Sexuelle Belästigung von Kindern – ein schlimmer Vorwurf, der, einmal in die Welt gesetzt, wie Pech am Menschen haftet. Genau das widerfuhr unserem Kollegen Martin Schöler. Er wurde offensichtlich Ziel einer Online-Kampagne von Kreisen, denen seine jahrelange Recherche zu rechtsextremen Strukturen in Leipzig und der Region nicht gefiel. Das Amtsgericht Grimma verhängte nun eine Geldstrafe gegen den als Urheber ermittelten Benjamin B..
Als Martin Schöler, L-IZ-Reporter seit 2009, am 11. März 2015 in sein Facebook-Profil schaute, sah er sich seinem eigenen Konterfei gegenüber. Ein vermeintlicher Fahndungsaufruf der Polizei brachte den heute 30-Jährigen mit Straftaten in Verbindung: „Gesucht wegen sexueller Belästigung von Kindern in Leipzig“, war über dem Foto zu lesen, darunter hieß es weiter: „Hinweise bitte an das Polizeipräsidium Leipzig oder jede andere Polizeidienststelle.“ Begleitender Kommentar zum Post: „Wir bitten um Mithilfe bei der Selbstjustiz.“
Dass in Leipzig kein Polizeipräsidium existiert, fiel erwartungsgemäß kaum jemandem auf, geschweige denn, dass unser Kollege natürlich auf keiner polizeilichen Fahndungsliste verzeichnet war. Der Zorn über die fingierten Anschuldigungen entlud sich rasch in Form von Drohungen, die Schöler via Facebook erreichten. Offenbar setzte jemand gezielt auf die Wut, die Missbrauch und Gewalt gegen Kinder in der Bevölkerung hervorrufen – ohne dass der Wahrheitsgehalt im Einzelfall noch einer Hinterfragung unterzogen wird.
Der Journalist setzte sich zur Wehr, suchte nach dem Urheber der perfiden Verleumdung und stieß schnell auf Kreise um Benjamin B.. Kein Unbekannter: Der 27-Jährige Wurzner gilt als zentraler Protagonist der hiesigen Kampfsportszene. Seit Jahren werden ihm enge Verbindungen ins rechtsextreme Milieu nachgesagt, einige bringen ihn auch mit dem Überfall von mehr als 200 Hooligans auf den linksalternativen Stadtteil Connewitz vom 11. Januar 2016 in einen Zusammenhang. B. bestreitet dies.
Seine Vergangenheit als Fußball-Hooligan in der als rechtsextrem eingestuften Gruppierung „Scenario Lok“ versperrte dem talentierten Freefighter einen Profi-Vertrag in den USA. Suchte B. in Schöler einen Sündenbock für sein Scheitern? Fest steht: Nachdem unser Kollege Strafanzeige gestellt hatte, fanden die Ermittler verschiedene Chatprotokolle, die B.s Täterschaft nahelegen, zudem einen Entwurf des gefälschten Steckbriefs.
Das Amtsgericht Grimma erließ schließlich einen Strafbefehl von 90 Tagessätzen zu je 30 Euro gegen B.. Da dieser in Widerspruch ging, sollte es am Mittwoch zur Verhandlung kommen. Doch der mehrfach Vorbestrafte erschien nicht, ließ zwei Stunden vor Prozessbeginn mitteilen, seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränken zu wollen. Mit anderen Worten: Wegen der von ihm geltend gemachten Mittellosigkeit setzte er auf eine niedrigere Strafe. Das Gericht reduzierte die Sanktion schließlich auf voraussichtlich 90 Tagessätze zu je 13 Euro, hinzu kommen entstandene Verfahrenskosten. Der Schuldspruch ist rechtskräftig.
Schöler und sein Anwalt Jürgen Kasek zeigten sich danach erleichtert, kündigten zudem Schadensersatzansprüche durch die üble Rufschädigung an.
Die juristische Auseinandersetzung dürfte folglich vor einem Zivilgericht weitergehen. Gleichwohl markiert das heutige Urteil wohl einen Markstein, der vor allem die beruhigende Erkenntnis hinterlässt, sich auch online in keinem rechtsfreien Raum zu bewegen.
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