Bis zum 22. März 2021 läuft sie noch, die Entlassungssperre bei „Durstexpress“ Leipzig. Über das, was danach kommt, konnte man sich heute am 2. März 2021 schon mal einen ersten Eindruck am Arbeitsgericht Leipzig verschaffen. Quasi am Fließband sprechen da jetzt jene „Durstexpress“-Mitarbeiter als Kläger vor, welche zwar noch für die Firma arbeiten, doch ihre Entlassung bereits in der Tasche haben.

Allein am heutigen 2. März 2021 waren es vier Verhandlungen, teils erschienen die Kläger/-innen im Doppelpack, da ihre Fälle sich alle gleichen. Und so gleichen sich auch die Abläufe, welche langfristig vorbereitet wurden, um ihre Klagen gegen die „betriebsbedingten Kündigungen“ ins Leere laufen zu lassen.Noch sind es Güteverhandlungen, in welchen die Kläger versuchen, vom Getränkelieferanten „Flaschenpost“ zu ähnlichen Bedingungen übernommen zu werden oder zumindest irgendein Angebot von der Gegenseite zu hören, was ihre alten Arbeitsplätze beim Getränkelieferanten „Durstexpress“ betrifft.

Doch die Gegenseite, vertreten durch die Berliner Kanzlei „Pusch Wahlig Workplace Law“, hat eine klare Marschroute. „Der Betrieb wurde stillgelegt“, so Rechtsanwältin Pauline Kuhn zu den Vorgängen bei „Durstexpress“ Leipzig, und „die Massenentlassungsanzeige an das Arbeitsamt ist ergangen“.

Damit ist es für „Durstexpress“ zumindest hier, um zirka 16 Uhr im Verhandlungssaal 1 des Leipziger Arbeitsgerichtes klar: Es gibt keine Gründe, sich mit den ehemaligen Angestellten auf irgendetwas zu einigen. Es seien zulässige betriebsbedingte Kündigungen, welche hier ergangen seien – das Unternehmen gibt es bald nicht mehr.

Das eigentliche Konstrukt, welches Anwältin Kuhn in einem Nebensatz andeutet, könnte diese Aussagen stützen: Es seien keine Bestandteile (Assets) zwischen „Durstexpress“ und „Flaschenpost“ gekauft oder verkauft worden. „Flaschenpost“ und „Durstexpress“ seien beides Tochterunternehmen der Dr. Oetker Gruppe und unabhängig voneinander.

Der Deal, den ihre Kanzlei nach eigener Aussage „begleitet“, also vorbereitet hat und noch immer Gegenstand von Fragen ist, ist also der direkte Kauf des Unternehmens „Flaschenpost SE“ durch die Oetker-Gruppe und keine Übernahme durch die Oetker-Tochter „Durstexpress GmbH“.

Somit hätte kein Geschäft zwischen der „Durstexpress GmbH“ und „Flaschenpost SE“ stattgefunden, streng genommen sind sie noch immer Konkurrenten. Aber natürlich nun mit nahezu baugleichem Geschäftsmodell bei einer gemeinsamen Mutter-Firma namens Oetker gelandet, die eben jetzt lieber die „Flaschenpost SE“ weiter ausbauen möchte.

Die Erzählung der Arbeitgeberseite gegenüber den Kläger/-innen am Arbeitsgericht Leipzig lautete im Kern also: Oetker schließt nun, nach dem Kauf der „Flaschenpost SE“, einfach nur einen vorgeblich unrentablen „Durstexpress“-Standort in Leipzig, während die neue Tochterunternehmung „Flaschenpost SE“ gar kein eigenes Lager habe. Und entlässt deshalb unter anderem die drei Nochangestellten, die in einem der Termine des heutigen Tages den Ausführungen der „Durstexpress“-Anwältin lauschten.

Was auf den ersten Blick verwirrend anmutete, wurde bald klarer. Denn, so Kuhn, die „Flaschenpost SE“ sei nur die Verwaltungseinheit und biete selbst die Arbeitsplätze der drei Auslieferungsfahrer/-innen gar nicht an. Anzunehmen also, dass viele „Flaschenpost“-Filialen in mittlerweile 25 Städten eigene Unternehmen sind, die von der „Flaschenpost SE“ als Namensgeber die Dienstleistungen der gemeinsamen Bestell-App, also technische und logistische Lösungen erhalten und ein bestimmtes, gemeinsames Warensortiment führen müssen.

MC Donalds und das gute alte Franchise-Prinzip lassen grüßen. Und dieses lautet stets: Läuft es gut, fließt das Geld in die Zentrale, läuft es schlecht, werden Standorte nicht mehr beliefert oder ein neuer Franchise-Nehmer gesucht. Der Ärger jedenfalls bleibt vor Ort, die Angestellten werden dann einfach betriebsbedingt wegen Schließung gekündigt – selbst wenn gleich um die Ecke ein Laden der gleichen Marke neu eröffnet.

Demnach hat die neue Oetker-Tochterfirma „Flaschenpost SE“ offenbar einfach einen Geschäftspartner in Leipzig, welcher durchaus Leute für Lagerarbeiten und Warenausfuhren unter dem Namen „Flaschenpost“ sucht, nur eben nicht die „Flaschenpost SE“ selbst. Die Konditionen sehen nach LZ-Informationen weniger fest vereinbarte Stunden vor, was die Abhängigkeit von „gewährten“ Zusatzstunden erhöht.

Was bei „Durstexpress“ Leipzig also mit immer wieder befristeten Arbeitsverträgen begann, dürfte sich bei „Flaschenpost“ fortsetzen. Juristisch mag das alles „sauber“ sein. Moralisch vertretbar ist der Umgang mit den „Durstexpress“-Mitarbeitern sicher nicht.

Am 25. Juni 2021 ist am Leipziger Arbeitsgericht „Getränkeliefer-Tag“. Dann werden nahezu alle Fälle der bislang eingegangenen Klagen gegen die Kündigungen bei „Durstexpress“ mangels gütlicher Einigung verhandelt und entschieden.

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