LEIPZIGER ZEITUNG/Auszug Ausgabe 73, ab Freitag, 29. November 2019 im HandelFür FreikäuferBrian E. weiß, was für ihn auf dem Spiel steht, als er am 12. November im Leipziger Landgericht neben seinem Anwalt Jürgen Schäfer Platz nimmt. In sozialen Netzwerken wurde im Vorfeld gemutmaßt, ob der 27-jährige überhaupt zur Verhandlung erscheint.
Nicht ohne Grund: Eigentlich hätte der Berufungsprozess längst über die Bühne gehen sollen, doch zwei Termine im Sommer waren geplatzt, zuerst wegen Krankheit, im August legte er kurzfristig ein neues Attest vor. Der Kampfsportler hatte sich laut eigener Aussage am Vorabend beim Boxtraining verletzt.
In erster Instanz war Brian E. wegen seiner Beteiligung am Überfall von mehr als 200 Rechtsextremen und Hooligans auf den Leipziger Stadtteil Connewitz vom 11. Januar 2016 zu einem Jahr und vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Hat das Urteil Bestand, wäre es für Brian E. das definitive Karriere-Aus.
Denn der junge Mann ist seit über einem Jahr Rechtsreferendar am Chemnitzer Landgericht. Eine vorsätzlich begangene Straftat, die zu einer Verurteilung von einem Jahr oder mehr führt, bedeutet nach der sächsischen Ausbildungs- und Prüfungsordnung einen Ausschlussgrund für den juristischen Vorbereitungsdienst.
Brian E.s Verteidiger Jürgen Schäfer kämpft daher um einen Freispruch für seinen Mandanten. Das Urteil der ersten Instanz kritisiert der Anwalt als rechtsfehlerhaft – obwohl Brian E. selbst seine Teilnahme am Hooligan-Aufzug in Connewitz eingeräumt hatte. Zwar ließen sich keine Gewalthandlungen des 27-Jährigen nachweisen. Für einen Schuldspruch wegen Landfriedensbruchs reicht es rechtlich jedoch aus, sich aus einer gewalttätigen Ansammlung nicht zu entfernen.
Nur friedlich demonstrieren?
Genau diese Frage könnte der Knackpunkt der Berufungsverhandlung werden. Denn Brian E. besteht auf seiner Version des Geschehens, wonach er mitten im Pulk marschiert sei und von dessen Absichten, ein ganzes Stadtviertel anzugreifen, keine Ahnung gehabt hätte. Ein Ausbruch aus der Masse sei physisch nicht möglich gewesen – und auch psychisch nicht. Connewitz sei schließlich linksextremes Gebiet. Er sehe sich als politisch interessierten Menschen und habe gegen linke Gewalt demonstrieren wollen, mehr nicht.
Als Fallstrick könnte sich für Brian E. allerdings ein Foto vom Juni 2019 erweisen. Es entstand bei einem Sport-Wettkampf in Österreich und zeigt augenscheinlich den Angeklagten mit nacktem Oberkörper und sichtbarer Tätowierung, die aus Hakenkreuzen und der „Schwarzen Sonne“ besteht – ein Symbol von der Gestalt eines Sonnenrades mit zwölf Speichen. Bereits die SS nutzte dieses Zeichen, bis heute gilt es in der rechtsesoterischen und neonazistischen Szene als Erkennungsmerkmal.
Brian E. bestreitet eine solche Gesinnung vehement, behauptet, die strittige Aufnahme sei gefälscht. Ein Urteil über ihn und damit seine berufliche Zukunft könnte Ende November fallen. Wegen der Tattoos ist derzeit noch ein weiteres Verfahren in Österreich gegen ihn anhängig.
Grüne und Linke verlangen Aufklärung: Auch ein Justizbeamter war am Neonaziangriff auf Connewitz beteiligt
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