschlieรend an die Presse, wie zum Beispiel Tag24 wendet.
Noch 2020 erfahren so sie und die sich gerade gebildete Bรผrgerinitiative im Viertel, dass der erste Bauantrag vorerst abschlรคgig von der Stadt Leipzig beschieden ist. Der Baukรถrper ist zu groร und fรผgt sich nicht in die sonstige Bebauungsumgebung ein. Im gleichen Atemzug ergibt die Kommunikation mit dem Leipziger Bauordnungsamt in dieser Sache: es ist Henry A., der den Antrag des Investors bearbeitet. Und nach einer Anpassung des Bauvorhabens den Neubau genehmigt.
Bestรคtigt wird sein korrektes Vorgehen in dieser Sache unter anderem durch einen Kollegen im Amt, welcher auf massive Nachfragen von Frau H. hin mitteilt, dass hier alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Weiter bestรคtigt er ihr explizit, dass er Henry A. als gewissenhaften Kollegen kennt. Dazu kommt es, weil die Kompetenz A.s im Schreiben massiv infrage gestellt wird.
Eine Strafanzeige gegen Patrick H.
In einer Anzeige, die Henry A.s Rechtsanwalt Christian Avenarius am 7. September 2021 an die Chemnitzer Staatsanwaltschaft sendet, beschreibt er den Vorgang und die Indizien fรผr ein mรถgliches persรถnliches Motiv von Patrick H. wie folgt: so habe Frau H. die drei Artikel der L-IZ.de (Die Reihe โUnschuldig verfolgtโ Teile 1-3) in einem Schreiben an einen Mitarbeiter des Stadtplanungsamtes, welcher die planungsrechtliche Zulรคssigkeit des Bauvorhabens geprรผft hatte, erwรคhnt und angemerkt, dass die Artikel sie โdoch sehr an der Seriositรคt und Integritรคt des stรคdtischen Mitarbeiters zweifeln lassenโ.
Gemeint ist Henry A. und die mittlerweile durch ihn erteilte Baugenehmigung. Den Widerspruch gegen das Bauvorhaben fรผhrt das Paar kurz darauf mittels Anwalt, unter anderem, weil sie รผber die Genehmigung nicht wie vorgeschrieben informiert worden seien.
Da die Leipziger Verwaltung bei ihren Informationen bei Eigentum nach den Daten des Grundbuchamtes geht, scheint der Fehler jedoch bei den H.s selbst zu liegen โ sie haben offenbar zum Zeitpunkt der Information im Grundbuchamt ihre neue Wohnanschrift in der Siedlung nach ihrem Einzug noch nicht angegeben, der Brief geht an die alte Anschrift des Paares und kommt als unzustellbar zurรผck.
Am 18. Juni 2021 geht jedenfalls ein anwaltliches Schreiben bei der Stadt ein, im Namen der H.s fรผhrt nun ein Anwalt den Rechtsstreit.
Das ist der Zeitpunkt, wo Henry A. erstmals รผber den Namen der Mandanten im Schreiben stolpert und ihm nach einigem Suchen in den Ermittlungen gegen ihn und andere wegen โBildung einer kriminellen Vereinigungโ, heute bekannt als das โBSG Chemie-Verfahrenโ, aus den Jahren 2013 bis 2016 klar wird, dass es Ermittler Patrick H. ist, der hier einen Streit austrรคgt.
Ein Name, den er als jenen Ermittler aus den Akten kennt, der mehrere Observationen gegen ihn auch persรถnlich leitete. Bis hin zu jenen, in welchen er widerrechtlich auch dann weiter รผberwachte, als Journalisten und andere Berufsgeheimnistrรคger bei den Abhรถrungen Henry A.s mit ins Netz gingen. Ein Vorgang, welcher im Jahr 2017 zu einem politischen Beben fรผhrte, im Landtag wurde der Fall ebenso debattiert, wie in den Medien (Nicht am Telefon, L-IZ.de).
Ein merkwรผrdiger Nachsatz
Am 3. Juli 2021 erscheint ein Beitrag im Boulevardportal โTag24โ unter der รberschrift โLeipzig: Dubioser Immobilien-Deal sorgt fรผr Anwohner-Protesteโ, andere Medien wie LVZ und MDR berichten ebenfalls. Darin eine Vorstellung der Bรผrgerinitiative, welche sich in Leipzig-Leutzsch gegen den Bau von drei Reihenhรคusern in ihrer Nachbarschaft wehrt. โDubiosโ daran ist eher das Gerรผcht, der Bauherr habe sich das Gelรคnde quasi erschlichen, die Bebauung hรคtte nie genehmigt werden dรผrfen und vor allem der letzte Satz.
Hier notiert โTag24โ-Reporter Alexander Bischoff, sonst eher bekannt fรผr Artikel รผber Kriminalitรคt und Polizeiarbeit: โRandnotiz: Die Baugenehmigung wurde von jenem Stadt-Mitarbeiter erteilt, gegen den aktuell die Soko Linksextremismus des Landeskriminalamtes ermittelt.โ
Fรผr den Anwalt von Henry A. ein weiteres Indiz auf eine Verbindung zu Ermittler Patrick H., welches er in seinem Schreiben an die Staatsanwaltschaft Chemnitz wie folgt zusammenfasst.
โDie Information, welcher Mitarbeiter der Stadt Leipzig die Baugenehmigung erteilt hat, konnte nur ein begrenzter Personenkreis kennen (u. a. Frau H., da diese mehrfach mit Herrn A. Kontakt aufgenommen hat als zustรคndigen Sachbearbeiter). Die Information, dass gegen ausgerechnet diesen Mitarbeiter derzeit auch die โSoko LinXโ ermittelt, konnte ebenfalls nur ein kleiner Personenkreis wissen (u. a. Herr Patrick H. als Mitarbeiter der Soko LinX).โ
Schwerwiegend der daraus entstehende Vorwurf, dass hier nicht das erste Mal Informationen in der Presse auftauchen, welche ein Ziel haben: die Untergrabung von Henry A.
Und eine Ergรคnzung, die dazu zu passen scheint, allerdings auf die anonyme Proton-Mail verweist, welche Ende Mai bei der Stadt Leipzig einging und Gegenstand der Strafanzeige von Oberbรผrgermeister Burkhard Jung u.a. wegen Datenhehlerei ist. Denn, so der Anwalt zu diesem Teil der Geschichte weiter: โDie rechtswidrige Weiterleitung von Daten, welche vom Handy des Herrn A. stammen, diente offenkundig gezielt der Diffamierung bei dessen Arbeitgeber; mรถglicherweise weil nicht ausgerechnet jener Mitarbeiter รผber die Bebauung des Nachbargrundstรผcks von Herrn H. entscheiden sollte, gegen den dieser seit Jahren (erfolglos) ermittelt.โ
Auch eine Presseanfrage von โCompact Onlineโ bereits aus dem Juni 2021 soll an die Arbeitsmailadresse Henry A.s gegangen sein. Eine Adresse, die auf den Webseiten der Stadt Leipzig nicht zu finden sei, doch den H.s bekannt war.
Viele Indizien, noch kein Beweis
Verfolgt man die aktuellen Instagram-Meldungen der Bรผrgerinitiative, finden mittlerweile Bauarbeiten im Leutzscher Wohnviertel der H.s statt. Nun beklagen sich die Betroffenen รผber Flรคchenversiegelung, herausgerissenes Grรผn und die Zerstรถrung der Umwelt. Und es prangt ein rotes Schaubild als letzter Beitrag, auf welchem steht โUnsere Widersprรผche gegen den Bauantrag wurden von der Stadt abgelehnt, trotz unvollstรคndiger Akte und falscher Berechnungen. Jetzt geht es weiter an die nรคchste Instanz!โ
Wie der โSpiegelโ in seinem Artikel schreibt, habe sich die Fรผhrung des LKA Sachsen hinter Ermittler Patrick H. gestellt, was bis zum Beweis seiner Schuld oder Unschuld an den Vorgรคngen durch die Chemnitzer Staatsanwaltschaft auch so bleiben dรผrfte.
Im Internet kursiert mindestens ein Aufruf, die Adresse des Ermittlers herauszufinden, bei manchen Leipzigerinnen wรคchst demnach die Wut. Der Prozess um Lina E. geht demnรคchst in eine weitere Verhandlungsrunde, bis Mรคrz nรคchsten Jahres womรถglich.
Kontaminiert wird dieser bereits jetzt durch Fragen, die bis weit in die โSoko LinXโ hineinreichen und die Arbeit der Ermittler wie ein Gebilde von Vorverurteilungen, Halbwahrheiten und konstruierten Geschichten erscheinen lassen.
Mit einem Ermittler in den eigenen Reihen, gegen den andere Kollegen nun ermitteln mรผssen, auch der Anwalt von Lina E. hat Anzeige gegen unbekannt erstattet. Weitere Indizien dazu sind quasi auf dem Weg. Auch die Korruptionsstelle des LKA Sachsen hat Ende September 2021 Hinweise gegen Patrick H. an die Staatsanwaltschaft Chemnitz weitergeleitet.
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Was fรผr eine Posse! Da wird von einem Polizeibeamten unter dem Vorwand des Umweltschutzes und der Kriminalitรคtsbekรคmpfung sein eigenes privates Eigenheimsรผppchen zu kochen versucht und ohne Rรผcksicht auf Rechtsstaat und persรถnliche Verluste mit krimineller Energie das Leben eines Stadtangestellten erschwert, wenn nicht gar zerstรถrt.
Sachsen, Sachsen, wenn das so weitergeht haben wir hier bald mafiรถsere Zustรคnde als Calabrien. Polizei und AfD-Presse sei viele 1000 Mal Dank dafรผr!