Erst soll es ein Messer gewesen sein, dann eine E-Zigarette und nun ein Kugelschreiber mit Alumantel – im Berufungsprozess gegen einen Legida-Anhänger, der Antifaschisten im Hauptbahnhof bedrängt hatte, deutet sich eine mildere Strafe an. Am Amtsgericht war der 46-jährige Kevin D. vor einem halben Jahr zu acht Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Mittlerweile gibt er aber zumindest zu, Pfefferspray gegen Legida-Gegner eingesetzt zu haben.

Am Landgericht Leipzig hat am Mittwoch, den 7. November, der Berufungsprozess gegen einen Legida-Sympathisanten begonnen, der Antifaschisten mit einem Messer genötigt haben soll. Im April hatte das Amtsgericht den mittlerweile 46-jährigen Kevin D. zu acht Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt.

Amtsrichter Stefan Blaschke war davon überzeugt, dass D. am 20. Oktober 2015 eine vom Pegida-Gegenprotest heimkehrende Gruppe im Leipziger Hauptbahnhof mit einem Messer bedrängt und „Verpisst euch“ gerufen hatte. Ein Journalist hatte den Vorfall in einem Video festgehalten. Mehrere Opfer bestätigten diese Sichtweise vor Gericht. Zudem wurde D. für eine Pfefferspray-Attacke am Rande einer Legida-Demonstration verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte lediglich eine Bewährungsstrafe gefordert.

Nun deutet sich jedoch eine Wende an. Nach Aussage des Angeklagten handelte es sich bei dem fraglichen Gegenstand nicht um ein Messer, sondern um einen sogenannten Tactical Pen; einen Kugelschreiber, der wegen seiner Aluminiumhülle gleichzeitig als Waffe und Glasbrecher geeignet ist.

In der ersten Instanz hatte Strafverteidiger Arndt Hohnstädter noch geäußert, dass es sich bei dem Gegenstand um eine E-Zigarette gehandelt haben könnte. Warum sein Mandant bis zur Berufungsverhandlung mit der „Korrektur“ wartete, blieb offen.

Im Gegensatz zu Amtsrichter Blaschke, der im Video definitiv ein Messer erkannt haben wollte, äußerte der Vorsitzende Richter am Landgericht, Bernd Gicklhorn, deutliche Zweifel: „Ich erkenne kein Messer.“ Er deutete deshalb eine Einstellung des Verfahrens an. Seiner Ansicht nach wäre lediglich eine Verurteilung wegen Beleidigung in Betracht gekommen – allerdings lag hierzu kein Strafantrag eines Betroffenen vor. Zwei Zeugen bekräftigten unterdessen ihre Wahrnehmung, dass es sich um ein Messer gehandelt habe.

Bezüglich der Pfefferspray-Attacke legte D. hingegen ein Geständnis ab. Wegen früherer Angriffe auf Legida-Teilnehmer habe er dieses dabei gehabt und – nachdem einige Gegendemonstranten über Absperrgitter geklettert seien – zum eigenen Schutz auch eingesetzt. Ein anwesender Polizeiobermeister schloss allerdings aus, dass Personen an der von D. beschrieben Stelle über Absperrgitter geklettert sind.

Da nicht alle Zeugen gehört werden konnten, muss die Verhandlung am 7. Dezember fortgesetzt werden. Dann soll unter anderem der Journalist aussagen, der das Video angefertigt hatte. In erster Instanz hatte er ebenfalls geäußert, ein Messer gesehen zu haben.

Im Publikum waren erneut einige Unterstützer des Angeklagten. Einer von ihnen bezeichnete einen Zeugen deutlich hörbar als „Schisser“, weil dieser dem Richter seinen Personalausweis vorlegte, anstatt seine Adresse laut anzusagen. Zudem berichteten mehrere Personen übereinstimmend, dass ein Unterstützer andere Anwesende fotografiert habe. Da dieser zum Zeitpunkt, an dem der Vorwurf bekannt wurde, bereits verschwunden war, gab es keine direkten Konsequenzen.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

René Loch über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar