Was für ein Eiertanz. „Anzahl der Rauschgiftdelikte gestiegen“, meldete das Sächsische Innenministerium am 23. März im Zusammenhang mit den Zahlen zur „Polizeilichen Kriminalstatistik 2017“. Da freute sich Innenminister Roland Wöller einerseits über die gesunkene Zahl der Wohnungseinbrüche. Andererseits gab es diese seltsame Meldung zur Rauschgiftkriminalität.
„Im Jahr 2017 ist die Anzahl der Rauschgiftdelikte auf 12.207 gestiegen. Das ist ein Plus von 24,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2016: 9.819)“, behauptete das Innenministerium einfach mal. „Etwa jede vierte Straftat ist ein Verstoß wegen des Handels mit oder des Schmuggels von Betäubungsmitteln. Während die Fallzahlen bei Crystal nahezu konstant blieben, stieg insbesondere die Feststellung von illegalen Cannabisprodukten, wie Marihuana oder Haschisch.“
Aber die Behauptung ist schlichtweg falsch. Tatsächlich hätte der Satz lauten müssen: Die Polizei hat mehr Rauschgiftdelikte aufgetan, weil sie mehr kontrolliert hat.
Denn: „Die höhere Zahl der im vergangenen Jahr registrierten Straftaten ist auch durch eine höhere Kontrolldichte der Polizei zu erklären. Im Fokus stehen dabei Händler- und Schmugglerstrukturen. Statistisch erfasst werden nur Delikte, die angezeigt oder von der Polizei durch Kontrollen entdeckt worden sind. Eine sogenannte „Dunkelfeldstudie“ zum Thema Crystal soll der sächsischen Polizei deshalb zusätzliche Informationen zu Herstellung, Verbreitung und Konsum der Droge Crystal liefern. Die auf zwölf Monate angelegte Untersuchung wird von der Hochschule der sächsischen Polizei durchgeführt und soll noch im ersten Halbjahr 2018 starten.“
Entsprechend anders gelagert war dann auch die Kommentierung durch die Politik.
Valentin Lippmann, der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion zum Beispiel, meinte: „Besorgniserregend ist der starke Anstieg der Anzahl der festgestellten Rauschgiftdelikte. Auch wenn dieser offenbar auf verstärkte Kontrollen zurückzuführen ist, muss die Bekämpfung des Crystal-Konsums auch vor dem Hintergrund der schweren Folgen ein neuer Schwerpunkt bei der Polizei werden. Hier haben wir Grünen erst im letzten Plenum eine bessere personelle und technische Ausstattung der Polizei gefordert.“
Denn nicht der „starke Anstieg“ ist ja besorgniserregend. Der kommt ja nur durch den erhöhten Verfolgungsdruck zustande. Besorgniserregend ist eher die Existenz des Rauschgiftkonsums selbst – und dort vor allem der harten Drogen. Was ja bedeutet, dass es in Sachsen viele Konsumenten gibt. Erst der Bedarf schafft den Markt. Und der Bedarf entsteht durch Abhängigkeiten, durch die simple Tatsache, dass viele junge Menschen trotz aller Warnungen Drogen verfallen. Und das kann man mit Kontrollen nicht bekämpfen. Das braucht bessere Prävention.
Selbst der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Hartmann, sieht das Problem: „Einerseits ist dies Ausdruck des hohen Fahndungsdrucks der Polizei. Andererseits ist der enorme Anstieg ein klares Alarmsignal. Wir müssen unsere Ansätze zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität überprüfen und vielleicht auch neue Wege gehen. Dabei gilt es insbesondere präventive Ansätze zu stärken. Dies kann die Polizei jedoch nicht allein leisten.“
Was schon erstaunlich ist, wo doch der letzte Innenminister so begeistert von neuen Kontrollbereichen war, wo er den polizeilichen Kontrolldruck verstärken konnte.
Augenscheinlich ist jetzt auch in der Staatsregierung so langsam ein Umdenken im Gang. Die Präventionsabteilungen bei der Polizei waren ja die allerersten, die ab 2011 dem Spardiktat des damaligen Innenministers geopfert wurden. Ein Bereich, wo man eben keine statistischen Erfolge feiert, weil man vor Drogen bewahrte Jugendliche nicht zählen kann.
Nur das Fehlen dieser Prävention wird sichtbar, wenn auf einmal die Zahl der Drogenkonsumenten steigt. Was so „soft“ und verzichtbar aussieht, erweist sich meist gerade dann als wichtig, wenn es fehlt.
Dann macht just die Statistik sichtbar, was man mit der ganzen Sparorgie eigentlich für Unfug angestellt hat.
Oder mit den Worten von Enrico Stange, dem innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion im Landtag: „Die Zahl der Rauschgiftdelikte ist gestiegen. Die erhöhte Kontrolldichte treibt hier die Statistik. Allerdings wurden bei Komplexkontrollen vor allem Delikte im Bereich von Kleinkonsumenten und Kleinstdealer festgestellt. Während mehr Cannabisdelikte registriert wurden, blieb die Deliktszahl im Bereich Crystal konstant. Das zeigt: Anstatt Kleinkonsumenten zu kriminalisieren, müssen wir die organisierte Kriminalität ins Visier nehmen. Bei der Bekämpfung der Produktions- und Händlerstrukturen gibt es offenbar keine namhaften Erfolge.“
Und was sagt die SPD, die ja immerhin geschafft hat, die CDU zur Beendigung des Personalabbau-Programms bei der Polizei zu bewegen?
Für Albrecht Pallas, deren innenpolitischen Sprecher, bestätigt die Kriminalitätsstatistik diesen Kurs. Und auch ihm ist es wichtig, dass es wieder flächendeckend Präventionsangebote gibt. Pallas verwies dabei unter anderem auf die gestiegene Zahl von festgestellten Rauschgiftdelikten. „Die angekündigte Dunkelfeldstudie wird hier helfen, weitere Fortschritte bei der Verfolgung zu erzielen.“
Denn wer nicht wirklich weiß, wie sich die Konsumentenstruktur zusammensetzt, der kann auch keine passgenauen Präventionsangebote schmieden – wozu übrigens auch die der betroffenen Kommunen gehören. Mittlerweile ist das Bewusstsein gewachsen, dass man hier endlich vorsorgend tätig werden muss. Denn die jungen Menschen, die erst einmal in einer Drogenkarriere feststecken, sind später kaum noch für eine Entziehung erreichbar. Das Thema wurde viel zu lange nur als ein mit Polizeikontrollen zu lösendes betrachtet.
Höchste Zeit, diese falsche Politik zu beenden und aufzuhören, den Sachsen zu erzählen, die Polizei könne korrigieren, was vorher in der Prävention nicht geschehen ist.
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