Das tödliche Gewaltverbrechen an einer 37-jährigen Sozialarbeiterin und Mutter sorgte im April 2020 überregional für Entsetzen. Seit 7. Oktober 2020 steht der mutmaßliche Täter vor Gericht – doch die Gerichtsverhandlung gegen ihn ist auch ein Jahr nach ihrem Beginn nicht beendet. Was ist da los?
„Wir sind nach wie vor voller Freude in der Beweisaufnahme.“ Hans Jagenlauf, Vorsitzender Richter der 1. Strafkammer, kann sich einen gewissen Zynismus am Telefon nicht verkneifen. Mit anderen Worten: Die Verhandlung gegen Edris Z., der seine Ex-Partnerin Myriam Z. am 8. April 2020 bei ihrem Spaziergang im Leipziger Auwald brutal attackiert und ihr tödliche Kopfverletzungen zugefügt haben soll, ist nach wie vor weder beendet noch nah dran.
Schon der Prozessauftakt war merkwürdig
Ab 7. Oktober 2020 musste sich der 31-jährige Edris Z. wegen Mordes auf der Anklagebank verantworten. Schon der Prozesstag zwei geriet zur Farce, weil Georg K. Rebentrost und Petra Costabel, die beiden Verteidiger, offenbar noch großen Beratungsbedarf mit ihrem Mandanten hatten – und den vollbesetzten Gerichtssaal mal eben anderthalb Stunden warten ließen.
Was dann folgte, war eine für viele Prozessbeobachter irritierende Belehrung von Wahlverteidiger Georg K. Rebentrost in Richtung der Strafkammer. Der Mandant werde entgegen seiner ursprünglichen Absicht schweigen, was das Gericht ohne Wertung zu akzeptieren habe – kleines Einmaleins im Rechtsstaat. Es gehe auch keineswegs um eine Rechtfertigung, sondern um Erklärungen, man wolle zur Aufklärung beitragen, die Ermittlungen gegen Edris Z. seien einseitig geführt worden, monierte die Verteidigung.
Rauer Ton auch den Zeugen gegenüber
Besser wurde es nicht. Das Verfahren, ursprünglich mal bis kurz vor Weihnachten 2020 terminiert, zog sich die folgenden Wochen und Monate hin. Mit endlosen und manchmal unverschämten Fragen vor allem seitens der Verteidigung des Angeklagten, deren Sinnhaftigkeit sich längst nicht immer erschloss, wurden eben nicht drei Zeugen an einem Tag gehört, sondern eher ein Zeuge an drei Tagen.
Immer wieder kam es zu heftigem Streit der Anwälte mit dem Gericht, wurde selbst der Vorsitzende laut, der sonst dafür bekannt ist, die Wellen auch in brisanten Verfahren eher glatt zu halten. Die Verteidigung wollte eine Freundin der getöteten Myriam Z., die den Prozess im Publikum verfolgte, kurzerhand in den Zeugenstand holen, vermutete mehrfach klandestine Absprachen der Belastungszeugen untereinander. Eine Zeugin, die ebenfalls mit dem Opfer befreundet war, wurde vom Anwalt rüde angekeift, sie möge sich mal mehr Mühe geben.
Das fassungslose Raunen im Gerichtssaal über die aggressive Stimmung, die empörten Reaktionen über den harschen Ton – all das beseitigte die Spannungen nicht. Auch Hintergrundgespräche der Prozessbeteiligten abseits der Öffentlichkeit blieben offenbar ohne Erfolg.
Die Befangenheitsanträge der Verteidigung auch. Mehr als einmal wollten die Rechtsbeistände von Edris Z. den Vorsitzenden, teils auch seine Kollegen, für voreingenommen erklären lassen, weil sie den Angeklagten nicht mehr neutral behandeln würden.
Alles wie gehabt – Urteil nicht in Sicht
Und nun? Es habe sich nichts gravierend verändert, so der Schwurgerichts-Vorsitzende Jagenlauf am Mittwoch auf LZ-Nachfrage. Edris Z. selbst schweigt nach wie vor zum Tatvorwurf, was sein Recht ist.
Noch immer gibt es zähe Zeugenvernehmungen. Wann diese abgeschlossen sind und der psychiatrische Gutachter seine Einschätzung über den Angeklagten abgeben wird, ist derzeit absolut offen, obwohl mal die Hoffnung im Raum stand, im Herbst 2021 könnte es so weit sein.
Und ein Tag der Urteilsverkündung zeichnet sich erst recht nicht ab. Die Verteidigung von Edris Z. habe, so Jagenlauf, noch „eine Vielzahl von Beweisanträgen angekündigt“, ohne dies bisher zu präzisieren.
All das, obwohl an der Täterschaft von Edris Z., die auch von den Verteidigern nie bestritten wurde, nach jetzigem Stand keine Zweifel bestehen. Jeden Dienstag und Mittwoch soll nun weiter verhandelt werden – mit Open End.
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