Am Ende wandte sich der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf direkt zur Anklagebank: „Ich wäre neugierig, wie Sie es Ihrem Sohn erklären wollen, dass Sie für einige tausend Euro beinahe Menschen getötet hätten.“ Denis S. (29) hatte im Herbst 2017 absichtlich in seiner Meusdorfer Wohnung gezündelt und eine Explosion mit vier Schwerverletzten ausgelöst – Motiv: Geldgier.
Mehr als acht Monate nach der vorsätzlich herbeigeführten Sprengstoffexplosion in einem Mehrfamilienhaus im Barclayweg muss der Angeklagte Denis S. für dreizehn Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die 1. Strafkammer des Leipziger Landgerichts verurteilte den jungen Mann am Montag unter anderem wegen besonders schwerer Brandstiftung, fahrlässigem Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion, mehrfacher Körperverletzung und versuchten Betruges.
Denis S. hatte gestanden, am 7. Oktober 2017, einem Samstag, gegen 14 Uhr in seiner Dreiraumwohnung mit flüssigem Brandbeschleuniger hantiert zu haben, um die Räume in Flammen zu setzen und bei der Versicherung abzukassieren. Die massive Detonation führte allein am Gebäude zu 1,2 Millionen Euro Sachschaden, Fensterscheiben zerbarsten und Trümmerteile wurden aus dem Mauerwerk herausgeschleudert.
Nur durch Glück, so stellte es auch der Vorsitzende fest, gab es keine Todesopfer unter den Hausbewohnern. Vier von ihnen konnten sich allerdings nicht unversehrt retten. Eine Nachbarin (38), die im Prozess als Nebenklägerin auftrat, versuchte wegen des abgeschnittenen Fluchtwegs über den Balkon zu entkommen, stürzte in die Tiefe und zog sich schwere Verletzungen zu.
Wenige Tage nach dem dramatischen Vorfall machte Denis S. fast 44.000 Euro Schaden bei seiner Hausratversicherung geltend. Der Haftbefehl am 24. Oktober kam allerdings einer Auszahlung des Geldes zuvor.
Rechtlich kein Mordversuch
Im Prozess hatte der Angeklagte die Taten schriftlich gestanden und beteuert, das Geschehene zu bereuen. Er habe die Tragweite seines Handels nicht vorausgesehen, schrieb der 29-Jährige in einem Brief. Auch die Kammer nahm zumindest zu seinen Gunsten an, dass Denis S. selbst von der Wucht der Explosion überrascht wurde und insofern von keinem Tötungsvorsatz auszugehen sei.
Die 1. Strafkammer unter Vorsitz von Hans Jagenlauf (Mitte). Foto: Lucas BöhmeDie Anklage hatte das anders gesehen und in ihrem Plädoyer gar eine lebenslange Haftstrafe wegen zehnfachen Mordversuchs beantragt. Denis S. habe die Tat geplant, ein bestimmtes Zeitfenster ausgesucht und am Türschloss manipuliert, um einen Einbruch vorzutäuschen, sagte Staatsanwältin Karin Schultrich. Den Tod von zehn Menschen habe der arbeitslose Bäcker billigend einkalkuliert.
Dieser Wertung folgte das Gericht nicht, bescheinigte Denis S. aber nichtsdestotrotz ein gemeingefährliches Vorgehen und Habgier. Der Angeklagte sei ein Mann mit großen Plänen, von denen er letztlich aber wenig umsetze, und extremer Ich-Bezogenheit. Mit seinem Handeln habe er nicht über den Tellerrand geblickt, schätzte der Vorsitzende Richter Hans Jagenlauf ein. Selbst als seine Freundin zeitweise in den Fokus der Ermittler geriet, habe das Denis S. keinesfalls dazu gebracht, mit einem Geständnis einzulenken.
Verteidiger: „Die Höhe ist sportlich“
Sein Anwalt Stephan Bonell zeigte sich mit der rechtlichen Würdigung der Tat zufrieden, kritisierte jedoch das Strafmaß: „Die Höhe ist sportlich.“ Er hielt sich die Möglichkeit einer Revision gegen das Urteil offen. In seinem Plädoyer hatte der Verteidiger auf sieben Jahre hinausgewollt. Sein Mandant sei, so sagte er auf L-IZ-Nachfrage, „innerlich geschockt“ über die Höhe der Sanktion, jedoch erleichtert, dass er nicht wegen Mordes oder Mordversuchs schuldig gesprochen wurde.
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