Unschuldsbeteuerungen halfen ihm nicht: Wegen schweren räuberischen Diebstahls, schwerer Körperverletzung und Brandstiftung verurteilte das Landgericht einen 23-Jährigen aus der linken Szene am Dienstag zu vier Jahren und zwei Monaten Gefängnis. Noch im Gerichtssaal wurde der junge Mann anschließend verhaftet. Seine letzte Begegnung mit der Justiz dürfte es nicht gewesen sein, denn ein Berufungsprozess in einer anderen Sache steht noch aus.

Als das Gericht den Saal zur Urteilsverkündung mit zwei Polizeibeamten im Gefolge betrat, ahnte Patrick S. wohl schon, dass dieser Prozess für ihn kein glimpfliches Ende nehmen wird. Und so kam es auch. Nach Überzeugung der Kammer ist der 23-Jährige für einen besonders schweren räuberischen Diebstahl, zweifache Körperverletzung und schwere Brandstiftung verantwortlich.

Laut Anklageschrift soll Patrick S. am 11. August 2014 in einem Leipziger Netto-Markt Lebensmittel im Wert von 8,56 Euro gestohlen haben. Als ihn der Ladendetektiv vor der Kaufhalle ansprach, habe sich der Angeklagte eine Rangelei mit ihm und dem Marktleiter geliefert, dabei Pfefferspray gegen seine Kontrahenten eingesetzt und sei schließlich geflohen. Der zweite Tatkomplex betraf Brandstiftungen gegen mehrere hochwertige PKW im Hamburger Stadtteil Blankenese Anfang Januar 2016. Bei einem Audi richtete das Feuer 18.000 Euro Schaden an. Auch hier war Patrick. S. mutmaßlich involviert.

Der Angeklagte hatte die Vorwürfe komplett bestritten. Zwar sei er im fraglichen Supermarkt gewesen, habe von seinem Diebstahlsplan aber Abstand genommen und die Waren zurückgelegt. Vor der Filiale habe man ihn attackiert. Auch einen Aufenthalt in Hamburg Anfang 2016 bestätigte Patrick S., jedoch habe er bereits am Nachmittag des Tattags mit dem Fernbus die Heimfahrt nach Leipzig angetreten.

Die 8. Strafkammer nahm ihm diese Versionen nicht ab, sah die angeklagten Tatabläufe als erwiesen. Dabei stützte sie sich auf die Zeugenaussagen des Marktleiters und des Detektivs sowie Videoaufzeichnungen aus der Leipziger Netto-Filiale. Hier wie auch bei den Hamburger Fällen waren die Ermittler Patrick S. durch DNA-Spuren auf die Schliche gekommen, aus der Hansestadt lagen zudem Funkzellendaten des Handys und weitere Indizien vor.

Mit vier Jahren und zwei Monaten blieb das Gericht knapp unterhalb der von der Anklage geforderten viereinhalb Jahre Haft. Staatsanwalt Ulrich Jakob hatte in seinem gut einstündigen Plädoyer deutliche Worte gewählt und dabei auch schon den Hinweis auf eine Sicherungsverwahrung angedeutet: „Wenn Sie noch mal so ein Ding drehen, steht das echt im Raum.“ Es gäbe eine Vielzahl an Indizien, die zwar nicht einzeln, aber in ihrer Gesamtschau vernünftige Zweifel ausschließen, sagte Jakob.

Staatsanwalt Ulrich Jakob (Bild vom Januar 2017) vertrat die Anklage im Prozess. Foto: Lucas Böhme
Staatsanwalt Ulrich Jakob (Bild vom Januar 2017) vertrat die Anklage im Prozess. Foto: Lucas Böhme

Verteidiger Jürgen Kasek hatte das völlig anders gesehen. Er hielt in seinem mehr als eine Stunde dauernden Schlussvortrag lediglich die zweifache gefährliche Körperverletzung in Leipzig für nachweisbar und beantragte sechs Monate mit Bewährung. Die Masse anderer Indizien ließe sich hingegen in alle Richtungen deuten. So könne etwa die Funkzellenabfrage lediglich die Präsenz seines Mandanten in Hamburg belegen. Auch stelle sich die Frage, warum der Angeklagte im Falle seiner Täterschaft das Zeitungspapier mit der DNA, in welches der Anzünder bei den Brandstiftungen gewickelt war, einfach liegen gelassen habe. „Wir haben einen intelligenten jungen Mann vor uns sitzen, der ein bisschen unreif ist.“ Aber: „Er hat die Voraussetzungen, um sein Leben kontrolliert auf die Beine zu stellen“, zeigte sich der Anwalt sicher.

Bisher scheint dies Patrick S. nicht recht geglückt zu sein. Der junge Mann absolvierte 2010 in Berlin seinen Realschulabschluss, zog 2013 nach Leipzig. Drei Ausbildungen brach er ab, jobbte zwischendurch in einem Call-Center, lebte zuletzt von Arbeitslosengeld. Juristisch musste er sich bereits wegen Körperverletzung verantworten. Im August 2015 schließlich zündete Patrick S. mit fünf Komplizen (16 bis 22) einen Streifenwagen in der Eisenbahnstraße an und attackierte den Polizeiposten mit Steinen. Das Amtsgericht verurteilte den geständigen Linksaktivisten dafür im vergangenen Jahr zu einem Jahr und zehn Monaten Haft, derzeit läuft ein Berufungsverfahren. Die jüngeren Mittäter kamen mit Bewährung davon.

„Ich habe lange geglaubt, dass es im Kampf gegen diese Verhältnisse richtig ist, was ich in der Eisenbahnstraße gemacht habe“, bekannte der 23-Jährige am Dienstag. Inzwischen denke er aber anders: „Die Nummer war absolut dämlich.“ Es sei wichtig, sich friedlich zu organisieren, wenn man Bestehendes ändern will.

Diese Distanzierung von seiner Vergangenheit glaubte ihm die Strafkammer nicht. „Es geht nicht um Gesinnungsbestrafung“, betonte der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr, der sich von Anfang an gegen jede Politisierung des Strafverfahrens ausgesprochen hatte. Etwaige Folgen wie brennende Autos und die Zerstörung fremden Eigentums seien gleichwohl nicht hinnehmbar. Besonders schwer wiege zudem, dass Patrick S. die Taten in Hamburg begangen habe, während die Ermittlungen gegen ihn wegen des Vorfalls in der Eisenbahnstraße bereits liefen. „Das muss man erstmal bringen.“

Gemäß dem Antrag der Staatsanwaltschaft klickten noch im Gerichtssaal die Handschellen. Ein erster Haftbefehl vom Oktober 2016 war kurz nach Weihnachten außer Vollzug gesetzt worden. Nun sah das Gericht angesichts der höheren Strafe aber Fluchtgefahr. Meldeauflagen reichten nicht mehr.

Für Patrick S. scheint die Perspektive momentan düster, zumal ein Strafzuschlag wegen des Angriffs in der Eisenbahnstraße wahrscheinlich ist. Hier steht der Berufungsprozess noch aus. Auch das aktuelle Urteil ist bisher nicht rechtskräftig. Er werde eine mögliche Revision dagegen prüfen, erklärte Rechtsanwalt Kasek gegenüber L-IZ.de.

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