Begleitet von einem großen Medieninteresse hat am Montag der Mordprozess gegen vier Mitglieder der Leipziger Hells Angels begonnen. Den Männern wird vorgeworfen, am 25. Juni 2016 in der Eisenbahnstraße einen Anwärter der „United Tribuns“ erschossen zu haben. Zwei weitere Mitglieder der Streetgang wurden durch Schüsse schwer verletzt.

Warum musste Veysel A. (27) auf offener Straße sterben? Das Landgericht hat bisher rund 35 Verhandlungstermine anberaumt, um dieser Frage nachzugehen. Dass die hohe Zahl an Sitzungstagen ausreichen wird, scheint fraglich. Der Prozessauftakt ging am Montag jedenfalls nicht ohne Hindernisse über die Bühne.

Schon ab dem frühen Morgen hatten sich Polizisten mit Mannschaftswagen an den Zufahrtsstraßen zum Landgericht postiert. Die Anreise von Anhängern der Rockerclubs sollte keinesfalls unbemerkt geschehen. Gewaltsame Zusammenstöße der nicht immer friedfertigen Männer sollten im Keim erstickt werden. Im Gerichtsgebäude ging die Strategie auf. Alle Besucher wurden von Elite-Polizisten durchsucht, ihre Ausweise vor Betreten des Saals konfisziert.

Im gesamten Gerichtsgebäude waren zahllose Polizeibeamte und Justizwachtmeister präsent. Die Angeklagten wurden mit Polizeieskorte von der Justizvollzugsanstalt in die Harkortstraße gefahren.

Der Angeklagte Frank M. (36) mit Verteidiger Denis van Ngoc. Foto: Lucas Böhme
Der Angeklagte Frank M. (36) mit Verteidiger Denis van Ngoc. Foto: Lucas Böhme

Das öffentliche Interesse an dem nicht alltäglichen Prozess fiel verhalten aus. Die Presse hingegen war zahlreich erschienen. Eine überschaubare Hells-Angels-Delegation nahm in Zivil auf den Zuschauerbänken Platz. Die „United Tribuns“ erschienen in voller Mannschaftsstärke und hätten sich am Liebsten in ihren Lederwesten im Saal inszeniert. Den Plänen schob der Vorsitzende der 1. Strafkammer, Hans Jagenlauf, einen Riegel vor. Im Dienstgebäude gilt für den gesamten Prozess striktes Kuttenverbot.

Strenge Restriktionen gelten auch für die Pressefotografen und Kameraleute. Filmen und Fotografieren ist nur am ersten und letzten Verhandlungstag erlaubt – obwohl das Bundesverfassungsgericht erst im September klargestellt hatte, dass die Gerichte Fotoarbeiten an allen Verhandlungstagen zu dulden hätten. „Wenden Sie sich ans Bundesverfassungsgericht“, sagte Jagenlauf L-IZ.de auf Nachfrage.

Als der Prozess um 11:30 Uhr mit halbstündiger Verspätung begann, machten nicht wenige Besucher lange Gesichter. Statt der Anklageschrift bekamen die Anwesenden einen juristischen Fachvortrag zu hören. Verteidiger Michael Stephan rügte in einem seitenlangen Schriftsatz die Auslosung der Schöffen. Möglicherweise muss der Prozess deshalb am 1. August von vorn beginnen.

Abgang United Tribuns nach vorzeitigem Prozessende. Foto: Lucas Böhme
Abgang United Tribuns nach vorzeitigem Prozessende. Foto: Lucas Böhme

Rechtsanwalt Peter Tuppat beantragte, die Sachverständige Ruth Chudaska-Clemenz von der Verhandlung auszuschließen. Die Psychiaterin sei befangen. „Wenn ich mir die diversen Leserzuschriften unter Presseartikeln zu HH durchlese, hätte ich nicht übel Lust, 75 % der Verfasser, die sich hinter einem Nicknamen verstecken, in die nächstgelegene Sicherungsverwahrung zu gutachten!“, hatte die Ärztin auf ihrem privaten Facebook-Account gepostet.

„Allerdings gilt es auch für einige Verantwortliche dieser unsäglichen Aktivitäten, die es noch nachträglich rechtfertigen, daß der Zwergengipfel in HH überhaupt stattfinden konnte. Ursache und Auswirkungen stehen angesichts der Ergebnisse dieses ‚Events‘ in einem denkbar schlechten Verhältnis“ (Fehler im Original).

„Aufgrund der Bedeutung des Strafverfahrens ist es für den Angeklagten nicht zumutbar, dass die Sachverständige an der Hauptverhandlung teilnimmt“, erklärte Tuppat. Wenngleich die Entscheidung der Kammer noch aussteht und die Gutachterin Gelegenheit erhalten wird, sich zu erklären, deutete am Montag vieles auf ihren Ausschluss hin. Das Gericht nahm den Befangenheitsantrag zum Anlass, sich zu vertagen. Die Anklage wird also frühestens am 1. August verlesen werden, wenn der Prozess fortgesetzt werden soll.

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