Nach dem geplatzten Start im Juli begann der Prozess um die tödlichen Schüsse auf der Eisenbahnstraße gegen vier Mitglieder der offiziell aufgelösten Leipziger Hells Angels am Freitag vor dem Landgericht von vorn. Dem Quartett wird unter anderem gemeinschaftlicher Mord an einem Mitglied der „United Tribuns“ vorgeworfen. Zum Neuauftakt schwiegen die Männer durchweg.
Die 1. Strafkammer hat bisher Sitzungstage bis Anfang Januar 2018 anberaumt, um die Frage zu klären, warum Veysel A. (27) auf offener Straße erschossen wurde. Eine Auseinandersetzung zwischen dem polizeibekannten Sooren O. (32), Vizepräsident der United Tribuns, und dem jetzt mit drei Kumpanen angeklagten Stefan S. (31) am Vormittag des 25. Juni 2016 soll laut Staatsanwaltschaft der Auslöser für eine geplante Racheaktion gewesen sein. Demnach wollten die Hells Angels Vergeltung für einen Schlag ins Gesicht üben, den Sooren O. seinem Rivalen zugefügt habe. Wenige Stunden danach fielen bei einer Konfrontation der Gruppen mehrere Schüsse im Bereich Eisenbahnstraße/Neustädter Straße.
Der 27-Jährige United-Tribuns-Anwärter Veysel A. brach zusammen, wurde laut Anklage dann mehrfach gegen Kopf und Körper getreten, starb trotz eingeleiteter Rettungsmaßnahmen noch am gleichen Tag im Krankenhaus. Zwei weitere Mitglieder der Tribuns, einer in Baden-Württemberg gegründeten Gang mit Mitgliedern aus der Bodybuilder-, Türsteher- und Kampfsportlerszene, wurden lebensgefährlich verletzt und überlebten nur dank Notoperationen.
Am Freitag sah sich das Gericht mit der für das Milieu typischen Mauer des Schweigens konfrontiert: Über ihre Anwälte ließen die vier Angeklagten (31, 35, 40, 46) unisono erklären, sich zum Tatgeschehen nicht äußern zu wollen. Fünf potenzielle Zeugen machten ebenfalls keine Angaben – sie alle waren bei dem dramatischen Aufeinandertreffen dabei, stehen selbst unter Verdacht und dürfen daher die Aussage verweigern.
Auch die Riege der acht Strafverteidiger machte schnell klar, dass ein langwieriger Prozess bevorstehen dürfte. Mehrfach zog sich die Kammer zurück, um über Anträge zu beraten, unterbrach dafür zwangsläufig die Sitzung. Die Anwälte stellten einem Vernehmungsbeamten der Polizei (43) im Zeugenstand wiederholt scharfe Fragen. Streit entbrannte unter anderem über Informationsquellen bei der Ermittlung, Widersprüche in einem Vernehmungsprotokoll und polizeiliche Lichtbildmappen. Rechtsanwalt Curt-Matthias Engel, Verteidiger von Stefan S., forderte zudem, ein im Internet kursierendes Video mit den Schüssen nicht als Beweismittel zu verwerten. Die Sequenz könne manipuliert sein und deren Verbreitung habe außerdem gegen das Recht seines Mandanten am eigenen Bild verstoßen, argumentierte er. Eine Entscheidung des Gerichts steht hier noch aus.
„Es sollte etwas geklärt werden“ – dies sagte einer der Beteiligten laut dem vernommenen Polizeibeamten über die Hintergründe des tödlichen Geschehens. Genauere Angaben machte er nicht.
Das Verfahren findet wie auch im ersten Anlauf unter hohem Sicherheitsaufwand statt. Alle Besucher inklusive der Journalisten müssen sich ausweisen und werden namentlich registriert, außerdem einer doppelten Einlasskontrolle auf Waffen und gefährliche Gegenstände unterzogen. Inner -und außerhalb des Saals soll eine Vielzahl postierter Polizei- und Justizbeamter Zwischenfälle verhindern.
Beim ersten Versuch im Juli war der Prozess gescheitert: Nachdem zunächst eine Gutachterin infolge eines Kommentars in ihrem privaten Facebook-Konto durch einen Verteidiger als befangen abgelehnt und die Anklageverlesung hinausgezögert wurde, erkrankte wenig später ein Richter und Folgetermine fielen aus. Dies machte den Neustart erforderlich. Dem Befangenheitsantrag wurde derweil stattgegeben und die Gutachterin von ihrer Aufgabe entbunden.
Die Fortsetzung des Prozesses ist am kommenden Dienstag geplant.
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