Kaum ein Beruf ist mit so viel Verantwortung verbunden wie jener der Lehrerin. Hinter verschlossenen Türen unterrichtet eine Person zahlreiche Menschen, die sich teilweise am Anfang der geistigen und körperlichen Entwicklung befinden, sowohl hinsichtlich fachlicher als auch sozialer Kompetenzen. Das Amtsgericht Leipzig hatte sich im Mai mit einem Fall zu befassen, in dem eine Lehrerin offenbar die falschen pädagogischen Mittel wählte.
Jessika Eisenberg, deren richtiger Name ein anderer ist, unterrichtete noch im vergangenen Jahr in einer Grundschule in Leipzig. Dort bekam sie es unter anderem mit dem neunjährigen Niklas zu tun (dessen Name ebenfalls geändert wurde). Nach Angaben der Lehrerin handelt es sich bei Niklas um einen talentierten, aber äußerst schwierigen Schüler, der sowohl die anderen Kinder als auch das Lehrpersonal immer wieder stört.
Im Umgang mit seinen Mitschülern sei er gewalttätig und tyrannisch. Eisenberg unterrichtete die Klasse in Musik, so auch an einem für sie verhängnisvollen Tag im Herbst 2018.
Vor Beginn des Unterrichts spielte Niklas im Klassenzimmer auf den Instrumenten, was die Lehrerin nach eigenen Angaben untersagt hatte. Deshalb animierte sie eine Schülerin – die Niklas angeblich häufig als Opfer wählte – dazu, dem kleinen „Tyrann“ mit Klebeband den Mund zuzukleben. Dieser habe das als Spaß aufgefasst, weshalb Eisenberg ebenfalls zum Klebeband griff und aktiv wurde. Am Ende hatte Niklas einen Streifen um den Kopf und einen um die Schultern gewickelt.
Eine kleine Lektion
Alle lachten – die Lehrerin, der Neunjährige, die anderen Schüler. Ein kleiner Spaß, der die Tyrannisierten ausnahmsweise mal zu den Überlegenen machte. „Ich wollte das Mädchen mal stärken; sie ist ansonsten unheimlich ängstlich.“ Eine pädagogische Maßnahme, wenn auch etwas über die Stränge geschlagen, wie Eisenberg vor Gericht zugab.
Doch Niklas hatte offenbar gar nicht so viel Spaß, wie es für Eisenberg den Anschein hatte. Er kündigte bereits wenige Minuten später an, die Lehrerin anzuzeigen, da er nach dem Abziehen Schmerzen empfunden und sich der Mundbereich gerötet habe. Eisenberg wurde kurz darauf aus dem Dienst entfernt.
Vor Gericht erschien sie gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter. Sie ist alleinerziehend, hat noch ein jüngeres Kind und ist mittlerweile aus Leipzig weggezogen, weil sie sich die Miete nicht mehr leisten kann. Immer wieder brach sie während der Verhandlung in Tränen aus und musste von ihrer Tochter getröstet werden. Je länger die Verhandlung dauerte, desto mehr entwickelte es sich zu einem Drama.
Anklage auch wegen Ladendiebstahls
Eisenberg war nicht nur wegen Körperverletzung angeklagt, sondern auch wegen mehrfachen Ladendiebstahls. Sie habe aus Geldmangel klauen müssen, aber auch um sich ausnahmsweise mal etwas zu leisten – als alleinerziehende Mutter, während die Väter mittlerweile große Karriere machten. Ihre Vorstrafen reichten offenbar mehr als ein Jahrzehnt zurück. Gerne würde sie eine Therapie beginnen, doch bislang landete sie nur auf Wartelisten für ein Erstgespräch.
Besonders gravierend: Eisenberg stand zur Tatzeit unter Bewährung. Wegen Straftaten, die bei anderen unter Umständen wegen Geringfügigkeit eingestellt würden, drohte ihr nun Gefängnis. Die Gerichtsverhandlung empfand sie laut eigener Aussage als Demütigung und die ständigen Belehrungen von der Richterbank waren nicht dazu geeignet, ihre Stimmung zu bessern.
Doch immerhin: „Es hilft Ihnen nichts, Sie jetzt einzusperren“, sagte die Richterin und verurteilte sie lediglich zu einer Bewährungsstrafe von vier Monaten. „Es darf jetzt aber nichts mehr vorkommen.“ Anderenfalls wäre eine Gefängnisstrafe wohl unausweichlich. Zudem bleibt abzuwarten, ob der Richter aus dem Prozess, aus dem die vorangegangene Bewährungsstrafe resultierte, die Bewährung widerruft.
Wegen des freundlichen Urteils im aktuellen Prozess könnte Eisenberg auch in diesem Fall mit einem halbwegs guten Ende rechnen. Noch vor Ort erklärten Staatsanwaltschaft und die ehemalige Lehrerin, auf Rechtsmittel zu verzichten. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Die Leipziger Zeitung Nr. 68 ist da: Game over! Keine Angst vor neuen Wegen
Die Leipziger Zeitung Nr. 68 ist da: Game over! Keine Angst vor neuen Wegen
Keine Kommentare bisher