Bislang Unbekannte, möglicherweise aus Aktivisten-Kreisen, haben die Kanzleien der beiden Anwälte beschmiert, die den mutmaßlichen Mörder von Myriam Z. vor Gericht vertreten. Die Gefühle sind nachvollziehbar – das richtige Mittel ist es trotzdem nicht. Ein Kommentar.

„Diese Anwältin schützt einen Frauenmörder“, „Femizide bekämpfen“ und „Keine mehr!“ – derlei Schriftzüge sind vor wenigen Tagen an die Leipziger Kanzlei von Anwältin Petra Costabel geschmiert worden. Sie ist, wie es das Gesetz vorsieht, nach der Verhaftung des mutmaßlichen Frauenmörders Edris Z. mit dessen Verteidigung im Prozess beauftragt worden.Auch am Büro ihres Kollegen Georg K. Rebentrost, der Edris Z. als Wahlverteidiger unterstützt, sind offenbar einschlägige Graffiti aufgetaucht.

Klar scheint: Der seit Oktober 2020 laufende Strafprozess gegen Edris Z., der seine frühere Lebensgefährtin brutal getötet haben soll, droht jede erwartete Dimension zu sprengen – zeitlich und auch in der Schärfe der Auseinandersetzung. Immer wieder legt sich die Verteidigung mit anderen Prozessbeteiligten an und redet mit manchen Zeugen in einer Weise, die für viele nicht mehr akzeptabel ist.

Aber: Derlei Beobachtungen sind trotzdem von der Frage zu trennen, ob Graffitis an den Kanzleien der Anwälte der richtige Weg sind, wie mit einem grausamen Tötungsdelikt umgegangen werden soll. Er ist es nicht – nicht nur, weil es sich um strafbare Sachbeschädigung handelt.

Jeder Angeklagte hat ein Recht auf Verteidigung

Jeder Angeklagte hat im auch nur halbwegs funktionierenden Rechtsstaat einen Anspruch auf eine Strafverteidigung, die ihm hilft, sich wirksames Gehör zu verschaffen. Verteidigerinnen und Verteidiger sind ausschließlich für ihren Mandanten da. Im Kräftespiel einer Gerichtsverhandlung treten sie im Zweifel auf die Bremse, um zu verhindern, dass der Staat in der Bestrafung übers Ziel hinausschießt oder trotz schlechter Beweislage nach Beliebigkeit aburteilen darf.

Das ist entscheidend. Es wird der Mensch verteidigt, nicht die Straftat. Hand aufs Herz: Stellen wir uns auch nur ein paar Sekunden vor, Mutter oder Vater, Schwester oder Bruder, Tochter oder Sohn, Freundin oder Freund landeten plötzlich auf der Anklagebank. Wer wünscht sich dann nicht, dass ihnen jemand professionellen Beistand leistet und für sie selbst in schier aussichtsloser Lage etwas herauszuholen versucht?

Wenn die Pflichtverteidigerin von Edris Z. ihren Mandanten schützt, wie der Schriftzug suggeriert, dann – voraussichtlich, soweit sich das in einem laufenden Prozess vorhersagen lässt – nicht davor, für sehr lange Zeit hinter Gitter zu müssen. Es geht darum sicherzustellen, dass auch seine Rechte und faire Behandlung gewahrt bleiben. Nochmal: Über das Vorgehen der Verteidigung mag man im konkreten Fall streiten.

Dennoch haben Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger ihren Platz im Verfahren. Sie helfen ihrer Mandantschaft und im weiteren Sinne schützen sie den Rechtsstaat – und letztlich uns alle – vor Hilflosigkeit, Tyrannei und Willkür. Wohin das führen kann, wissen wir aus der Geschichte.

Die Gefühle, die das Gewaltverbrechen an einer jungen Frau auslöst, sind verständlich. Die Art und Weise, hier einen modernen Pranger zu schaffen, ist es nicht.

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