Gegen Ende konnte er sich doch noch zu einer Art Entschuldigung durchringen: „Es sind Dinge passiert, die ich heute bereue. Es tut mir leid, dass es so gewesen ist. Rückgängig kann ich es nicht mehr machen“, sagte Wolfgang E. unter den erwartungsvollen Blicken der Eltern eines seiner Opfer im Publikum. Bereits im Vorfeld hatte der 65-Jährige den mehrfachen Missbrauch von zwei Jugendlichen mit knappen Worten eingeräumt, ohne sich weitergehend zu äußern.

Für den Vorsitzenden Richter Rüdiger Harr ein Anlass, dem Angeklagten am Mittwoch vor dem Leipziger Landgericht eine Brücke zu bauen: „Ihr Geständnis war sehr sachlich formuliert. Wie stehen Sie heute zu dem, was damals passiert ist?“ Ein wohl überdeutliches Signal, entsprach eine Entschuldigung doch dem ausdrücklichen Wunsch der Eltern eines der Opfer, die dem Prozess beiwohnten. Das hatte auch Nebenklage-Anwältin Anne Prestrich ausdrücklich betont.

Wolfgang E. und sein Anwalt Ingo Stolzenburg nahmen den Wink auf. Für die Eltern vielleicht ein erster Schritt zum Abschluss: „Mir geht es nicht um die Höhe der Strafe. Es war für mich gut, dass ich eine Entschuldigung gehört habe“, sagte der Vater. Seine Frau ergänzte: „Keine Strafe kann das wieder gutmachen. Aber schlimm wäre es, wenn der ganze Prozess noch mal von vorne losgehen würde.“

Die verhandelten Delikte liegen bereits länger zurück: Irgendwann um die Jahre 2009 und 2010 – genauer ließ es sich nicht rekonstruieren – vergriff sich Wolfgang E. in seiner Böhlitz-Ehrenberger Wohnung mehrfach an Nico W.* (damals 14) und Alexander K.* (damals 16), die offenbar zu seinem größeren, jugendlichen Bekanntenkreis zählten. Einem schenkte er nach einem gemeinsamen Abendbrot Alkohol ein, zog ihm unvermittelt die Hose herunter und praktizierte Oralverkehr. In einem anderen Fall warf er einen der Teenager in seinem Schlafzimmer auf das Bett und drohte, ihm bei Gegenwehr den Arm abzuschneiden.

Schon zu Prozessbeginn war man übereingekommen, Wolfgang E. gegen ein glaubhaftes Geständnis maximal zwei Jahre Haft mit Bewährung zuzugestehen. Immerhin würde so den mutmaßlichen Opfern die quälende Aussage vor Gericht und die Konfrontation mit ihrem Peiniger erspart.

Entsprechend drehten sich die Dispute zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Nebenklage vor allem um die gesetzlichen Grundlagen der Strafmilderung und eine konkrete Auflage. Dass der Angeklagte in all den verstrichenen Jahren nie Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich erkennen ließ, stieß Staatsanwältin Anja Butenschön und der Nebenklage besonders auf.

Nach längerer Diskussion kam man überein, Wolfgang E. mit dessen Einverständnis zur ratenweisen Zahlung von je 1.500 Euro an seine Opfer zu verpflichten. Viel Geld für jemanden, der derzeit krankgeschrieben ist und ab kommendem Frühjahr mit weniger als 600 Euro Rente rechnet. „Wenn Sie das tun, ist das auch wirklich anerkennenswert“, sagte Staatsanwältin Butenschön in ihrem Plädoyer in Richtung des Angeklagten. „Die Taten selbst sind grauenvoll und in einem Fall richtig brutal.“ Gleichwohl habe E. ein Geständnis abgelegt und sei nicht vorbestraft.

Dem Antrag von zwei Jahren auf Bewährung schlossen sich auch Nebenklage und Verteidiger an, freilich mit der Kritik, E.s Geständnis sei nicht von besonderer Reue gezeichnet gewesen, wie Rechtsanwältin Prestrich monierte. „Es sind schwere Taten, da braucht man nicht zu diskutieren“, machte Strafverteidiger Stolzenburg klar. „Es ist unglaublich schwierig, wenn man mit einer solchen Anklage konfrontiert ist.“ Gleichwohl habe der Prozess auch etwas mit seinem Mandanten gemacht, der nach seinen Angaben derzeit mit gesundheitlichen Problemen kämpft und zu Sexualkontakten nicht in der Lage ist.

Wenig überraschend folgte die Strafkammer dem Antrag aller Parteien und verurteilte Wolfgang E. zu zwei Jahren mit Bewährung. Die regelmäßige Zahlung des vereinbarten Schmerzensgelds wurde ihm zur Auflage gemacht.

Das Ende des Prozesses markiert damit womöglich auch den vorläufigen Abschluss einer tragischen Geschichte, die keine Gewinner kennt.

*Die Namen der Betroffenen wurden geändert.

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