Der dritte Prozesstag um den tödlichen Angriff auf eine junge Mutter im Leipziger Auwald hatte es in sich. Am Mittwoch schilderte die Tatzeugin, die dem Angriffsopfer Ersthilfe leistete, erschütternde Szenen, die sich vor ihren Augen abspielten. Zugleich sorgte der Wahlverteidiger des Angeklagten Edris Z. mit seiner Befragung der Frau für mehr als nur einen Eklat.
Hochschwangere Augenzeugin per Video befragt
Verhandlungstag drei am Landgericht zum tödlichen Angriff auf eine 37-jährige Mutter im Leipziger Auwald vom Frühjahr machte vor allem eines deutlich: Routine und Langeweile werden so schnell nicht aufkommen. Das ist am wenigsten dem Angeklagten selbst zuzuschreiben, denn der 31-jährige Edris Z., der seine Ex-Partnerin am 8. April aus Rachsucht mit mehreren Hammerschlägen getötet haben soll, hüllte sich weiterhin in stoisches Schweigen und ließ sich nicht in die Karten schauen.
Stattdessen beschrieb die 38-jährige Claudia S.* ausführlich und detailliert, wie sie am 8. April zufällig Zeugin des brutalen Verbrechens wurde. Da die Leipzigerin aktuell hochschwanger ist, wurde sie per Video-Verbindung aus der Kanzlei ihrer Anwältin zur Befragung zugeschaltet. Am Tattag war sie mit ihrem kleinen Sohn im Auwald unterwegs, als ihr erst eine junge Frau mit Baby und kurz darauf ein Jogger entgegenkamen. Wenig später nahm sie seltsame Geräusche wahr: „Es war ein furchtbares Wimmern, das mich alarmiert hat.“
„Was machen Sie da? Hören Sie auf!“
Als sie sich umdrehte, sah sie am Wegesrand auf der neuen Linie nahe der Richard-Lehmann-Straße den vermeintlichen Jogger von eben, der mit seinem Bauch auf der jungen Frau lag. „Was machen Sie da? Hören Sie auf! Lassen Sie die Frau in Ruhe!“ habe sie geschrien, doch der Angreifer habe sich unbeirrt über sein Opfer gebeugt und mit einem länglichen Objekt mehrfach schwungvoll in Richtung des Kopfes der Frau geschlagen, ehe er die Flucht antrat. Claudia S. stand nach eigener Aussage in etwa vierzig Metern Entfernung.
Als sie zu der schwer verletzten Frau rannte, sei diese noch bei Bewusstsein gewesen, habe sie angeguckt, ohne sich zu artikulieren. Neben ihr lag das unversehrte Mädchen, das damals erst neun Wochen alt war. Die brutal attackierte Myriam Z. wurde in eine Klinik gebracht, wo sie zwei Tage später trotz aller Rettungsversuche an ihren Kopfverletzungen starb.
Für massiven Unmut sorgte der Rechtsanwalt Georg K. Rebentrost, der an der Seite von Pflichtverteidigerin Petra Costabel die Vertretung des Angeklagten vor Gericht übernommen hat. So wollten er und seine Kollegin die Befragung der einzigen Augenzeugin zunächst zurückstellen, um die hochschwangere Frau nicht dem Stress eines Kreuzverhörs auszusetzen. Dem hatte Claudia S. widersprochen: Ihr gehe es im Rahmen der Umstände gut und ihr sei es wichtig, mit dem Geschehenen abzuschließen.
Anwalt: Zeugin soll Wimmergeräusch nachmachen
Durch wiederholte Detailfragen zielte Rebentrost offenbar auf die Aufdeckung von Widersprüchen in der Zeugenaussage ab – zum sichtbaren Unmut von Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob und dem Vorsitzenden Richter Hans Jagenlauf, dem der Anwalt einige Male ins Wort fiel. Für allgemeines Kopfschütteln und dicke Luft sorgte die Bitte des Anwalts, die Zeugin solle die beschriebenen Wimmergeräusche nachmachen. Das lehnte sie mehrfach ab, weil sie dies nicht könne.
So endete auch der dritte Prozesstag unversöhnlich. Während Anwalt Rebentrost die „Sticheleien“ und Vorwürfe gegen die Verteidigung beklagte, die Zeugin beeinflussen zu wollen, konterte Richter Jagenlauf, er habe den Verteidigern alle Rechte eingeräumt.
Anträge der Verteidigung abgelehnt
Zuvor hatte der Vorsitzende des Schwurgerichts einen Antrag auf Vereidigung der Tatzeugin abgelehnt. Außerdem wollten die beiden Strafverteidiger erreichen, dass ein zusätzlicher Gutachter für den Prozess bestellt wird, um zu belegen, dass ihr des Mordes angeklagter Mandant zum Tatzeitpunkt womöglich unter dem Einfluss von Medikamenten stand. Auch dieser Vorstoß wurde zurückgewiesen, da mit Dr. Matthias Lammel bereits ein Sachverständiger bestellt sei. Davon abgesehen fehle jedes Wissen, welche Substanzen der Angeklagte wann und in welcher Menge konsumiert habe. Bei einer Hausdurchsuchung hatte die Polizei eine Packung Antidepressiva in seiner Wohnung gefunden.
Nach drei Prozesstagen scheinen die Weichen nun klar gestellt: Die Anwälte führen eine konfrontative Konfliktverteidigung und greifen nach jeder Möglichkeit, ihren Mandanten zumindest vor der möglichen Höchststrafe zu bewahren. Daher könnte dieses Verfahren noch manche Überraschung bereithalten.
Der Prozess wird am 13. November fortgesetzt und ist derzeit bis 17. Dezember terminiert.
*Der Name der Tatzeugin wurde geändert.
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