Am Bundesverwaltungsgericht am Leipziger Simsonplatz hat am Mittwoch der Prozess um das Verbot der linksradikalen Internetplattform "Indymedia.linksunten" begonnen. Die Verhandlung findet zur Stunde unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt.
Dieser Text behandelt ausschließlich den konkreten Verlauf der Verhandlung am 29. Januar 2020 vor dem Leipziger Bundesverwaltungsgericht in chronologischer Reihenfolge seit 10 Uhr.
Worum es bei diesem Verfahren geht, lesen Sie hier auf L-IZ.de: “Worum es beim Indymedia-Prozess geht”
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19:20 Uhr: Update zum Urteil (Rest chronologisch, siehe Ticker)
Um 19:20 Uhr haben die Richter offenbar ihre Beratung, welche um 14:26 Uhr begann, beendet. Soeben wurden die Beteiligten, Journalisten und Gäste wieder in den Verhandlungs-Saal gerufen. Demnach wird es wahrscheinlich noch heute eine Urteilsverkündung geben.
Mittlerweile steht fest, dass es 19:45 Uhr ein Urteil geben wird. Normalerweise werden dabei zuerst die Entscheidung in der Sache und gravierende Punkte genannt, welche dazu beigetragen haben. Nicht unwichtig jedoch sind die danach folgenden Erläuterungen über die Hintergründe der Abwägungen (diese werden wir später nachreichen).
19:45 Uhr: Die Klage gegen das Verbot von “Indymedia.linksunten” wurde soeben vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesen. Somit bleibt das Verbot bestehen. Die Klage sei zwar zulässig gewesen, aber nicht begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verbot des linksradikalen Internetportals “linksunten.indymedia” damit bestätigt. In einer ersten Begründung heißt es: Da es sich bei “Indymedia.linksunten” um einen Verein gehandelt habe, hätte lediglich dieser das Verbot anfechten können.
Die Kläger hatten jedoch als Einzelpersonen geklagt, auch, weil sie sich nicht als “Verein” sehen. Die Entscheidung ist rechtskräftig, ein Widerspruch am Bundesverwaltungsgericht nicht möglich. Die Kläger kündigten noch im Sitzungssaal Verfassungsbeschwerde an.
Weitere Details in Kürze.
Spätestens nach den Ausschreitungen am vergangenen Freitag befürchteten die Sicherheitsbehörden weitere Angriffe im Zusammenhang mit dem Verbotsverfahren. Deshalb überwachten Polizei und Justizwachtmeistee das Gerichtsgebäude schon Tage im Voraus rund um die Uhr. Am Einlass mussten Besucher strenge Kontrollen über sich gesehen lassen. Sogar ein Sprengstoffspürhund kam zum Einsatz.
Um 10.06 Uhr betrat der 6. Senat den voll besetzten Sitzungssaal IV. Diskutiert wurde zunächst hitzig über die Frage, ob die Kläger, fünf Privatpersonen, überhaupt klagebefugt seien. Fiona P., Stephan W., Jacob W., Alexander W. und Marco L., die nicht persönlich erschienen sind, sondern sich durch ihre Anwälte vertreten lassen, bestreiten sowohl ihre Mitgliedschaft als auch Existenz eines Vereins “Indymedia.linksunten”.
Das Bundesinnenministerium, vertreten durch Rechtsanwalt Wolfgang Roth, hält die Klage für unzulässig. Die Klägerin könnte das Vereinsverbot nicht anfechten, solange sie behaupten, sie seien nicht Mitglied dieser Vereinigung. Zulässig wäre lediglich eine Feststellungsklage.
Rechtsanwalt Sven Adam argumentierte, den Klägern seien durch die Verbotsverfügung mannigfaltigen Grundrechtsverletzungen ausgesetzt worden und müssten deshalb gegen das Verbot klagen können.
Anschließend stand die Frage der Anwendbarkeit des Vereinsrechts im Raum. „Ich gehe davon aus, dass die Konstruktion des Vereinsverbots lediglich ein Mittel zum Zweck gewesen ist, um an die Internetseite heran zu kommen“, so Klägervertreterin Rechtsanwältin Angela Formaniak.
„Es gab weitere Aktivitäten des Vereins neben dem Betrieb dieser Internetplattform“, erwiderte Roth. Der Jurist verwies auf das Schreiben eigener Artikel und die Einrichtung von Medienzentren zu verschiedenen Anlässen.
Zur Stunde läuft die Verhandlung, bei der es nach Meinung der Unterstützer von “Linksunten.indymedia” auch um Pressefreieheit ginge. Das Verbot begründete 2017 das Innenministerium des Bundes hingegen so: „Seit Jahren nutzen sie die Plattform zur Verbreitung von Beiträgen mit strafbaren und verfassungsfeindlichen Inhalten. Auf der Plattform wird öffentlich zur Begehung von Gewaltstraftaten gegen Polizeibeamte und politische Gegner sowie zu Sabotageaktionen gegen staatliche und private Infrastruktureinrichtungen aufgerufen.“. (Lesen Sie hier, “Worum es beim Indymedia-Prozess geht” auf L-IZ.de)
Ob im Laufe des Tages ein Urteil verkündet werden wird, ist noch nicht absehbar.
Update 11:36 Uhr
Die Kläger zweifeln an der Existenz eines Vereins im August 2017, als ihnen die Verbotsverfügung zugestellt wurde. „Das halte ich für eine bloße Behauptung ins Blaue“, sagte Klägeranwalt Lukas Theune. Die letzten Nachweise dazu in den Akten stammten aus dem Jahr 2014. Seinerzeit berichteten die Betreiber von einem öffentlichen Treffen.
BMI-Anwalt Roth erwiderte, der Verein habe sich bis zuletzt betätigt. Die Treffen seien aufgrund mutmaßlicher Überwachung des Freiburger Szenetreffs „KTS“ nicht mehr angekündigt worden.
Update 13:45 Uhr
Man ist noch immer bei der Klärung der Grundlagen. Vor der Mittagspause stand zur Debatte, ob die Kläger als Privatpersonen das Verbot selbst angreifen könnten. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist nämlich nur der Verein klagebefugt. Existiert wie bei “linksunten.indymedia” kein Vorstand, wären demnach nur alle Mitglieder gemeinsam zu einer Klage befugt. Das Problem aus Sicht der Kläger: Die Verbotsverfügung spricht von weiteren Mitgliedern, die namentlich nicht bekannt seien.
„Dass der Verein nicht geklagt hat, fußt nicht darauf, dass er es nicht konnte, sondern dass er es nicht wollte“, behauptete der Anwalt des Bundesinnenministeriums, Wolfgang Roth. Dass sich nicht alle Mitglieder namentlich kennen würden, sei eine Entscheidung des Vereins, wie er das Vereinsleben ausgestalte.
„Wer ist der Verein? Wen sollen wir fragen?“, skizzierte Klägervertreter Sven Adam das Dilemma. Würden die Kläger zugeben, einem Verein „linksunten.indymedia“ angehört zu haben, müssten sie die Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung befürchten. So jedenfalls eine im Vorfeld oft geäußerte Befürchtung
Daher, so Adam, müsse der Senat seine Rechtsprechung weiterentwickeln und das Verbot umfassend prüfen.
Update 14:20 Uhr
Nach der Mittagspause standen auf Wunsch der Kläger die Verbotsgründe im Mittelpunkt. Rechtsanwalt Sven Adam wies darauf hin, das Verbot stütze sich nur auf 50 von rund 200.000 Beiträgen. Für das Bundesinnenministerium ein schwaches Argument. „Wenn man rein numerisch-quantitativ auf die Verbotsgründe abstellen würde, käme man wohl nie zu einem Verbot.“ Darauf käme es daher auch nicht an. Entscheidend sei die Zurechnung der Straftaten zu dem Verein.
„Wir haben keine Einzelfälle, sondern ein durchgängiges Muster, das in der DNA des Vereins angelegt ist“, führte Rechtsanwalt Wolfgang Roth für das Innenministerium aus. Auf der Plattform seien regelmäßig Straftaten verübt worden, deren Wirkung sich erst durch die Öffentlichkeit entfalten habe können, die „linksunten.indymedia“ geboten habe.
Dass die strafbaren Inhalte bisweilen kritisch kommentiert wurden, ließ Roth nicht gelten. Diese hätten die Wirkung der Delikte nicht beseitigt. Der Jurist zitierte aus einem Communique: „Outings und Bekennerschreiben sind willkommen.” Die Betreiber hätten sich mit den zahlreichen Outings und Bekennerschreiben gerühmt.
„’Linksunten.indymedia’ hat eine Plattform für alles zur Verfügung gestellt“, konterte Klagevertreterin Angela Furmaniak. „Es geht darum, die Vielfalt der innerlinken Debatten darzustellen.“ Rechne man dem Verein die strafbaren Inhalte zu, müsse man ihm auch die kritischen Kommentare zurechnen.
Der Senatsvorsitzende Ingo Kraft hat die Verhandlung um 14:26 Uhr geschlossen. Das Urteil soll frühestens um 16.30 Uhr verkündet werden.
Update 17:20 Uhr
Nach Angaben des Senatsvorsitzenden Ingo Kraft ist mit einer Entscheidung nicht vor 18 Uhr zu rechnen.
Verhandlung am Mittwoch: Worum es beim Indymedia-Prozess geht
Verhandlung am Mittwoch: Worum es beim Indymedia-Prozess geht
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