Letztlich war es nach dem deutlichen Strafmaß zu erwarten gewesen, dass eine zweite Runde des Prozesses vor dem Landgericht Leipzig folgen würde. Der Beschuldigte Thomas K. war immerhin am 18. September 2017 vor dem Amtsgericht zu zwei Jahren und vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Eine Strafe für den Vorwurf einer Attacke mit Buttersäure und Steinen auf die damalige Wohnung von Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) im Leipziger Süden, welche Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht gefiel. Beide Seiten haben nun Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Die Ausgangslage für den – nach dem Ausscheiden eines weiteren Angeklagten – letzten Tatverdächtigen Thomas K. bei dem noch nicht terminierten zweiten Prozess vor dem Landgericht: Für seine DNA an einer Verpackung, in der offenbar die Christbaumkugeln mit Buttersäure transportiert worden waren, gab es aus Sicht des Gerichts keine plausible Alternativerklärung. Diese Christbaumkugeln und mindestens 12 Steine waren in der Nacht des 24. November 2015 auf die Fenster der Privatwohnung von Sachsen Justizminister Sebastian Gemkow geworfen worden. Trotz Sicherheitsfolie hatten zwei davon die Scheiben durchschlagen, so dass die Buttersäure eindringen und die Wohnung unbewohnbar machen konnte.
Die glatte Oberfläche der gefundenen Verpackung bot aus Sicht eines Gutachters für eine zufällige Kontamination eine schlechte Grundlage, blieben also K.s DNA-Spuren als Beweis. Zudem wohnt Thomas K. nicht in der Gegend von Gemkows Ex-Wohnung in der Südvorstadt, eine alternative Erklärung, wie seine DNA an die Verpackung am Tatort kommen konnte, gab es aus Sicht des Amtsgerichtes nicht.
„Das Gericht kann nicht jede gedankliche Möglichkeit an die Stelle dieser Erklärung setzen, um zu sagen, er hat mit der Sache nichts zu tun. Ansonsten wird jede DNA-Spur ad absurdum geführt“, hatte die Vorsitzende Richterin Ute Fritsch zum schlagkräftigsten Beweis gegen Thomas K. am Ende des ersten Prozesses ausgeführt.
Dass der Fall komplexer ist, wurde bereits vor dem Amtsgericht deutlich. So ist bis heute nicht abschließend klar, ob der Angriff von bis zu neun von Zeugen wahrgenommenen Personen nicht eher dem damals noch direkt nebenan befindlichen linken Szeneversand als der Wohnung Gemkows galt. Thomas K.s Verteidigung zur Frage, ob Gemkow nicht doch gemeint gewesen sei, ließ ebenfalls aufhorchen: Gegenüber der Polizei und seinem Anwalt hatte der Angeklagte geltend gemacht, nie etwas gegen Gemkow haben zu können. Schließlich sei der 39-jährige Leipziger CDU-Minister mit einem Kampfsporttrainer befreundet, der auch zum Bekanntenkreis des einschlägig bekannten rechten Hooligans aus dem Lokomotive Leipzig Umfeld gehört.
In seiner Aussage hatte Sebsatian Gemkow seine Verbindung zu dem Kampfsporttrainer, mit dem er zusammen studiert und sich bis zur Übernahme des Justizressorts 2014 eine Leipziger Anwaltskanzlei geteilt habe, bestätigt.
Was jedoch den linken Szeneversand als eigentliches Angriffsziel nur plausibler machte, weshalb Thomas K.s Strafverteidiger Mario Thomas den Verdacht entsprechend in eine andere politische Richtung zu lenken suchte. „Eklatante Ermittlungsfehler“ des „Operativen Abwehrzentrums“ (OAZ), das die Ermittlungen im Fall Gemkow geführt hatte, hätten unter anderem dazu geführt, dass eine Spur nach Connewitz nicht verfolgt worden sei.
Ein Fährtenhund hatte noch in der Tatnacht eine Geruchsspur der mutmaßlichen Angreifer aufgenommen, die bis zu einem Wohnhaus in der Biedermannstraße führte, wo auch ein als linker Gewalttäter bekannter Mann gemeldet sei, so die Darstellung Thomas. Eine Prüfung von dessen Alibi – er will in der Tatnacht mit einem Freund gearbeitet haben – sei bislang nicht erfolgt, monierte Thomas. Die Hundeführerin der Polizei (47) erinnerte sich als Zeugin aber, das Tier habe sich nicht direkt an die fragliche Haustür heranbewegt. Das legt eher nahe, dass die Geruchsspur dort endete, sich also nicht bis in das Gebäude fortsetzte.
Wie wahrscheinlich diese Variante des Geschehens anstelle der Tatbegehung durch seinen Mandanten ist, könnte der Leipziger Verteidiger nun versuchen zu vertiefen, um im Zweifel erneut für den Angeklagten einen Freispruch zu fordern. Das Gericht war bei der ersten Verurteilung jedoch der Staatsanwaltschaft gefolgt und hatte aus der Forderung nach zweieinhalb Jahren Haft am Ende zwei Jahre und vier Monate gemacht.
Angriff auf Gemkow-Wohnung: Haftstrafe für mutmaßlichen Steinewerfer
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