Weil er rechtswidrig ein Video verbreitet haben soll, in dem eine Polizeibeamtin zu sehen ist, musste der Journalist Marco Santos in der vergangenen Woche vor Gericht erscheinen. Das Verfahren endete mit einem Freispruch. Es erregte jedoch viel Aufmerksamkeit, da die Anzeige erst auf eine Beschwerde über das Verhalten der gefilmten Polizistin folgte. Im Hintergrund geht es auch um die Arbeit der Beschwerdestelle der Polizei. Nun hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.

Die Staatsanwaltschaft Leipzig hat im Strafverfahren gegen den Journalisten Marco Santos Berufung gegen den Freispruch eingelegt. Dies teilte der Angeklagte am Freitagmittag auf seinem Twitteraccount mit. Das Amtsgericht Leipzig bestätigte den Sachverhalt auf Anfrage der L-IZ.

Santos hatte am 21. August 2016 eine Demonstration in Heidenau begleitet. Am Rande kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit einer Polizeibeamtin, die sich währenddessen und im Anschluss geweigert haben soll, ihren Dienstausweis ordnungsgemäß zu zeigen. Santos meldete den Vorfall bei der zentralen Beschwerdestelle der sächsischen Polizei und fügte einen Link zu einem auf Youtube hochgeladenen Video bei. Dieses war nur für Inhaber des Links abrufbar. Die darin in Nahaufnahme abgebildete Beamten zeigte Santos daraufhin wegen Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz an.

Während der Hauptverhandlung am Amtsgericht in der vergangenen Woche argumentierte die Staatsanwaltschaft, dass bereits das Verschicken des Links an die Beschwerdestelle eine strafbare Weiterverbreitung dargestellt habe, und forderte eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 Euro. Das Gericht widersprach dieser Darstellung jedoch: Zu Beweiszwecken seien Anfertigung und Versand des Videos gerechtfertigt gewesen. Über die Berufung muss nun das Landgericht entscheiden.

Das Verfahren erregte viel Aufmerksamkeit, da ein Beschwerdeführer letztlich selbst mit einer Strafanzeige konfrontiert wurde. Laut Innenministerium war es das erste Mal seit Einführung der Beschwerdestelle vor zwei Jahren, dass solche Ermittlungen vor Gericht landeten. In zwei anderen Fällen wurden die Ermittlungen gegen die Beschwerdeführer eingestellt.

Insgesamt sind bislang etwa 400 Beschwerden eingegangen, von denen etwa 100 als vollständig oder teilweise begründet eingestuft wurden. Dienstrechtliche Konsequenzen gab es jedoch noch nicht. Die Beschwerde des Journalisten Santos wurde als unbegründet verworfen, da sich die Polizistin nach eigenen Angaben ordnungsgemäß ausgewiesen hätte. Vertreter der Linkspartei und der Polizeigewerkschaft kritisieren seit der Einführung, dass die Beschwerdestelle beim sächsischen Innenministerium angesiedelt ist und daher nicht unabhängig sei.

Beschwerde, Anzeige, Freispruch: Videoaufnahme einer Polizistin bleibt ohne Konsequenzen

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