Noch gestern hatte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) in seiner Rede im Stadtrat Leipzig zu den Straftaten der vergangenen Wochen zur Mäßigung in der Sprache und einem Engagement gegen die Verwahrlosung derselben wie auch den Kampf gegen Gewalt an sich von Kita bis Seniorenheim aufgerufen. Ob es bereits einen Tag zuvor, am 6. November, damit vorbei war, werden nun eventuell Gerichte entscheiden. Seit heute ca. 18 Uhr teilt die Landtagsabgeordnete und Stadträtin Juliane Nagel (Linke) via Twitter mit, wegen übler Nachrede und Verleumdung juristisch gegen den CDU-Stadtrat Michael Weickert vorgehen zu wollen.
Grund sei eine Äußerung Weickerts am 6. November 2019 im MDR Aktuell, worin der CDU-Stadtrat zum Übergriff auf die 34-jährige Maklerin des 40 Eigentumswohnungen umfassenden Bauprojektes an der Wolfgang-Heinze-Straße vom 4. November in deren Wohnung ein Statement abgab. Dabei unterstellte er Nagel, diese sei „mit ihren Unterstützern die geistige Urheberin dieser Bluttat und sie muss dementsprechend auch zur Rechenschaft gezogen werden.“ (im Netz zum Nachhören, 06.11.2019, 7:09 Uhr)
In einem weiteren MDR-Beitrag nur zwei Tage zuvor hatte sich Nagel dezidiert zu dem Überfall auf die Leipziger Mitarbeiterin einer Immobilienfirma geäußert und wie auch bei anderen Vorfällen in der Vergangenheit sich gegen Gewalt gegen Menschen ausgesprochen. Zuletzt hatte die BILD-Zeitung erst publiziert, auch Polizeisprecher Andreas Loepki würde ein persönliches Statement von Juliane Nagel einfordern, später war das Zitat jedoch abgeändert worden.
Nun, zwei Tage nach der Aussage Michael Weickerts, wird diese wohl polizeilich behandelt werden müssen. Mit ihrem Statement teilte die Linken-Abgeordnete nun mit, die Strafanzeige gegen Weickert sei „raus”, also gestellt.
Ihrer Einschätzung nach lägen diese Äußerungen Weickerts „weit jenseits der Schranken der Meinungsfreiheit“ und griffen in ihre Persönlichkeitsrechte ein. „Es handelt sich um üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens nach § 188 StGB“, so Nagel abschließend.
Im zitierten Paragraphen heißt es: „Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine üble Nachrede (§ 186) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.“
Interessant dürfte also sein, welche Belege Michael Weickert – im Falle, er erhält diese Vorwürfe aufrecht – vor Gericht vorlegen möchte, um die Beziehung zwischen der Landtagsabgeordneten und dem Überfall auf die Maklerin zu beweisen. Denn die ebenfalls unter Punkt 2 erwähnte „Verleumdung“ hat eine Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten.
Wenn der politische Meinungsstreit mit Verunglimpfungen geführt wird, dann eben so: Strafanzeige raus. #rechteStimmungsmache pic.twitter.com/UGboSrabs6
— Jule Nagel (@luna_le) November 8, 2019
Ob diese Bezichtigungen bei der Aufklärung der schweren Straftaten der vergangenen Wochen wie Baustellenbrände und eben jener Angriff auf eine Frau in ihrer Wohnung, überhaupt hilfreich sind, darf man – Hand in Hand mit dem Oberbürgermeister der Stadt Leipzig – wohl bezweifeln.
Einer Meinung sieht sich hierbei Stadtrat Weickert auch mit AfD-Landtagsmitglied Carsten Hütter (AfD Sachsen), welcher bereits am 5. November die Leipziger Abgeordnete via Twitter eine „linksextreme und geistige Brandstifterin“ im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Leipziger Maklerin nannte.
Auch bei der Rede Weickerts am 7. November 2019 im Stadtrat Leipzig wurde deutlich, wo er die Verursacher der Straftaten sieht. „Frau Nagel und ihre Gewährsleute“ hätten „Aufrufe zur Lynchjustiz in ihrem Büro“, gemeint ist hier das LinXXnet, präsentiert, so Weickert.
Während die Polizei bei der Ermittlung der Täter des Überfalles vom 4. November noch im Dunkeln tappt, sind nun also die ersten Bezichtigungen im Umlauf, um die sie sich ebenfalls kümmern muss.
Kampf gegen „Linksextremismus“ in Leipzig: Ein Graffito in Connewitz als erstes Opfer
Kampf gegen „Linksextremismus“ in Leipzig: Ein Graffito in Connewitz als erstes Opfer
Hinweis der Redaktion in eigener Sache (Stand 1. Oktober 2019): Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.
Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen und ein Freikäufer-Abonnement abschließen.
Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.
Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 450 Abonnenten.
Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion „Freikäufer“
Es gibt 5 Kommentare
@Ernst
Vielleicht fangen wir gaaanz vorn an und stellen uns die Fragen: Was ist Gewalt? Welche Formen der Gewalt gibt es? Wer leidet am stärksten unter der jeweiligen Form der Gewalt? Welche Form der Gewalt ist legal, welche Form der Gewalt ist illegal? Wer darf Gewalt anwenden und warum?
Dann können wir auch übergehen und über Gewalt diskutieren, bspw. warum strukturelle und psychische Gewalt von der Gesellschaft weitestgehend toleriert werden, physische Gewalt hingegen als “böse” gilt.
Lieber Ernst,
zu Herrn Weickert nur kurz, der wollte auch schon mal in den Bundestag, ich glaube, das ist damals an fehlendem Wahlkampfgeld seiner Meinung nach gescheitert..
Wer “SA, RAF oder heute die Antifa oder der NSU”
(im verlinkten Video https://www.l-iz.de/politik/leipzig/2019/11/Der-Stadtrat-tagt-Oberbuergermeister-Jung-und-die-Fraktionen-distanzieren-sich-von-politischer-Gewalt-303049 ab min 27:10)
in dieser Reihenfolge in einen Topf wirft und unter “Antifa” alles versteht, was links von ihm ist, also irgendwie frei nach Maaßen, SPD, Grüne und Linke,
der sollte vielleicht den ‘Gemäßigten’ in der CDU die Freude machen, eine eigene Partei zu gründen.
(Gruselig, falls der jemals Kinder in Geschichte(!) unterrichten darf..)
Zum ‘Bekennerschreiben’:
Ich lese da eigentlich, dass irgendjemand, irgendwelchen von ihm so eingestuften ‘Linken’ erklärt, dass ihre ‘Maßnahmen’ nicht ausreichen.
Und er das jetzt mit Gewalt gegen Menschen klären will.
Also die Distanzierung ist da schon mal gegeben.
Worüber ich ‘gestolpert’ bin, ist diese Aussage:
“die Verantwortliche für den Bau eines problematischen Projekts”.
“Problematisch”?, wo der Text ansonsten von Vereinnahmung aller gewalttätigen Aktionen und deren Eskalation nur so strotzt,
so ‘harmlos’ zu formulieren,
entspricht meiner Meinung nach nicht dem beabsichtigten Duktus dieses ‘Sammelwerkes’.
Aber sich mit anonymen ‘Bekennerschreiben’ zu befassen, um dann jeden friedlichen und gerechtfertigten Protest darüber zu definieren, naja kann man machen.. ;(
“Brachen bebauen, um dringend benötigten Wohnraum zu errichten”
Hmm, ich glaube nicht, dass jemand der so um die 4000 € pro Quadratmeter bezahlen kann, jetzt unbedingt in Leipzig Wohnraum benötigt und Leipziger Einwohner, so altruistisch, dafür Luft und Grün opfern sollten ^^
Außerdem muss man wohl da zwischen Kapitalanlegern und Eigennutzern unterscheiden.
Also den Eigennutzer, der in solch eine wie einen Schutzbunker anmutende Eckbebauung (lt. Architekten-Zeichnung) selber einziehen will und das nicht mal von der Steuer absetzen kann, glaube ich einfach nicht, dass es den gibt.
Ansonsten läuft hier einfach etwas gewaltig schief.
Es geht hier um Quadratmeter-Preise um die 4.000 Euro.
Und aktuell sind wohl nur 2 Wohnungen des “problematischen Projektes” reserviert und in Leipzig wohl über 700 Eigentumswohnungen sofort wesentlich preiswerter zu haben und weiterhin neu gebaut in diesem Preissegment wird ja weiter.
Also irgendwie ein ‘Luxus’-Problem der verschiedenen ‘Immobilien-Wirtschaften’.
Zum Preis habe ich da mal ein ‘Bild gemalt’ (mit MS Excel) 😉
Wenn ich eine Wohnung vermiete oder als Gewerberaum nutze, kann ich aktuell meine Kosten für den Erwerb über 50 Jahre von meinem zu versteuernden Einkommen absetzen,
so ein Neubau wird mit 100 Jahren Haltbarkeit angenommen.
Wie sich das so mit der Kaltmiete im Verhältnis zum Kaufpreis für einen Quadratmeter (ohne Berücksichtigung von Instandhaltung und Gemeinkosten etc.) verhält,
also ab welchem Kaltmiet-Quadrameter-Preis man mit der ‘Komplett-Rückzahlung’ des eingesetzten Geldes rechnen kann,
da geht es bei den derzeitigen Neubau-Mietpreisen nicht um langfristige Anlagen zum Wohle der Gemeinschaft,
sondern um kurzfristige Rendite, weil man zuerst ja mal das eingesetzte Geld zurückbekommen muss,
ehe der ‘Gewinnfall’ eintritt..
und das scheint mir sehr Zweifelhaft, dass da jemand investiert.
Insofern lieber Bäume drüber wachsen lassen, Birken wachsen auch in Dachrinnen,
Baumschutzsatzung (incl. Birken, Fledermäusen etc.) wieder aktivieren,
abwarten..
Mein Vergleich der Kaufpreise pro qm und der ‘Erwartungshaltung’ in Jahren und der dann dem entsprechenden Mindest-Kaltmieten:
Der ewige Lehramtsstudent Michael Weickert (13. Semester?), der in der CDU doch lieber eine Liga höher (Sächsischer Landtag) mitgespielt hätte, dem es aber berechtigter Weise an Zustimmung der Wähler mangelte, versucht einmal mehr, die Feindbildsprache der AfD zu kopieren.
Sicher ist, Gewalt bleibt Gewalt, egal, ob mit der linken oder rechten Faust zugeschlagen wird. Es wird Zeit, gewalttätige Verharmloser, die von “blutigen Nasen” sprechen, die sie anderen mal so locker zufügen wollen, wenn sie Brachen bebauen, um dringend benötigten Wohnraum zu errichten, die Strafverfolgung spüren zu lassen. Und deshalb kann es eben kein “No Cops!”-Areal geben. Auch das ist Feinbild-Sprache, die schon allzu oft zu Übergriffen auf den Polizeiposten in der Wiedebach-Passage geführt hat.
Auch in der aktuellen Stunde der Ratsversammlung hat sich Weickert ähnlich geäußert. Das ist möglicherweise beim Applaus der AfD etwas untergegangen.
Na das sind ja super Aussichten für den OBM-Wahlkampf. Statt über so dröge Sachthemen wie Kita- und Schulbau, ÖPNV- und Verkehrsentwicklung, Klimaschutz, Auenwald und Flughafen zu sprechen, können wir uns auf eine saftige Debatte über linken Terror aus Connewitz freuen.
Schöner Mist.