Richtig zuversichtlich klang es am 22. Januar, als die Leipziger Stadtverwaltung nach Jahren des zähen Ringens die neuen Richtwerte für die Kosten der Unterkunft bekannt gab: „Die Stadt Leipzig passt die Richtwerte für die Kosten der Unterkunft (KdU) der Mietpreisentwicklung an. Zur Ermittlung der neuen Richtwerte für die Kosten der Unterkunft hat das Sozialamt ein sogenanntes ,Schlüssiges Konzept‘ erarbeitet. Diese Verwaltungsvorlage wurde gestern durch Oberbürgermeister Burkhard Jung in seiner Dienstberatung bestätigt.“
„Die neuen KdU-Sätze gelten ab 1. Februar 2020. Der Stadtrat wird in seiner Sitzung am 26. Februar 2020 informiert“, hieß es weiter. Und natürlich klang die Sorge der Verwaltung mit, dass dieser Kostenblock für die Stadt künftig noch teurer werden könnte.
„Für die Kosten der Unterkunft und Heizung werden im Jahr 2020 von der Stadt Leipzig voraussichtlich insgesamt 115 Millionen Euro ausgegeben (2019: 120,5 Millionen Euro). Im Zeitraum Januar bis Dezember 2019 erhielten monatlich durchschnittlich 33.500 Bedarfsgemeinschaften Leistungen nach dem SGB II. Im Jahr zuvor waren es noch rund 36.250. Das ist ein Rückgang binnen eines Jahres um 2.750 Haushalte. Davon ausgehend, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre anhält, wird für 2020 mit durchschnittlich 31.500 Bedarfsgemeinschaften gerechnet.“
Trotzdem musste sich die Verwaltung für die niedrigen KdU-Sätze auch aus dem Stadtrat immer wieder scharfe Kritik anhören. Denn verglichen mit dem Mietpreis-Anstieg auf dem freien Wohnungsmarkt stiegen die Leipziger KdU-Sätze immer nur spät und sehr zögerlich. Und die Berechnungsgrundlage könnte möglicherweise auch vor Gericht nicht standhalten.
Das merkt jetzt der Leipziger Rechtsanwalt Raik Höfler an, der vor dem Sozialgericht Leipzig einen Klageerfolg zum Konzept der Stadt Leipzig zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft erzielen konnte.
Das Sozialgericht Leipzig hat mit Urteil vom 13. Dezember 2019 (Aktenzeichen: S 16 AS 2257/18) entschieden, dass das aktuelle Konzept der Stadt Leipzig zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft nicht den Vorgaben des Bundessozialgerichts (vgl. z. B.: Urteil vom 30.01.2019, Az.: B 14 AS 41/18 R) genügt.
Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit diese angemessen sind.
Und da wird die Sache zum Fall für die Gerichte. Denn die Frage, was „angemessene Kosten“ sind, ist seit Inkrafttreten des SGB II am 01.01.2005 höchst umstritten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat der Grundsicherungsträger die „angemessenen Kosten“ in einem mehrstufigen Verfahren zu entwickeln. Hierzu ist ein sogenanntes „Schlüssiges Konzept“ zu entwickeln, welches von den Gerichten voll überprüfbar ist.
Die 16. Kammer des Sozialgerichts Leipzig hat nunmehr – soweit ersichtlich erstmals im Rahmen einer Hauptsacheentscheidung – entschieden, dass das Konzept der Stadt Leipzig diesen höchstrichterlichen Vorgaben nicht genügt, stellt Raik Höfler fest. Zur Begründung führt das Gericht zutreffend aus, dass das Konzept den tatsächlichen Leipziger Wohnungsmarkt nicht mit hinreichender Sicherheit realistisch abbildet.
Rechtsfolge dieser Entscheidung ist nun, so Höfler, dass das Jobcenter Leipzig weitere Kosten der Unterkunft tragen muss. Begrenzt werde dieser Anspruch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts durch die maßvoll zu erhöhenden Werte nach § 12 WoGG (Wohngeldgesetz). Dies bedeute, dass ein Ein-Personen-Haushalt in Leipzig von dem Jobcenter Leipzig die Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete in Höhe von derzeit 386,10 Euro fordern kann.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und es ist zu erwarten, dass das Jobcenter Leipzig gegen das Urteil Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht einlegen wird. Wie das Landessozialgericht entscheiden wird, ist offen, so Raik Höffler, der freilich betont: „Das Urteil zeigt, dass es sich weiterhin lohnt, gegen Bescheide des Jobcenters, mit welchen nur gekürzte Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, mit Widerspruch und Klage vorzugehen“.
Die Stadt Leipzig ist insofern direkt betroffen, als die Kosten der Unterkunft direkt von der Kommune finanziert werden müssen. Die Stadt hat also ein hohes Interesse daran, die Kosten der Unterkunft so niedrig wie möglich zu halten. Die Probleme bekommen dann freilich jene Jobcenter-Klienten, deren Wohnung die von der Stadt festgelegten Richtwerte übersteigen und diese Mehrkosten vom Jobcenter nicht anerkannt bekommen. Und mittlerweile sind gerade kleine und bezahlbare Wohnungen in Leipzig rar geworden.
Wenn das Landessozialgericht den Fall genauso sieht, muss Leipzig noch einmal nacharbeiten.
Wann steigen die Leipziger KdU-Sätze endlich so wie das Leipziger Mietniveau?
Wann steigen die Leipziger KdU-Sätze endlich so wie das Leipziger Mietniveau?
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Das Problem mit der Angemessenheit haben aber vor allem all jene, die aktuell auf Wohnungssuche sind. Unterschreibt man verzweifelt einen Mietvertrag mit etwas höherer Miete, zahlt das JC keinerlei Umzugkosten, kein Darlehen für die Kaution, eventuelle Betriebskostennachzahlungen muss man selber tragen etc. Das ist die Konsequenz.
Es fehlen Wohnungen für jede Familiengröße. Bezahlbar.
Teil des schlüssigen Konzepts sind auch wieder bereits an JC-KundInnen vermietete Wohnungen. Was soll der Blödsinn? Die kann ich nicht anmieten, die sind vom Markt, stehen nicht zur Verfügung, sind bei Neuvermietung mindestens 15% teurer.
Problematisch wird es, jedes Jahr stärker, durch die immer größer werdende Schar der mit Grundsicherung aufstockenden Rentner. Wenn da nun der Partner stirbt, ist die Wohnung schnell unangemessen, dann heißt es umziehen. Von bisher 60m² in derzeit angemessene 32m² maximal. Zumindest wenn man bei Immobilienscout die Eckdaten des Konzepts eingibt, findet man nur noch 1-Raumwohnungen mit deutlich unter 40m²