Das gestrige Urteil in Sachen „linksunten.indymedia“ am Bundesverwaltungsgericht erregt die Gemüter. Die Leipziger Richter hatten die Klage von fünf Klägern abgewiesen, ohne über die Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums selbst zu entscheiden. L-IZ.de beantwortet offene Fragen zu der Entscheidung.
Hat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des Verbots festgestellt?
Keineswegs. Die Klagen scheiterten, weil die fünf Kläger nicht als Vereinsmitglieder, sondern als Einzelpersonen geklagt hatten. Einzelne Personen können sich gegen ein Vereinsverbot nur insoweit wenden, als sie eine Verletzung ihrer durch Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz geschützten Möglichkeit geltend machen, sich weiter in der bisherigen Art und Weise gemeinsam zu betätigen.
Dies rechtfertige allein die gerichtliche Prüfung, ob das Vereinsgesetz anwendbar ist und ein Verein im Sinne dieses Gesetzes vorliegt. Eine vollständige Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vereinsverbots könne nur der Verein selbst erreichen.
Warum konnte die Internetseite durch das Bundesinnenministerium überhaupt als Verein eingestuft und verboten werden?
Das Ministerium hat nicht die Internetseite selbst verboten, sondern den Personenzusammenschluss, der die Website betrieben hatte.
War das Vereinsrecht auf „linksunten.indymedia“ überhaupt anwendbar?
Das Vereinsrecht war den Leipziger Richtern zufolge anwendbar, weil es auch Organisationen erfasse, deren Zweck Pressetätigkeit sei. Der besondere Schutzanspruch der Medien sei im Rahmen der Prüfung der Verbotsgründe, insbesondere der Verhältnismäßigkeit des Verbots, zu berücksichtigen. Das Vereinsverbot dürfe nicht auf Meinungsäußerungen gestützt werden, die den Schutz der Meinungsfreiheit genießen.
Haben die Betreiber einen Verein gebildet?
Keine Frage war im Vorfeld so umstritten. Die Kläger und ihre Unterstützer leugneten hartnäckig die Existenz eines Vereins. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr festgestellt, dass „linksunten.indymedia“ eine Vereinigung gewesen sei, zu der sich beim Gründungstreffen im Jahr 2008 mehrere Personen zu dem gemeinsamen Zweck, durch den Betrieb der Internetplattform eine „linke Gegenöffentlichkeit“ herzustellen und soziale Bewegungen auch auf lokaler Ebene stärker zu vernetzen, freiwillig zusammengeschlossen hätten.
Die Vereinigung habe ihre Tätigkeit arbeitsteilig organisiert und die Mitglieder hätten die Ergebnisse der autonom organisierten Willensbildung als für sich verbindlich akzeptiert. Die Vereinigung habe im Zeitpunkt der Verbotsverfügung fortbestanden.
Muss ein Verein nicht über einen Vorstand verfügen und im Vereinsregister eingetragen sein?
Der Vereinsbegriff des öffentlichen Rechts reicht weiter. Erfasst sind nicht nur eingetragene Vereine. Verein ist in diesem Sinne ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Diese Kriterien haben die Linksunten-Betreiber erfüllt.
Warum hat nicht der Verein „linksunten.indymedia“ geklagt?
Dies hatte mehrere Gründe. Einerseits bestritten die Kläger die Existenz eines derartigen Vereins. Andererseits fürchteten sie, mit Strafverfolgung und zivilrechtlichen Ansprüchen konfrontiert zu werden, sollten sie einräumen, Mitglied in einem solchen Verein gewesen zu sein.
Ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig?
Ja. Gegen die Entscheidung sind keine Rechtsmittel zulässig.
Könnte jetzt noch der Verein „linksunten.indymedia“ selbst gegen das Verbot klagen?
Nein. Die Klagefrist ist verstrichen.
Welche Optionen stehen den Klägern jetzt noch zur Verfügung?
Die Kläger können Verfassungsbeschwerde erheben. Das Bundesverfassungsgericht kann das Urteil auf Grundrechtsverletzungen hin überprüfen. Die Klägeranwälte deuteten bereits an, dass sie das Gebot effektiven Rechtsschutzes verletzt sähen.
Nach Urteil: Indymedia-Anwälte kündigen Verfassungsbeschwerde an
Nach Urteil: Indymedia-Anwälte kündigen Verfassungsbeschwerde an
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