Im Landgerichts-Prozess um den tödlichen Angriff auf eine 37-jährige Sozialarbeiterin und Mutter im Leipziger Auwald gab es am Freitag erneut scharfe Kontroversen zwischen der Verteidigung des Angeklagten auf der einen sowie Staatsanwaltschaft und Nebenklage auf der anderen Seite. Ein Knackpunkt diesmal: Die zwei Anwälte des Verdächtigen Edris Z. vermuten klandestine Absprachen von Belastungszeugen untereinander. Seinem Ziel, der Sachaufklärung, kommt das Verfahren bisher kaum näher.
Auch am 16. Verhandlungstag kehrte keine Ruhe in den Gerichtssaal ein. Edris Z. (31), der seiner früheren Partnerin (37) im April 2020 während ihres Spaziergangs im Auwald aufgelauert und sie mit Hammerschlägen tödlich verletzt haben soll, während er ihr Baby unversehrt ließ, schweigt auf Anraten seiner Verteidigung bisher zum Vorwurf des Mordes. Seine Anwälte aber kämpfen eisern für ihn und nahmen am Freitag erneut die Zuschauerstühle ins Visier.
„Zielgerichteter Einsatz eines Prozessbeobachters“?
Georg K. Rebentrost, Wahlverteidiger des Angeklagten, erneuerte seinen schwerwiegenden Verdacht: Ein bisher unbekannter Zuhörer, der den Prozess seit dessen Beginn im Oktober 2020 durchgehend verfolgt, und eine mit Namen benannte Frau (34) aus dem Freundeskreis der getöteten Myriam Z., die ebenfalls zu allen Terminen erscheint, könnten womöglich eine bestimmte Funktion ausüben, spekulierte der Rechtsanwalt. Daher wolle er nun zumindest die Dame im Zeugenstand befragen, um zu klären, welche Informationen sie eventuell weitergegeben habe.
Immerhin habe die 34-Jährige eine andere Freundin des Opfers, die bereits als Zeugin aussagte, vergebens in eine WhatsApp-Gruppe einzuladen versucht, in der sich das enge Umfeld der Getöteten austausche – auch über das laufende Verfahren, sagte Rebentrost. So seien im Chat die Worte gefallen, dass die Verteidigung von Edris Z. der betreffenden Zuschauerin „auf den Fersen“ ist. Für den Verteidiger liegt daher der Verdacht nahe, dass es den „zielgerichteten Einsatz eines Prozessbeobachters“ geben könnte. Die Zeugen könnten sich konspirativ abstimmen, um „möglichst effektiv und widerspruchsfrei“ zulasten des Angeklagten auszusagen.
„Sie schießen ins Blaue!“ – scharfe Kontroversen im Gerichtssaal
Für seine Vermutungen erntete Rebentrost sofort empörten Gegenwind. „Man kann nicht den Schluss ziehen, dass jemand bewusst instruiert wurde“, widersprach Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob. Nebenklage-Anwältin Rita Belter wurde noch deutlicher: Im fraglichen Chat mit 22 Mitgliedern sei es um Fragen wie die Beerdigung des Opfers und den Verbleib seines Hundes gegangen.
Zudem habe die Hinweisgeberin nichts von Prozess-Absprachen in dem Kanal gesagt. „Sie schießen ins Blaue und das auch noch aufgrund falscher Tatsachen, das ist unerträglich!“, warf Belter ihrem Kollegen vor, drohte ihm gar mit einer Meldung an die Anwaltskammer. Der Adressat wiederum verwahrte sich dagegen, ihm Lügen zu unterstellen. „Darauf werde ich in geeigneter Weise reagieren“, kündigte er an. Unterstützung erhielt er von Pflichtverteidigerin Petra Costabel, die den Angeklagten gemeinsam mit ihm vertritt.
Entscheidung über Befangenheit noch offen
Daneben attackierte Rebentrost auch den Oberstaatsanwalt, dem er vorhielt, nicht an einer Sachaufklärung interessiert zu sein. Gegenseitige Beschuldigungen seien diesem Anliegen jedenfalls nicht zuträglich, versuchte der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf die Wellen zu glätten.
Schon an den vergangenen Prozesstagen war es zu teils heftigen Konflikten gekommen. Zuletzt hatte die Verteidigung die gesamte Strafkammer in der vergangenen Woche als befangen abgelehnt. Eine Entscheidung über diesen Antrag wird zur Fortsetzung des Verfahrens am Dienstag erwartet. Sollte ihm stattgegeben werden, wäre der Prozess geplatzt und müsste noch einmal von neuem beginnen.
Video-Befragung abgebrochen und verschoben
Eigentlich stand am Freitag die Vernehmung eines Freundes des Angeklagten auf dem Programm, der sich derzeit in Israel befindet und per Video in den Gerichtssaal geschaltet wurde. Doch die Befragung des 39-Jährigen, der Edris Z. zu „seinen besten Freunden in Deutschland“ zählt, wurde wegen technischer Probleme schon nach wenigen Minuten abgebrochen. Offenbar gab es ein ständiges Echo und Rückkopplungen in der Leitung, sodass der Zeuge teilweise kaum zu verstehen war. Nun soll er am 3. März erneut via Video aussagen.
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