Im Prozess um die Tรถtung einer 37-jรคhrigen Frau am 8. April im Leipziger Auwald wurde am zweiten Verhandlungstag mit Spannung auf eine persรถnliche Erklรคrung des mutmaรŸlichen Tรคters gewartet. Die fiel dann aber kurzerhand aus โ€“ wenngleich die Verteidiger des Angeklagten doch eine รผberraschende Marschrichtung vorgaben.

Seit vergangener Woche steht der 31-jรคhrige Edris Z. vor Gericht, weil er am 8. April seine Ex-Lebensgefรคhrtin Myriam Z. (37) im Leipziger Auwald mit mehreren Hammerschlรคgen gegen Kopf und Kรถrper ermordet haben soll. Tatmotiv laut Staatsanwaltschaft: Eifersucht und Rachegelรผste.

Verdรคchtiger รคuรŸert sich weiterhin nicht

Der Beginn des zweiten Prozesstages vor dem Leipziger Landgericht am Mittwoch, 14. Oktober, nรถtigte Verfahrensbeteiligten und Zuhรถrern zunรคchst einige Nerven ab. Das war nur zum Teil dem wegen der aktuellen Hygienebestimmungen limitierten Sitzplatzangebot im Gerichtssaal geschuldet. Zugleich konnte das Verfahren erst mit mehr als neunzig Minuten Verspรคtung starten, weil sich das zweikรถpfige Verteidiger-Team in der Haftzelle noch mit seinem Mandanten beriet.

Womรถglich war viel รœberzeugungsarbeit nรถtig. Denn wie Rechtsanwalt Georg K. Rebentrost, der den Angeklagten gemeinsam mit seiner Kollegin Petra Costabel verteidigt, dann dem Schwurgericht vortrug, habe Edris Z. eigentlich den Wunsch gehabt, sich selbst zu den Vorwรผrfen zu รคuรŸern. Nun wolle er aber von seinem Schweigerecht Gebrauch machen โ€“ zumindest vorerst.

Verteidigung lenkt Fokus auf Antidepressiva

AnschlieรŸend kรผndigte der Anwalt nach wiederholter Bitte um eine unvoreingenommene, kritische Beschรคftigung mit dem Geschehen an, das โ€žfalsche Narrativโ€œ des rachsรผchtigen Ex-Freundes zu korrigieren. So sei Edris Z. zum Zeitpunkt der Tat in einer glรผcklichen Beziehung mit einer anderen Frau gewesen. Bei den MaรŸnahmen nach dem Gewaltschutz-Gesetz, die das spรคtere Opfer vorab gegen Edris Z. zum eigenen Schutz erwirkt hatte, seien Beweismittel ignoriert worden.

Doch wie hรคtten das Gewaltschutz-Verfahren und die Anzeige wegen Kรถrperverletzung, die Edris Z. kassierte, nachdem er 2018 einen Freund der spรคter Getรถteten attackiert und einen Teil des Ohres abgebissen haben soll, wohl auf den jungen Mann gewirkt, fragte Rebentrost weiter. Sein mit sechs Jahren aus Afghanistan eingewanderter Klient, der seit 2015 die deutsche Staatsbรผrgerschaft besitzt, sei stets um Integration bemรผht gewesen.

Dann beantragte die Verteidigung, einen Sachverstรคndigen zu verpflichten, um nachzuweisen, dass die Steuerungsfรคhigkeit von Edris Z. zum Zeitpunkt der Tat durch Marihuana, Cannabinoide und Psychopharmarka eventuell beeintrรคchtigt war. Oberstaatsanwalt Ulrich Jakob reagierte genervt: โ€žIch brauche die Information, was wann und in welchem Umfang eingenommen wurde.โ€œ Dass die Ermittler in der Wohnung des Verdรคchtigen Antidepressiva gefunden hatten, reiche nicht aus. Nach Ansicht der Anwรคlte kรถnnte eine solche Substanz aber den Gewaltausbruch erklรคren.

Jogger hรถrte die Schreie

Selbst der Kammervorsitzende Hans Jagenlauf konnte sich einen Hieb auf die Verteidiger nicht verkneifen: Nach neunzigminรผtiger Wartezeit eine Erklรคrung mit Grundsรคtzen abzuliefern, die allgemein bekannt sind, erstaune ihn dann doch, so der erfahrene Richter.

Nach verbalen Scharmรผtzeln und Unterbrechungen konnten schlieรŸlich die ersten Zeugen vernommen werden. Neben einem Polizeimeister (29), der nach dem Notruf als erster am Tatort nahe der Richard-Lehmann-StraรŸe eintraf, schilderte auch Sebastian H. seine Eindrรผcke. Der 30-Jรคhrige hatte am 8. April um die Mittagszeit seine Jogging-Runde gedreht, als er zunรคchst Schreie vernahm und dann einen seltsamen Mann, der ihm in hohem Tempo entgegengerannt kam. Kurz darauf sah er das Opfer am Wegrand liegen โ€“ und eine Ersthelferin, die ihn hektisch zu sich herwinkte.

Myriam Z. verstarb zwei Tage spรคter im Krankenhaus. Die Sozialarbeiterin wurde nur 37 Jahre alt. Ihr neun Wochen altes Mรคdchen, das sie zum Zeitpunkt des Angriffs bei sich trug, blieb unverletzt und befindet sich heute in Obhut.

Wenngleich die Tat nicht explizit eingerรคumt wurde, lรคsst sich die Erklรคrung der beiden Anwรคlte doch als eine Art Gestรคndnis lesen. Viel spricht dafรผr, dass sie auf eine mildere Strafe fรผr ihren Mandanten abzielen und dafรผr auch eine harte Konfliktverteidigung in Kauf nehmen. รœber ihren Antrag, einen Extra-Sachverstรคndigen anzuhรถren, wird noch entschieden.

Der Prozess soll am 4. November fortgesetzt werden. Ein Urteil kรถnnte am 17. Dezember ergehen.

Mordanklage: Verdรคchtiger schweigt nach brutalem Verbrechen im Leipziger Auwald

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