„Er ist jemand, der mit offenen Armen auf andere zugeht.“ Und: „Niemand aus seinem Umfeld hat es für möglich gehalten, dass er der Täter ist.“ Das sagt Strafverteidiger Dr. Malte Heise über seinen Mandanten, der im September 2020 eine 61-jährige Nachbarin in ihrer Wohnung überfallen und brutal ermordet haben soll. Am Donnerstag begann der Prozess am Landgericht, der vor allem eines klären soll: Was war das Motiv?
Rückblick: Am 30. September war die 61-jährige Sylvia G. tot in ihrer Wohnung in der Hardenbergstraße aufgefunden worden. Die massiven Verletzungen der alleinstehenden Frau deuteten auf ein Gewaltverbrechen hin. Erst Anfang Dezember wurde der damals 30-jährige Nachbar Ekkehart J. als Tatverdächtiger verhaftet.
Anklage beschreibt schockierenden Gewaltexzess
Die Anklageschrift wirft dem jungen Mann vor, in den Nachmittagsstunden des 18. September 2020 an der Wohnungstür von Sylvia G. im Mehrfamilienhaus geklingelt zu haben, in dem er seit einigen Jahren mit seiner Partnerin lebte. Unmittelbar nach dem Öffnen habe Ekkehart J. die Frau brutal attackiert, gewürgt, auf sie eingetreten, den Kopf zu Boden geschlagen und neunmal mit einem Messer auf Stirn und Hals eingestochen. Sylvia G. erlitt beidseitig einen Jochbeinbruch und massive Stichverletzungen, hatte keine Überlebenschance.
Staatsanwaltschaft geht von Mord aus Habgier aus
Nach dem Gewaltexzess soll Ekkehart J. die Wohnung der älteren Dame durchsucht, eine EC-Karte und knapp 1.000 Euro Bargeld eingesteckt haben, ehe er den Tatort verließ und die Tür abschloss.
Die Staatsanwaltschaft lastet Ekkehart J. daher Mord in Tateinheit mit besonders schwerem Raub mit Todesfolge an. Er habe aus Habgier und zur Verdeckung einer Straftat gehandelt, so Anklägerin Katharina Thieme.
Angeklagter galt als freundlich und liebenswert
Ekkehart J., der sein Gesicht vor der Öffentlichkeit schamhaft verbarg und vollkommen reglos dem Geschehen folgte, wollte sich am Donnerstag nicht zum Vorwurf äußern. Rechtsanwalt Dr. Malte Heise kündigte jedoch an, dass sein Mandant die Tötung von Sylvia G. zum übernächsten Verhandlungstag am 12. August einräumen werde.
In einer kurzen Vorab-Erklärung beschrieb der Verteidiger den Angeklagten als jungen Mann, der von seinem Umfeld als freundlich und liebenswürdig geschätzt wird. Niemand habe ihn als Täter in Betracht gezogen, in der JVA Leipzig sei er wegen seiner umgänglichen Art aktuell sogar als Hausarbeiter eingesetzt.
Lag das Tatmotiv doch woanders?
Und: Die Verteidigung werde der Hypothese eines Raubmordes im Prozess entgegentreten. Demnach galt die getötete Sylvia G. in der Nachbarschaft als skurril, sie sei psychisch auffällig gewesen, habe einen Sozialbetreuer gehabt und ständig nach Unrecht im Wohnhaus gesucht.
Offenbar, so zumindest die Andeutung, habe die Frau den Angeklagten ins Visier genommen, der die Aufdeckung einer „Lebenslüge“ gefürchtet und die „glückselige Beziehung“ zu seiner Freundin in Gefahr gesehen habe. Was sich am 18. September dann abspielte, sei ein „völlig überraschender, spontaner Konflikt“ zwischen Opfer und Täter gewesen. Genauere Angaben dazu wollte der Verteidiger zunächst noch nicht machen.
Für Donnerstag sind erste Zeugen geladen, darunter Polizeibeamte vom Tatort. Der Prozess wird dann kommende Woche fortgesetzt und ist noch bis 10. September terminiert. Ekkehart J. droht bei einer Verurteilung wegen Mordes lebenslange Haft.
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