Das Leipziger Amtsgericht hat am Mittwoch, 24. Februar 2021, einen Rechtsextremisten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Dieser hatte im Vorfeld der Veranstaltung „Imperium Fighting Championship“ im Kohlrabizirkus eine Glasflasche auf einen Pressefotografen geworfen. Der Journalist erlitt leichte Schnittverletzungen am Arm, der Vorgang selbst ist unstrittig. Für Verwunderung sorgte hingegen der zuständige Richter, der das ausgesprochen milde Urteil unter anderem mit angeblichen Provokationen durch den Geschädigten begründete.
Die Tat geschah bereits vor viereinhalb Jahren. Am 27. August 2016 machte die „Imperium Fighting Championship“ im Kohlrabizirkus Station. Hinter der MMA-Eventserie steckte ein Zusammenschluss rechtsextremer Kampfsportler und Hooligans. Das Publikum generierte sich entsprechend aus diesen Szenen.
Dass die Veranstaltung im Kohlrabizirkus schlussendlich finanziell floppte, war auch linken Gegenprotesten geschuldet. Vor Veranstaltungsbeginn hatten sich die Besucher des Kampfturniers vor dem Kohlrabizirkus versammelt. Es wurde Alkohol ausgeschenkt. Pressevertreter, denen kein Zutritt gewährt worden war, dokumentierten das Geschehen von öffentlichem Grund aus. Andreas S. war schon angetrunken, als er die Journalisten realisierte. Der damals 26-Jährige war auf Medienvertreter nicht gut zu sprechen. Wenige Monate zuvor hatte der stadtbekannte Hooligan seine Arbeitsstelle bei der Diakonie verloren. Schuld waren aus seiner Sicht natürlich nicht seine rechten Aktivitäten, sondern ein Internetbericht darüber.
„Es hatte bei mir ausgesetzt“, schilderte er seine Gemütslage. Er schleuderte eine Bierflasche in Richtung der Fotografen. Das Geschoss zerschellte an einem Zaun. Splitter verletzten den Reporter Christoph Hedtke am Arm, der dabei war, die Zusammenkunft für die Onlineausgabe der Wochenzeitung „Die Zeit“ zu dokumentieren. Der Leipziger berichtet seit Jahren über die extreme Rechte in Sachsen.
Eine politische Tatmotivation erscheint naheliegend. Vor Gericht sagte Hedtke aus, dem Wurf seien „Lügenpresse“-Rufe vorangegangen. Insgesamt habe eine feindselige Stimmung geherrscht.
Auch der damalige Livebericht auf L-IZ.de schilderte die Erlebnisse vor Ort ähnlich, bereits 18:55 Uhr, also vor Beginn der „Kampfnacht“ hieß es damals: „Für Pressevertreter darf sich die Imperium-Veranstaltung zumindest vor der Tür schon mal ganz „real“ anfühlen. Erste Bedrohungen vor Ort, ganz wie auf jeder Neonazi-Demonstration oder bei Legida, erste Flaschenwürfe nach Fotografen. Die Versicherungen der Friedlichkeit zumindest bei einigen Besuchern der Kampfsportnacht ist damit wohl bereits obsolet.“
Journalist soll provoziert haben
„Ich bin der Ansicht, dass der Tat eine Provokation vorausgegangen ist, nämlich durch die Aufnahmen des Herrn Hedtke“, meinte dagegen Amtsrichter Marcus Pirk. Eine steile These, gerade weil das Kunsturhebergesetz Aufnahmen von zeitgeschichtlichen Ereignissen und Versammlungen für rechtens erklärt. Hält der Richter investigative Journalisten, die ihrer Arbeit nachgehen, ernsthaft für Provokateure?
Investigativ arbeitende Journalisten sind allein schon aus medienrechtlichen Gründen auf Aufnahmen von derartigen Zusammenkünften angewiesen. Die Klientel gilt nämlich als sehr klagefreudig. Wie, wenn nicht durch Fotos und Videos, soll sonst der Beweis geführt werden, dass eine Person X sich bei einer bestimmten Veranstaltung mit Person Y getroffen hat?
Amtsrichter Pirk zweifelte dagegen unterschwellig Hedtkes journalistische Tätigkeit am Rande der Veranstaltung an. Der politische Hintergrund des Kampfsportevents war, entgegen auch der damaligen Warnungen seitens des Verfassungsschutzes rings um die „Imperium“-Veranstaltungsreihe, in der Hauptverhandlung am Mittwoch kein Thema. Die tiefe Verwurzelung des Angeklagten in rechtsextremen Netzwerken wurden seitens der Staatsanwaltschaft nicht einmal angedeutet.
Andreas S. gab eine ladungsfähige Anschrift im Leipziger Umland an, an der viele Jahre ein bekannter Szeneversand ansässig war. Dass der Vater zweier Kinder sein rechtes Gedankengut abgelegt haben könnte, wurde vor Gericht nicht ersichtlich. Insbesondere trug der Mitarbeiter in einem Reinigungsbetrieb nicht vor, in der Zwischenzeit an einem Aussteigerprogramm teilgenommen zu haben.
Weil er aber im Vorfeld des Prozesses seinem Opfer 500 Euro Schmerzensgeld überwiesen hatte, ging das Gericht zu seinen Gunsten von einer sogenannten Strafrahmenverschiebung aus und ließ äußerste Milde walten. Hatten Staatsanwaltschaft und Nebenklage noch zehn Monate Freiheitsstrafe beantragt, verurteilte Pirk den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu 150 Tagessätzen Geldstrafe.
Im Rahmen eines Härteausgleichs gewährte der Richter hiervon 20 Tagessätze Nachlass, sodass im Ergebnis 130 Tagessätze stehen blieben.
Deren Höhe taxierte Pirk auf 23 Euro. Insgesamt kostet der Flaschenwurf folglich knapp 3.000 Euro Strafe. Hinzu kommen die 500 Euro Schmerzensgeld und die Verfahrenskosten. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.
Demnächst muss Andreas S. sich erneut vor dem Amtsgericht verantworten. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Dittmar soll er sich am 11. Januar 2016 an dem schweren Landfriedensbruch im Stadtteil Connewitz beteiligt haben.
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