Es ist nicht das erste, aber vielleicht das letzte Mal, dass der Staat den Fall Oury Jalloh zu den Akten legt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Sachsen-Anhalt hat die Ermittlungen eingestellt – so wie in den Jahren zuvor bereits die Behörden in Dessau und Halle. Private Initiativen und Medienberichte über die möglichen Umstände des Todes in einer Gefängniszelle hatten immer wieder neue Ermittlungen in Gang gesetzt. Zahlreiche Ungereimtheiten bleiben nun möglicherweise für immer ungeklärt.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Sachsen-Anhalt hat das Ermittlungsverfahren im Fall Oury Jalloh eingestellt. Das teilte die Behörde am Donnerstag, den 29. November, mit. Eine Beschwerde der Hinterbliebenen gegen die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft Halle am 12. Oktober 2017 wurde demnach als „unbegründet“ zurückgewiesen. Es bestehe kein Tatverdacht gegen Beamte des Polizeireviers Dessau oder andere Personen.

Der abgelehnte Asylbewerber aus Sierra Leone war am 7. Januar 2015 in einer Gewahrsamzelle gestorben. Nach offizieller Darstellung soll es ihm trotz Fesseln gelungen sein, seine Kleidung oder die Matratze mit einem Feuerzeug anzuzünden. Jalloh starb wegen der Verbrennungen. Der damalige Dienstgruppenleiter wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 90 Euro verurteilt. Er hatte den Feueralarm zunächst ignoriert.

Druck auf staatliche Behörden

Seit dem Tod des damals 36-Jährigen wurden zahlreiche Ungereimtheiten bekannt, darunter falsche Zeugenaussagen vor Gericht, vernichtete Beweismittel und ein Feuerzeug, das zunächst nicht in der Asservatenliste auftauchte. Die ermittelnden Behörden gingen dennoch davon aus, dass sich Jalloh selbst angezündet hatte. Ein von der Justiz beauftragtes Brandgutachten sollte alle anderen Möglichkeiten ignorieren.

Nachdem die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ selbst ein Brandgutachten angefertigt hatte, das die Mordthese stützte, leitete die Staatsanwaltschaft Dessau ein neues Ermittlungsverfahren ein.

Im November 2017 wurde bekannt, dass die Behörde nun davon ausgeht, dass Jalloh wahrscheinlich getötet wurde. Doch einige Monate zuvor hatte die Generalstaatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren an die Staatsanwaltschaft Halle übergeben. Diese stellte das Verfahren am 12. Oktober 2017 ein. Im Dezember 2017 setzte die Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen fort.

Kein Mordmotiv erkennbar

„Im Ergebnis der Prüfung haben sich keine beweisbaren Anhaltspunkte ergeben, die eine Entzündung der Matratze durch Ouri Jallow (abweichende Schreibweise im Original, Anm. d. Red.) ausschließen können und eine Entzündung durch Polizeibeamte oder durch Dritte belegen“, heißt es nun seitens Generalstaatsanwaltes Jürgen Konrad.

„Er ist an den Folgen eines inhalativen Hitzeschocks verstorben, den er – zumindest nicht widerlegbar – selbst herbeigeführt hat. Beweistatsachen für eine Fremdtötung des Ouri Jallow oder gar für ein Mordkomplott sind nicht vorhanden. Es mangelt sowohl an einem Motiv als auch an der zeitlichen Gelegenheit dafür.“

Ein mögliches Motiv hatte jedoch die Staatsanwaltschaft Dessau in ihren Akten genannt. So berichteten Medien über eine mögliche Vertuschung zweier früherer Todesfälle in dem Polizeirevier in Dessau. Die „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ teilte in einer Stellungnahme mit, dass die Einstellung „keine Überraschung, aber angesichts der vorliegenden Beweislast absolut nicht nachvollziehbar“ sei.

Bereits zu Beginn des Jahres hatte sie eine internationale Kommission gegründet, die den Tod des Mannes aus Sierra Leone unabhängig von staatlichen Behörden aufklären soll. Am 7. Januar 2019 soll in Dessau erneut eine Gedenkdemonstration stattfinden. 2018 hatte sich bei der jährlichen Veranstaltung mehrere tausend Menschen beteiligt – so viele wie nie zuvor.

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