Am Montag hat das Landgericht einen 27-Jährigen vom Vorwurf des Landfriedensbruchs freigesprochen. Aymen B. sollte laut Anklage im Zusammenhang mit Protesten gegen eine Abschiebung am 9. Juli 2019 im Umfeld der Hildegardstraße einen Stein auf einen Polizisten geworfen haben. Er bestreitet die Tat und offenbar geben ihm mehrere Polizeivideos Recht.

Am 9. Juli 2020 holten Polizisten in der Hildegardstraße am Abend einen syrischen Kurden aus der elterlichen Wohnung, der nach Spanien ausgeflogen werden sollte. Grund: Nach dem Dublin-Abkommen sollte sein Asylverfahren dort durchgeführt werden. An der Ecke Hildegardstraße/Eisenbahnstraße formierte sich daraufhin spontaner Protest.

Etwa 500 Menschen versuchten zunächst friedlich, die Abschiebung zu blockieren. In der Nacht kippte die Stimmung. Steine und Flaschen flogen auf Polizisten. Nach offiziellen Angaben wurden elf von ihnen verletzt und mehrere Einsatzfahrzeuge beschädigt.Andererseits sprachen Beobachter auch von einem brutalen Vorgehen der Einsatzkräfte gegen Demonstranten und Medienvertreter. So seien die Teilnehmenden der Versammlung zum Teil beleidigt, eingeschüchtert und brachial zurückgedrängt, Journalisten trotz ihres Presseausweises an der Arbeit gehindert und die Situation durch die Einsatzkräfte massiv eskaliert worden.

Einer der Steinewerfer soll Aymen B. gewesen sein.

Der alleinerziehende Vater eines Kindes war im Zuge des Einsatzes festgenommen worden und saß fast acht Monate in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht verurteilte ihn im August 2020 schließlich nur wegen einer Beleidigung zu 30 Tagessätzen je 10 Euro. Der Grund: Im Polizeigewahrsam soll er einen Beamten mit den Worten „Schlag mich doch, du Fotze!“ beleidigt haben.

Der Steinwurf jedoch ließ sich aus Sicht des Gerichts nicht beweisen.

Den Teilfreispruch ließ die Staatsanwaltschaft nicht auf sich beruhen. Deswegen hatte sich seit Januar das Landgericht mit den Geschehnissen in der Hildegardstraße zu beschäftigen. Dort kam die 4. Strafkammer am Montag zu demselben Ergebnis wie das Amtsgericht. Die Aussagen des einzigen Belastungszeugen, ein Zivilpolizist, deckten sich nicht mit Angaben eines Entlastungszeugen und vor allem den Aufnahmen mehrerer Polizeikameras.

„In der Gesamtschau der Beweissituation haben sich nicht zu überwindende Widersprüche ergeben“, urteilte Richterin Karen Aust. Die Staatsanwaltschaft hatte zwei Jahre und vier Monate Freiheitsstrafe beantragt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

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