Eins der größten Probleme, die Leipziger Radfahrer/-innen im ADFC-Fahrradklimatest immer wieder benennen, ist der Fahrraddiebstahl in der Stadt. Statistiken der Polizei lassen zumindest vermuten, dass in Leipzig besonders viele Fahrräder geklaut werden. Aber woran liegt das? Warum stapeln sich bei der Polizei die Anzeigen, ohne dass man den Dieben (von Einzelfällen abgesehen) auf die Spur zu kommen scheint? Ein Thema, das auch SPD-Stadtrat Andreas Geisler umtreibt.
Und da scheint es beim derart als Problem gesehenen Fahrraddiebstahl nicht nur um edle Räder zu gehen, die dann anderswo für gutes Geld weiterverkauft werden. Teilweise scheint es sogar ganz gezielter Vandalismus zu sein, der bei zerschlagenen Glasflaschen auf Radwegen beginnt und mit abgefackelten Fahrrädern nicht endet.„Nirgendwo in Deutschland werden mehr Fahrräder geklaut als in Leipzig. Das ist ein katastrophaler Zustand und torpediert jegliche Bemühungen einer Mobilitätswende. Ich kann in Leipzig trotz größter Schlösser nicht sicher sein, dass mein Rad am Morgen noch dort steht, wo ich es abends abgestellt habe“, stellt Andreas Geisler, SPD-Stadtrat und Mitglied im Fachausschuss Umwelt, Klima und Ordnung, fest.
Am 9. Juni verkündete der Mobilitätsdienstleister Nextbike dann auch noch, den Betrieb in Teilen von Leipzig einzustellen, weil zu viele Räder gestohlen oder zerstört werden – immerhin 200 Räder seit April.
Insbesondere geht es um Gebiete im Leipziger Nordosten mit Schönefeld, Paunsdorf und Mockau.
„Derzeit haben wir ein akutes Vandalismusproblem im Leipziger Osten“, meldete Nextbike, das ja auf dem Markt der Leihfahrräder kein kleiner Spieler ist und nach eigenen Angaben in 60 Städten Erfahrungen gesammelt hat.
Aber was da in Leipzig-Nordost abgeht, scheint eine besondere Qualität zu haben: „Es werden die Radschlösser aufgebrochen, Sticker entfernt und illegal herumgecruist. Wir haben lange gezögert, aber mittlerweile hat es ein solches Ausmaß erreicht, dass wir kurzfristig die Flexzone eingrenzen müssen. Damit sind vorerst keine Rückgaben mehr in dem rot gekennzeichneten Gebiet (siehe Karte) möglich. In der App wird dieser Bereich ab morgen, 10. Juni, nicht mehr als Flexzone gekennzeichnet sein.“
Von den 21.000 Fahrrädern, die 2020 im Freistaat Sachsen geklaut wurden, entfielen allein 9.100 auf die Stadt Leipzig.
„Wenn normales urbanes Leben – einfach Rad fahren – nicht mehr möglich ist und Unternehmen ihre Dienstleistungen nicht mehr in Leipzig anbieten können, dann ist ein katastrophaler Zustand erreicht, der dem Offenbarungseid sächsischer Sicherheitspolitik gleicht“, findet Andreas Geisler.
„Herr Wöller handeln Sie endlich! Gegen Kriminalität hilft nur Präsenz und Strafverfolgung. Wenn Täter keine Angst haben müssen, jemals erwischt zu werden, dann verpufft der Rechtsstaat. Wir brauchen endlich spürbar mehr Polizei auf Leipzigs Straßen, ein zügiges Abarbeiten von offenen Verfahren und eine konsequente Bestrafung von Tätern durch die Justiz. Wir zahlen jetzt in Leipzig den Preis jahrelanger Personaleinsparungen bei der Sächsischen Polizei. Hinzukommt, dass auch die Personaldecke bei Gerichten und Staatsanwaltschaften zu knapp ist. Hier erwarten wir von der Justizministerin ein Konzept, wie dieser Missstand zügig behoben werden kann.“
Noch immer machen sich die Folgen der völlig verunglückten „Polizeireform 2020“ von 2011 auch bei der Besetzung der Polizeidirektion Leipzig bemerkbar. Eine Folge, so Geisler: „Nach wie vor sind bei der Leipziger Polizeidirektion mit Stand März 2021 19.724 Verfahren offen bzw. nicht abgearbeitet.“
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Es gibt 2 Kommentare
Mit meinem Rad fahre ich mit 4 Schlössern gesichert oder wenn ich eine sichere Einstellmöglichkeit habe in der Stadt rum.
In 20 Jahren Radfahren habe ich gerade mal eine Komplex-Kontrolle für Radfahrer (inkl. Prüfung der Rahmennummer auf Diebstahl) erlebt und ich fahre beinah täglich und das auch auf den Rad-Hauptachsen.
Aber andererseits, wo soll bei der Personal- und Gemengelage (Demos ohne Ende) die Kapazität für solche “einfachen” Straftaten herkommen.
Und man hat regelrecht das Gefühl, abgewimmelt zu werden, wenn man mal etwas anzeigen muss. Die Online-Anzeige wimmelt einen zwar nicht direkt ab, aber man erhält auch bloß irgendwann dann mal als einzige Reaktion eine Einstellung des Verfahrens.
Gegen Vandalismus helfen keine Schlösser. Mehr Polizei vielleicht.
Der fehlende Respekt vor fremdem Eigentum ist eher ein gesellschaftliches Problem.