Michaela B. (39) ist für den Rest ihres Lebens gezeichnet. Am 4. November ertrank der kleine Doan (2), der ihr an dem Tag anvertraut war, in der Badewanne. Die Staatsanwaltschaft hat die Leipzigerin wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Der Prozess gegen die zweifache Mutter platzte am Mittwoch nach Verlesung der Anklage, weil Richter Hartmut Tiegelkamp das Verfahren schlecht vorbereitet hatte.
Richter sind auch nur Menschen. Und Menschen können sich irren. In Anbetracht der Beweislage war Amtsrichter Hartmut Tiegelkamp felsenfest davon ausgegangen, das Verfahren mit einem Deal heimlich, still und leise abschließen zu können. Deshalb hatte der Vorsitzende als einzige Zeugin die Mutter des Kleinkinds geladen. Dass die Frau nicht erschien, war nicht die einzige Überraschung.
Michaela B. hat von dem Hergang der Tragödie eine andere Vorstellung als die Staatsanwaltschaft. Die Behörde geht davon aus, dass die Angeklagte den Jungen am frühen Nachmittag in die Badewanne gesetzt und anschließend für fünf Minuten unbeaufsichtigt gelassen hatte. Obwohl die Wanne nur zu einem Viertel gefüllt war, geriet Doan mit dem Kopf unter Wasser, atmete Wasser ein und verlor das Bewusstsein. Gegen 15:10 Uhr entdeckte Michaela B. das leblose Kind und alarmierte den Rettungsdienst. Trotz sofort ergriffener Wiederbelebungsmaßnahmen erlag Doan tags darauf den Folgen des Sauerstoffmangels. „Dieses Geschehen war für die Angeklagte vorhersehbar“, trug Staatsanwalt Ulrich Jakob vor.
Hinter verschlossenen Türen machte das Gericht Michaela B. ein Angebot: Acht Monate auf Bewährung. Die Leipzigerin bestand allerdings darauf, ihre Version der Ereignisse zu schildern. Ohne die Frau zu Wort kommen zu lassen, für Richter Tiegelkamp Anlass genug, das Verfahren auszusetzen und eine vollumfängliche Beweisaufnahme anzuordnen. Auf Michaela B. kommt jetzt ein mehrtägiger Strafprozess zu, dessen Kosten sie im Falle einer Verurteilung zu tragen hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat den schnellen Hinterzimmerdeal übrigens schon vor Jahren für rechtswidrig erklärt. Die Richter sind seither angehalten, sich trotz Geständnis anhand von Beweismitteln innerhalb der Hauptverhandlung von der Richtigkeit der Angaben zu überzeugen. Insoweit erschien Tiegelkamps Prozessplanung durchaus verwunderlich. Fast könnte man glauben, Tiegelkamp habe B. für ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft bestrafen wollen.
Es gibt 3 Kommentare
Es geht ja nicht um den Wert des Lebens, sondern um die Art der Schuld (Vorsatz, Fahrlässigkeit, …). War es nun ein “tragischer Unglücksfall” oder doch fahrlässige Tötung? Ich finde das angebotene Strafmaß aber auch enorm gering.
Soviel ist das Leben eines Kindes wert, ich fasse es nicht. Da gibt es für andere Delikte wesentlich mehr!
“Angebot: Acht Monate auf Bewährung” für so einen furchtbar qualvollen Tod eines wehrlosen Kleinkinds? Ich kann es nicht fassen. Mir dreht sich der Magen um, wenn ich mir diesen Tod vorstelle.