Der Prozess um die Tötung von Hundehalter Maik R. (52) steuert dem Ende entgegen. Am Dienstag sagte sein Sohn (17) aus, der bei der Tat zugegen war. Seine Aussage belastete den Angeklagten Thomas S. (34) schwer – sofern das Gericht ihm Glauben schenkt.
Zumindest eine Tatsache ist in diesem Prozess, in dem sich zwei Versionen des Tatgeschehens unversöhnlich gegenüberstehen, unumstritten. Maik R. wurde mit einem Messer in der linken Schläfe ins Klinikum St. Georg eingeliefert. Wenige Tage später erlag der Familienvater seinen schweren Hirnschäden. Thomas S. scheint nach wie vor überzeugt zu sein, das Opfer in Notwehr erstochen zu haben. So stellte er das Geschehen am Tatabend der Polizei dar. So beschrieb er sein Handeln der Schwurgerichtskammer.Der 34-Jährige führte den Beteiligten am Dienstag anschaulich seine Version vor. Der Familienvater und sein zur Tatzeit 16-jähriger Sohn Hakon hätten ihn demnach am 20. November 2020 gegen 18:45 Uhr in der Dr.-Hermann-Duncker-Straße (Neulindenau) unvermittelt attackiert.
Der Teenager habe ihn an seinem Rucksack zu Boden gerissen und in den Schwitzkasten genommen. Sodann sollen beide Männer auf ihn eingeschlagen haben. Dabei sei der Rucksack über seinen Kopf gerutscht und habe ihm die Sicht genommen. Er habe keine andere Möglichkeit gesehen, als sein wuchtiges Arbeitsmesser aus der Jacke zu ziehen und blindlings einen Stich in Richtung Maik R. zu setzen.
Hakon R. Schilderte das Geschehen völlig anders. Gegen 18:30 Uhr verließ er zusammen mit seinem Vater und Familienhund Wolli die gemeinsame Wohnung. Weit kamen die Männer mit ihrem Pekinesen nicht. Kaum hatten sie die Straße überquert, hörte der Jugendliche seinen Angaben zufolge eine Stimme. „Jetzt hab ich euch.“ Daraufhin habe er sich umgedreht und den Mann wiedererkannt, mit dem das Duo schon vormittags in eine tätliche Auseinandersetzung geraten war.
Thomas S. hatte sich Stunden zuvor anscheinend darüber mokiert, dass Wolli nicht angeleint gewesen war. In seiner Wahrnehmung griff der Pekinese seine französische Bulldogge an. Hakon R. sagte aus, Thomas S. habe mit Messerstichen gedroht. Sein Vater habe dem Unbekannten daraufhin ins Gesicht geschlagen. Jeder sei seines Weges gegangen.
Dieser beinahe alltägliche Streit zwischen Hundehaltern kann unter keinen Umständen das abendliche Geschehen rechtfertigen, wie es sich nach Aussage von Hakon R. zugetragen haben soll. Demzufolge habe sich Thomas S. sofort auf Maik R. gestürzt und ihm den tödlichen Messerstich versetzt. Hakon sprang seinem Vater zur Seite, indem er den Angreifer zu Boden rang und in den Schwitzkasten nahm.
Maik R., noch bei Bewusstsein, soll S. einige Schläge von vorn verpasst haben. Hakon schlug ebenfalls auf den Täter ein. „Ich wollte ihn außer Gefecht setzen. Ich bin davon ausgegangen, dass er ein Messer dabei hat.“ Dass dieses bereits im Kopf seines Vaters steckte, hätte er erst Augenblicke später realisiert.
Rechtsmedizinerin Julia Schlote sah sich außer Stande, das Geschehen anhand der Spurenlage zu rekonstruieren. „Ich kann weder die eine noch die andere Version beweisen oder widerlegen.“ Das Schwurgericht wird sich in seinem Urteil für die eine oder andere Variante entscheiden müssen. Der Prozess wird fortgesetzt.
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