„Die Zahl der Straftaten im Freistaat Sachsen ist im vergangenen Jahr gesunken. Insgesamt wurden 323.136 Fälle registriert. Das ist ein Rückgang von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, meldete das Innenministerium am 23. März. Jetzt hat auch die Polizeidirektion Leipzig die Zahlen für Leipzig vorgelegt. Und man kommt ins Grübeln über die ganzen polizeilichen Zahlenspielereien. Denn danach wäre die Stadt Leipzig ganz allein für den Rückgang verantwortlich.
Denn die 0,5 Prozent bedeuten genau 1.600 registrierte Fälle. In der Stadt Leipzig aber ging die Zahl der von der Polizei registrierten Straftaten von 88.615 auf 79.383 zurück, fiel also um satte 10,4 Prozent.
Das ist selbst für Leipzig, dem 2016 ein rasant wachsendes Kriminalitätsniveau bescheinigt wurde, ein enormer Wert. Tatsächlich fiel die Fallzahl etwa wieder auf das Niveau von 2014 zurück. Da waren es 79.235 registrierte Fälle. Immer mit Betonung auf „registrierte“. Denn die Polizei zählt nur, was auch angezeigt wurde oder was sie bei Kontrollen selbst „erwischt“ hat.
Sie zählt es übrigens auch nicht wirklich jahrgangkorrekt. Ein Faktum, das diverse Landtagsanfragen ergaben, denn bei der deutlichen Unterbesetzung der Polizei im Freistaat entsteht auch nach wie vor ein Bearbeitungsstau, der viele Fälle in das nächste Berichtsjahr verschiebt, die eigentlich noch im alten Jahr passiert sind.
Als Beispiel fügen wir hier einfach das Ergebnis aus der Februar-Anfrage des Landtagsabgeordneten Enrico Stange (Linke) ein. Mit über 21.700 offenen Vorgängen entfiel auch im Februar 2017 noch ein Drittel aller offenen Vorgänge in Sachsen auf die Polizei-Direktion Leipzig. Man hat zwar 2017 einiges von dem aufgeholt, was 2015 und 2016 liegenblieb, aber man schiebt trotzdem noch den größten Berg von unbeendeten Fällen vor sich her.
Das fällt auch in der Leipziger Statistik auf. Denn 2015 fielen die gezählten Fälle unverhofft auf einen Wert von 73.614 – also rund 5.400 weniger als im Vorjahr. 2016 schnellten sie dann auf die Rekordzahl von 88.615 hinauf. Als wäre Leipzig 2016 auf einmal zum Treffpunkt aller Kriminellen aus dem Bundesgebiet geworden. Aber 2015 war auch nicht zufällig das Jahr mit der schlechtesten Personalbesetzung in der Polizeidirektion Leipzig, verschärft durch eine sich durchs ganze Jahr ziehende Demonstrationskette, die die Polizisten an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit brachte.
Also wurde die Bearbeitung vieler Fälle logischerweise ins nächste Jahr und damit auch in den nächsten Berichtszeitraum verschoben. Wenn man das rechnerisch nivelliert, blieb das Leipziger Kriminalitätsniveau seit 2014 tatsächlich konstant.
Konstant hoch im Sachsenvergleich. Der Schnitt liegt bei 80.000 registrierten Fällen pro Jahr. Zu viel, keine Frage. Aber gerade da wird die Rolle Leipzigs als Großstadt und als ein Hauptumschlagplatz für Drogen sichtbar.
Denn Drogenkriminalität ist hier ein Problem. Und es hat sich nicht wirklich gemildert. Auch wenn man auch hier konstatieren muss: Drogenkriminalität ist eine Kriminalitätsart, die vor allem durch verstärkten Kontrolldruck zutage kommt.
„Mit 3.315 Fällen waren im Jahr 2017 insgesamt 863 Fälle mehr als im Vorjahreszeitraum festzustellen (+35,2 Prozent). Die Zunahme entfiel maßgeblich auf die Betäubungsmittel Cannabis und Zubereitungen“, beschreibt die Leipziger Polizei das Phänomen im Direktionsbezirk. „Das verstärkte Auftreten erklärt sich unter anderem dadurch, dass Cannabis als sogenannter ‚Down‘ nach vorangegangenem Methamphetaminkonsum Verwendung findet. Insgesamt fünf Rauschgifttote und die wiederum hohen Sicherstellungsmengen verdeutlichen den polizeilichen Handlungsbedarf – zumal das Deliktsfeld der Kontrollkriminalität zuzuordnen ist und hierfür seit längerer Zeit deutlich höhere Personalressourcen erforderlich erscheinen, um dem Entstehen einer sog. offenen Szene an Schwerpunkten vorzubeugen.“
Gegen den sachsenweiten Trend sind denn auch die Deliktzahlen im Umgang mit Amphetamin/Methamphetamin von 626 auf 725 registrierte Fälle gestiegen. Was sichtlich ein Problem im sogenannten „Bahnhofsviertel“ ist. Der Verfolgungs- und Kontrolldruck der Polizei zeigt auch nach der zunehmenden Verstärkung nicht wirklich Effekte, außer dass mehr kleine Dealer ins Netz gehen. Aber das ersetzt – wie ja schon die sächsische Polizeistatistik zeigte – keine professionelle Prävention.
Und dass deren Fehlen teuer wird für die Bürger der Stadt, das hat sich ja herumgesprochen. Denn ein großer Teil der Beschaffungskriminalität hat Drogenmissbrauch als Ursache – das betrifft die weiter angestiegene Zahl von Einbrüchen in Boden/Keller/Waschküchen (von 7.933 auf 8.268) und insbesondere den Fahrraddiebstahl, wo die registrierten Diebstähle von 9.642 auf 10.027 gestiegen sind.
Dafür ging – durch erhöhten Aufklärungsdruck – das Mega-Thema von 2017 zurück: die Wohnungseinbrüche. Statt 2.179 solcher Einbrüche wurden nur noch 1.917 gezählt. Aber an der Gesamtdiebstahlssituation hat das nicht allzu viel verändert.
Zum Fahrraddiebstahl kommen wir morgen.
Zurück in die Zukunft oder doch lieber endlich drüber reden? – Die neue LZ Nr. 53 ist da
Keine Kommentare bisher