Nach fünf schleppenden Terminen nimmt der Prozess um den versuchten Mord an einem jungen Mann in Torgau Fahrt auf: Der mutmaßliche Täter sagte am Donnerstag erstmalig aus, später wurde er von einem Kumpel belastet.
Nervös und fahrig wirkte Kenneth E. (43), als er am Donnerstag in den Gerichtssaal geführt wurde und neben seinem Anwalt Platz nahm. Wie berichtet, soll der Mann am frühen Morgen des 7. Juli 2017 auf dem Torgauer Marktplatz auf einen 21-Jährigen Syrer geschossen haben, der den Angriff durch eine Not-OP knapp überlebte. Der Attacke gingen mutmaßlich heftige Auseinandersetzungen zwischen einer Gruppe von Deutschen und Migranten voraus.
Nach langer Stille äußerte sich Kenneth E. nun persönlich zum Tatvorwurf. Über drei Stunden lang sprach der 43-Jährige vor der 1. Strafkammer über persönliche Hintergründe, thematisierte seine Drogensucht, gesundheitliche Schwierigkeiten. Seine Kernbotschaft zur Tatnacht war eindeutig: „Ich bin niemals auf diesem Markt gewesen in dieser Nacht“, beteuerte er. Er habe zwar ein Knallen vernommen, aber nichts gesehen, aufgrund einer Fußverletzung habe er kaum laufen können. Spekulationen über vermeintlichen Fremdenhass verbat er sich: „Ich habe mit Ausländerfeindlichkeit nichts zu tun.“
Für die bei ihm gefundenen Flaschen mit Bildern von NS-Größen, die nicht so recht zu dieser Aussage passen, bot Kenneth E. eine ganz eigene Erklärung: Die Ein-Euro-Devotionalien vom Flohmarkt seien als Geschenke für seine Schwiegereltern gedacht gewesen, die seit Jahren zur NPD-Wählerschaft zählten.
Angst vor dem Angeklagten?
Während Zeuge Stefan L. (32), der bei der Schießerei selbst zugegen war, in seiner Aussage denkbar vage blieb und Kenneth E. nicht eindeutig als Schützen ausmachen wollte, wurde Anton G. (28) schon konkreter: „Ich gehe davon aus, dass er geschossen hat, weil er hinter mir stand“, sagte der junge Mann. Er und der Angeklagte kannten sich bereits seit einer gemeinsam verbüßten Haftstrafe, kamen nach eigenem Vernehmen stets gut miteinander aus.
Später nahm Anton G. den Beschuldigten sogar bei sich auf, da der sich durch eine drogenbedingte Psychose offenbar nicht in seine Wohnung traute. Zuweilen habe Kenneth E. eine regelrechte Panik vor angeblichen Tieren entwickelt, die ihn in den eigenen vier Wänden angreifen.
Laut Anton G. war es in der Tatnacht zu einer Konfrontation zwischen ihm und drei Kumpanen sowie einem Trio von Ausländern gekommen, von denen besonders einer „Stunk gemacht“ hätte. Nach einem verbalen Schlagabtausch und Schubsereien sei Kenneth E. dazugekommen, habe zweimal geschossen, zusammen sei man dann schnell in die Wohnung des Zeugen zurückgekehrt. Dass es sich nicht nur um eine Schreckschusswaffe handelte und ein Mensch beinahe gestorben wäre, will der Zeuge erst später erfahren haben.
Vor der Polizei und dem Ermittlungsrichter hatte sich Anton G. noch bedeckt gehalten: Er kenne den Täter, habe aber Angst, dass die Person ihm etwas antue. Vom Vorsitzenden Richter Hans Jagenlauf darauf angesprochen, sagte er, er wisse, warum Kenneth E. schon einmal in Haft gewesen sei. Der Angeklagte selbst sprach von einer mehr als achtzehnjährigen Gefängnisstrafe, die er wegen Mordes absaß. Details dazu waren von der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage nicht zu erfahren.
Die widersprüchlichen Aussagen des mutmaßlichen Täters auf der Anklagebank und seines Kumpels, der ihn auf dem Markt gesehen haben will, deuten schon auf einen langwierigen Prozess. Erschwerend kommt hinzu, dass der angeschossene Syrer den Urheber des Angriffs nicht eindeutig wiedererkannte.
Die für Donnerstag geplante Vernehmung von zwei weiteren Zeugen verschob das Gericht aus Zeitgründen nach hinten, zugleich wurden neue Verhandlungstermine bis 22. August festgelegt.
Die nächste Sitzung soll am 4. Juni stattfinden.
Prozessauftakt um versuchten Mord auf Torgauer Marktplatz
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