Da wird Klaus Bartl, der verfassungs- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, erst einmal zu grübeln haben, wenn er die Antworten des Justizministers auf seine Anfrage zum Fall Jaber Albakr liest. Denn eigentlich hatte Sachsens Justiz die Untersuchung dieses Selbstmords in der JVA Leipzig ja schon beendet. Ein „Monitor“-Beitrag aber hat alles wieder aufgerührt. Obwohl ja eigentlich nichts dran war.

So zumindest die Auskunft von Justizminister Sebastian Gemkow: „Die in der Sendung aufgeführten, vermeintlich neuen Umstände und Sachverhalte waren der verfahrensbearbeitenden Staatsanwaltschaft bekannt, wurden umfassend untersucht und konnten durch die geführten Ermittlungen ausgeschlossen werden bzw. haben sich nicht bestätigt.“

Woher also der Vorwurf der WDR-Sendung? Augenscheinlich ist man dort an Teile der Ermittlungsakten gekommen. In denen sichtlich auch viele Dinge standen, die die Staatsregierung lieber nicht öffentlich gemacht hat. Nach Sebastian Gemkow wurden diese Dinge untersucht und als nicht relevant eingestuft.

Der Beitrag für „Monitor“ am 24. August 2017 hat diese Dinge aber anders gewertet und entsprechend dramatisiert. Bis hin zum Vorwurf, „ob seitens der JVA Leipzig der Selbstmord Albakr’s forciert worden sei.“

Das eigentliche Problem wird in der Antwort von Sebastian Gemkow nur gestreift.

„Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Leipzig gegen den stellvertretenden Anstaltsleiter und die Psychologin der Justizvollzugsanstalt Leipzig wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen wurde mit Verfügung vom 9. Juni 2017 gemäß S 170 Abs. 2 Strafprozessordung (SIPO) eingestellt, da gegen die Beschuldigten kein hinreichender Tatverdacht besteht. Dies beruht im Wesentlichen auf nachfolgenden Erwägungen“, betont Gemkow. „Für die strafrechtliche Beurteilung eines Fahrlässigkeitsdelikts ist auf die objektive Voraussehbarkeit abzustellen, die vorliegt, wenn der konkrete Erfolg und der Kausalverlauf in seinen wesentlichen Zügen für einen besonnenen und umsichtigen Menschen aus dem Verkehrskreis des Täters nicht gänzlich außerhalb der Lebenserfahrung liegt. Daran gemessen, liegen Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Einschätzung der Suizidalität des Betroffenen durch die Psychologin der Justizvollzugsanstalt Leipzig nicht vor.“

Dass ein Mann, der augenscheinlich die Absicht hatte, ein Selbstmordattentat durchzuführen, ganz bestimmt kein „besonnener und umsichtiger Mensch“ ist, dürfte auf der Hand liegen.

Es ist gut möglich, dass die Psychologin, an der nun alles hängt, das nicht einschätzen konnte. Von einem Zweitgutachter ist ja keine Rede. Von einem Dolmetscher auch nicht. Wie hat sie sich eigentlich mit dem Syrer unterhalten? In seiner Heimatsprache bestimmt nicht. War ein Dolmetscher dabei?

Nichts davon kann man in der Antwort lesen.

Der Vorwurf der „fahrlässigen Tötung“ bleibt im Raum stehen. Aber nicht, weil die Psychologin vielleicht ihr Handwerk nicht beherrscht, sondern weil Jaber Albakr augenscheinlich nicht wie ein brisanter Gefangener behandelt wurde, auf den man besonders aufpassen musste. Eben weil er weder ein „besonnener“ Gefangener war, noch dass irgendetwas über den „Verkehrskreis des Täters“ bekannt war. Die diensthabende Psychologin hatte über beides keine Angaben. Deswegen hatte sie auch keine Anhaltspunkte dafür, ob dieser Gefangene eventuell suizidgefährdet sein könnte.

Logisch, dass dann auch der Gutachter, der ihre Aufzeichnungen überprüft hat, keine Anhaltspunkte findet. „Dieser kam zu dem Ergebnis, dass im Fall des Betroffenen nicht auf eine konkrete Suizidgefahr zu schließen war. Mithin lagen keine Tatsachen vor, die eine Anordnung einer Sitzwache oder einer Fesselung des Betroffenen durch die Beschuldigte zwingend gerechtfertigt hätten.“

Augenscheinlich haben ganz andere Informationsketten versagt. So, wie die Polizei schon bei der Festnahme Albakrs versagte. Und dass dieses Loch unübersehbar ist, ist mittlerweile auch im Justizministerium klar geworden. Auch wenn das noch nicht bedeutet, dass man wirklich ernsthaft herausfinden möchte, wer nun wirklich fahrlässig gehandelt hat.

Denn um diese Frage geht es die ganze Zeit. Wer einen Attentäter befragen und vor Gericht bringen will und weiß, dass er vorher ein Selbstmordattentat geplant hat, der muss diese Informationen weitergeben und dafür sorgen, dass in der Untersuchungshaft nichts passiert.

Und der Verdacht liegt auf dem Tisch. Genau das scheint nicht passiert zu sein.

Ergebnis: Die Staatsanwaltschaft muss noch einmal ran. Oder mit den Worten von Sebastian Gemkow: „Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zum Nachteil von Jaber Albakr zwischenzeitlich wieder aufgenommen wurde. Die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens steht aber in keinem Zusammenhang mit den in der Sendung erhobenen Vorwürfen.“

Die Antwort von Justizminister Sebastian Gemkow. Drs. 10530

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