Am Freitag stand vor dem Leipziger Landgericht der vierte Verhandlungstag gegen den mutmaßlichen Auwald-Mörder an, der bislang eisern zu allen Vorwürfen schweigt. Die Spannungen in dem konfliktbeladenen Prozess waren weiter spürbar. Zugleich entwarf eine Ex-Freundin des Angeklagten ein Bild von ihm, das ganz und gar nicht zum brutalen Gewalttäter zu passen scheint.
„Es passt alles nicht“
Während der stundenlangen Vernehmung platzte es dann irgendwann doch aus Stefanie K. heraus: „Er ist ein reflektierter Mensch, der sensibel mit Dingen umgeht. Es ist mir unerklärlich, er war nie gewalttätig. Er war extrem liebevoll und respektvoll.“ Und, mit leicht verzweifeltem Unterton: „Es passt alles nicht zu dem, was jetzt ist“, so die 27-Jährige.
Denn jetzt steht der 31 Jahre alte Edris Z. unter Mordverdacht. Er soll Myriam Z. (37), seine frühere Partnerin, am 8. April im Leipziger Auwald aus Eifersucht so brutal angegriffen haben, dass sie zwei Tage später an ihren Kopfverletzungen starb. Ihr neun Wochen altes Baby, das nicht von ihm war, blieb unversehrt.
Für Stefanie K. ein unvorstellbares Szenario. Sie und Edris Z. kannten sich seit etwa fünf Jahren, pflegten zunächst nur eine lockere Verbindung, ehe sie sich Anfang 2019 zufällig wiedertrafen und Ende des Jahres ein Paar wurden. Von Myriam Z., seiner vorherigen Freundin, war Edris Z. da längst getrennt. Sie war es auch, die gegen ihren früheren Partner Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt hatte, weil er ihr immer wieder nachgestellt haben soll.
Verborgene Persönlichkeit des Angeklagten
Doch Stefanie K. bekam von Edris Z. scheinbar vor allem die Fassade zu sehen – den lieben Kümmerer, den Hundefreund, den Literaturfan. Die Trennung von Myriam Z. und die Anzeige wegen Körperverletzung hätten ihn arg belastet. Die hatte Edris Z. kassiert, nachdem er Myriam Z. im August 2018 am Fockeberg angespuckt und beleidigt, ihren einschreitenden Begleiter brutal attackiert und ins Ohr gebissen haben soll.
Wollte Stefanie K. nicht wahrhaben, welch problematische Seite seiner Persönlichkeit Edris Z. offenbar gut verbarg? Die Studentin beschrieb ihn am Freitag durchweg als intelligent und aufgeschlossen. Sein Ruf bei anderen sei ihm wichtig gewesen, aber oft habe er sich nicht verstanden und ungerecht behandelt gefühlt, sich auch immer wieder zurückgezogen, als Zuwanderer zuweilen ausländerfeindliche Ressentiments zu spüren bekommen.
Vom Bild einer harmonischen Partnerschaft mit Edris Z., in der es nie Gewalt gab und Probleme offen geklärt wurden, rückte die Zeugin nicht ab. Er habe sie als Person vollständig angenommen. Auch wenn sie wusste, dass es ihm psychisch nicht gutgegangen sei: „Er hat auf mich gewirkt, als ob er sein Leben im Griff hat.“
Nach der Tat erstmal ein Haarschnitt
Unfassbar: Kurz nach der brutalen Tat im Auwald am 8. April klingelte Edris Z. bei Stefanie K., kam zu ihr in die Wohnung und gestand ihr, spontan mit einem Stein auf Myriam Z. eingeschlagen zu haben – anders als die Anklage, die von einem eiskalt geplanten Hammerangriff ausgeht. Er sei schockiert und beschämt gewesen. Beide gingen danach seelenruhig mit ihren Hunden spazieren – und Stefanie K. soll Edris Z. noch die Haare geschnitten haben, um sein Äußeres zu verändern. Viel nützte es Edris Z. nicht, denn schon wenig später fasste ihn die Polizei.
Alles spricht aktuell dafür, dass Stefanie K. einer unschuldigen Selbstinszenierung ihres Ex-Freundes auf den Leim gegangen ist, die sie nie hinterfragte. Dabei ließ Edris Z. nach der Anzeige wegen Körperverletzung eine Gelegenheit, seine Sicht der Dinge bei der Polizei zu schildern, einfach verstreichen. Kurz nach der Gewalttat vom 8. April wurde der junge Mann lächelnd mit seinem Hund fotografiert, und ein eigentlich für Freitag geladener Zeuge hätte nach L-IZ-Informationen ausgesagt, dass Edris Z. früher in einer gemeinsamen WG die Tür einer Mitbewohnerin eingetreten hatte.
Es droht ein langer Prozess mit vergifteter Atmosphäre
Doch der Zeuge wurde wie auch ein weiterer abbestellt, da vor allem die Verteidigung von Edris Z. die Befragung seiner Ex-Freundin über Stunden in die Länge zog. Mehrfach wurde die Verhandlung zwischendurch unterbrochen und erst kurz vor 18 Uhr nach neun Stunden beendet. Die Atmosphäre zwischen Richterbank, Staatsanwalt, Nebenklage und Verteidigung, die schon nach dem letzten Termin auf einem Tiefpunkt angelangt war, blieb auch am Freitag angespannt.
Der anwesende Bruder der Getöteten, der mit deren kleiner Tochter und der Mutter Nebenkläger ist, konnte dem Treiben nur kopfschüttelnd zuschauen. Und niemand weiß, wie lange es so weitergeht: Das Landgericht hat vorsorglich inzwischen Termine bis 2022 anberaumt. Der nächste davon: 19. November, 11 Uhr.
Stefanie K. übrigens hat sich von Edris Z. nach seiner Verhaftung getrennt, aber auch danach mit ihm telefoniert und ihn einmal im Gefängnis besucht. Ihr positives Bild von ihm will sie bis heute nicht korrigieren.
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Wieder einmal kann das Umfeld sich nicht vorstellen, dass er so etwas getan haben könnte. Auch hat die Getötete ihm vielleicht Unrecht getan. Der Arme. Wie so oft in Fällen von Femizid: It’s the same old song …