Vor dem Landgericht begann am Mittwoch der Prozess gegen einen 33-Jährigen Mann, der im Februar seine Ehefrau in einer Bornaer Asylunterkunft erstochen haben soll. Zum Auftakt ließ der Syrer durch einen Sachverständigen sein Geständnis wiederholen.
Am 4. Februar 2018 gegen 21 Uhr rammte Ghassan T. seiner Ehefrau laut Anklageschrift im gemeinsam genutzten Zimmer in der Bornauer Asylunterkunft in voller Tötungsabsicht ein Messer in die linke obere Brusthälfte. Die 24-Jährige Nareen H. erlitt einen Herzdurchstich und Lungenverletzungen, starb trotz Wiederbelebungsversuchen wenig später an den Folgen des Angriffs.
Ghassan T. habe aus Eifersucht und Verlustängsten gehandelt, sich in vollem Bewusstsein zum Herrn über Leben und Tod aufgespielt, warf Staatsanwältin Katrin Minkus dem 33-Jährigen in der Anklage vor. Schon vorher habe er seine jüngere Gattin wiederholt bedroht.
Der Angeklagte selbst äußerte sich nicht zum Tatgeschehen. Stattdessen schilderte der forensische Psychiater Matthias Lammel seine Gespräche, die er vorab mit dem Beschuldigten geführt hatte.
Der Gutachter aus Berlin zeichnete dabei den Lebensweg des Syrers nach, der in der Stadt Kobane nahe der Grenze zur Türkei geboren wurde und in einem geordneten Umfeld aufwuchs. Auch mit Ausbruch des Krieges verblieb der gelernte Maler zunächst in seiner Heimat. Alles wurde ganz anders, als er 2013 durch eine Autoexplosion sein linkes Bein verlor. Im Frühjahr 2014 heiratete Ghassan T. eine jüngere Kurdin, etwa zwei Jahre später folgte die Flucht über Griechenland und den Umweg Portugal nach Deutschland.
Liebesaffäre als Auslöser?
Seit letztem Jahr soll das Opfer eine Affäre mit einem Kurden aus Borna gehabt und dies gegenüber Ghassan T. auch offen gesagt haben. Obwohl er ihr die Liaison aus Liebe verzieh, habe er das Problem nicht aus seinem Kopf bekommen. Die Spannungen hätten sich immer wieder in heftigen Streitereien des Ehepaares ein Ventil gesucht. Auch die Behinderung durch seinen Beinverlust soll indirekt eine Rolle gespielt haben.
„Du bist kein Mann mehr”
Am Abend der Tat habe sich ein Dialog mit seiner Frau hochgeschaukelt. Mit dem Vorwurf „Du bist kein Mann mehr” habe sie ihn provoziert und auf seine Todesdrohungen mit Lachen reagiert, sagte Ghassan T. gegenüber dem Gutachter aus. Daraufhin sei er im Rollstuhl zum Zimmernachbarn gefahren, habe sich dort ein Messer geholt und stach auf seine Frau ein. Er habe nur Ruhe haben wollen und ihren Tod nicht beabsichtigt.
„Er hat mit sich selbst geredet und sich geschlagen”
Ghassan T. selbst hörte den Ausführungen zunächst mit offenem Mund und starrem Blick zu, schien aber zuweilen kurz vor einem Emotionsausbruch. Mehrfach weinte er leise und ließ sich von seinem Anwalt Stefan Wirth Taschentücher reichen. Kurz nach der Tat saß der Angeklagte in seinem Rollstuhl, zitterte und redete mit sich selbst, auch Worte wie „Lasst mich sterben“ fielen dabei, erinnerte sich ein Bewohner der Unterkunft (20) im Zeugenstand. Der junge Mann hatte am Tatabend mit Freunden in der oberen Etage gespielt, als plötzlich Schreie zu hören waren und Hektik ausbrach. Kurz darauf sah er unten schon ein Messer und Blut auf dem Boden.
Das tragische Geschehen erinnert entfernt an einen Vorfall von 2017. Damals hatte ein Asylbewerber, ebenfalls aus Wut über eine vermeintliche Liebesbeziehung, auf seine hochschwangere Ehefrau eingestochen. Sie und das ungeborene Kind überlebten die Attacke nicht. Der geständige Täter wurde im Frühjahr zu lebenslanger Haft verurteilt. Wie in diesem Fall hatte das Ehepaar auch hier zwei Söhne. Die Kleinkinder (3 und 1,5 Jahre) wachsen nun elternlos in der Obhut des Jugendamts auf.
Der Prozess wird fortgesetzt.
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