Die sächsische Polizei ist zurück auf der nationalen Skandalbühne oder hat sie eigentlich nie verlassen. Mit einem weiteren Paukenschlag nach dem „Fahrradgate“ warteten heute das LKA Sachsen und das Innenministerium Roland Wöllers (CDU) auf. 2018 verschwand Munition für Maschinenpistolen und ebensolche Gewehre aus den Waffenkammern des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) in Dresden. Die Spuren von fehlenden 7.000 Schuss führen direkt nach Güstrow auf den Schießplatz der Firma „Baltic Shooters“ von Inhaber Frank T. Hier laufen weitere Ermittlungen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz im Komplex „Nordkreuz“ zusammen.
Der Schießplatz in Güstrow bei „Baltic Shooters“ stand und steht im Zentrum der Ermittlungen zu der innerpolizeilichen Terrorgruppe „Nordkreuz“ (Wikipedia), welche unter anderem Listen von Politikern führte und auf den „Tag X“, eine Art Militärputsch in Deutschland hintrainierte. Das Netzwerk gilt allgemein als Zusammenschluss rechtsradikal denkender Spezialeinheitsbeamten und Soldaten der Bundeswehr.Der Weg führt seit dem heutigen Tag auch zum LKA Sachsen, hier zu einer Mobilen Einsatz Kommando Gruppe (MEK), im ganzen 17 Polizeibeamte. Unter den vier Polizeibeamten, die im Zentrum der laufenden Ermittlungen stehen, befinden sich außerdem die drei Verantwortlichen für die Waffenkammern der Sondereinsatzeinheiten und der Kommandoführer des MEK (Mobiles Einsatzkommando).
Die 7.000 Schuss Munition, die 2018 in Sachsen verschwanden, sollen dem Schießplatzbetreiber in Güstrow als Bezahlung für das illegale Schießtraining übergeben worden sein. Zuvor war das Training aus noch unbekannten Gründen durch sächsische Vorgesetzte untersagt und somit von der Einheit illegal durchgeführt worden. Die Munition habe man bereits bei der Anreise aus Sachsen mitgebracht.
13 sächsische Spezialbeamte über die vier Hauptverantwortlichen hinaus waren dabei also ebenso mit von der Partie, als es zum ungenehmigten Schießtraining ging. Diese speziellen Trainings waren in anderen Fällen unter anderem Bestandteil der „Extra-Ausbildungen“ bei „Nordkreuz“, inwieweit dies hier der Fall ist, blieb heute offen.
Ermittlungen haben erst begonnen
Heute führte Petric Kleine (Chef LKA Sachsen) in der eilig anberaumten Pressekonferenz aus, dass „2017 und 2018 sächsische Spezialeinheiten in Güstrow Schießtrainings auf dem Schießplatz absolviert“ hätten. Zu einer direkten Beziehung zu Nordkreuz gäbe es noch keine Erkenntnisse, doch er gehe davon aus, dass diese bereits im Mecklenburger Hauptermittlungsverfahren zu „Nordkreuz“ herausgekommen wären.
Eine Aussage, die angesichts der schwierigen Ermittlungen im Umfeld radikalisierter Soldaten und Polizeibeamter problematisch sein dürfte – man achtete stark auf Geheimhaltung und verdeckte Chaträume. In einem solchen sollen dann laut Kleine Ermittler in Mecklenburg-Vorpommern auch die ersten Erkenntnisse zum illegalen Schießen der sächsischen Beamten gefunden und nach Sachsen gemeldet haben, woraufhin man einen sächsischen Ermittler an die Küste entsandt habe.
Nach der Verantwortlichkeit bei der Munitions- und Waffenaufbewahrung befragt, gab der LKA-Chef an, dass die Schießtrainer, welche für die Waffenkammern zuständig waren, die Verdächtigen sind, gegen die ermittelt wird. Sie hätten die 7.000 Schuss Munition als „verschossen gemeldet“, um das illegale Training zu verschleiern.
Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar zog das Zwischenfazit, dass mit diesem Vorgang das MEK quasi aufgelöst ist, es würde drei bis vier Jahre dauern, um hier einen völligen Neuaufbau der Sondereinsatzeinheit zu vollziehen. Ihre Aufgaben würden nun von den drei anderen Spezialeinheiten Sachsens übernommen.
Aktuell wurde laut einer Pressemitteilung des LKA Sachsen gegen die vier hauptbetroffenen Polizeibeamten aufgrund der schwerwiegenden Vorwürfe „das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Darüber hinaus erfolgte gegen alle Beschuldigten die Erteilung des Verbotes zum Betreten der Diensträume.“ Der Vorwurf gegen alle lautet mindestens gemeinschaftlicher Diebstahl und Verstoß gegen das Waffengesetz.
Der verantwortliche Minister Roland Wöller (CDU) zeichnete im Zuge der Pressekonferenz dann für das Zitat des Tages verantwortlich. Er sei „stinksauer“ über „Polizisten, die zu Straftätern werden.“
Nichts Neues mehr für den Innenminister Sachsens. Noch immer laufen die Ermittlungen zum „Fahrradgate“, bei welchem Beamte der Polizeidirektion illegal Räder aus der Asservatenkammer weiterverkauft haben.
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Keine Kommentare bisher
Was ist er, stinksauer?
Wo bleibt das Verständnis? 🤔
Schließlich waren die Polizisten friedlich und haben diesmal keine Fahrräder geklaut. Erst gönnt man ihnen die Fahrräder nicht und jetzt nicht die Munition.
Personaldiskussionen wären jetzt der falsche Weg. Herr Wöller ist bestimmt noch für höhere Aufgaben vorgesehen. Das er es kann, zeigt er uns jeden Tag.