Erfolg im Berufungsprozess: Ein Apfelfront-Aktivist, der in erster Instanz wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, erhielt am Landgericht Leipzig nun einen Freispruch. Die einzige Belastungszeugin – die geschädigte Polizistin selbst – hatte sich in Widersprüche verwickelt.

Im Januar dieses Jahres war Tom R. am Amtsgericht Leipzig zu einer Geldstrafe in Höhe von 2.700 Euro verurteilt worden. Er soll während der Proteste gegen eine Legida-Kundgebung im März 2015 eine Polizistin verletzt haben. Dieses Urteil wollte er nicht akzeptieren. Vor zwei Wochen begann deshalb der Berufungsprozess am Landgericht Leipzig. Die geschädigte Polizistin Sarah H., die R. als Einzige belasten konnte, war wegen Krankheit nicht erschienen. Stattdessen kamen zwei Beamte, die den Angriff beobachten konnten, und Bekannte von R. zu Wort.

Die Schilderungen der Zeugen entsprachen im Wesentlichen dem, was bereits am Amtsgericht vorgetragen wurde. Während die Bekannten angaben, den ganzen Abend mit R. verbracht zu haben, sagte eine Polizistin aus, dass sie beim Angreifer schwarze Schuhe gesehen hätte – die Schuhe, die R. an diesem Abend trug, waren jedoch braun.

Noch mehr Widersprüche brachte die heutige Vernehmung von Sarah H. zutage. Sie erklärte, den Angreifer vor der Attacke gesehen zu haben – am Amtsgericht hatte sie jedoch ausgesagt, dass er ihr unerwartet in den Rücken gesprungen sei. Widersprüchlich waren auch die Angaben zur Gesichtsbedeckung: Erst erklärte sie, beim Täter eine Sonnenbrille gesehen zu haben – später gab sie nur noch an, dass sie irgendeine Brille gesehen hätte. Besonders die Nachfragen der Staatsanwältin kamen dem Angeklagten zugute. Auf die Frage etwa, wie sicher auf einer Skala von 1 bis 100 Prozent sich die Zeugin sei, dass der Angreifer und die später festgestellte Person identisch seien, gab H. an: 90 Prozent. „Das reicht nicht aus“, erklärte Strafverteidigerin Rita Belter während ihres Schlussvortrags.

Sowohl sie als auch die Staatsanwaltschaft plädierten auf Freispruch. Richterin Gabriela Walburg folgte den Anträgen. Zwar könne sie nicht mit Sicherheit sagen, dass R. die vorgeworfenen Taten nicht doch begangen habe. Aber die Aussage der verletzten Polizisten allein reiche für eine Verurteilung nicht aus. Die Richterin am Amtsgericht hatte das in einer überraschend kurzen Verhandlung noch anders gesehen und Tom R. verurteilt. In der mündlichen Urteilsbegründung hatte Amtsrichterin Heike Gunter-Gröne laut Aussagen von Anwesenden sinngemäß ausgeführt: Demonstrieren gehen ist ein Grundrecht. Allerdings sei bei der Art und Weise, wie die Polizisten hierbei behandelt werden, die tagtäglich ihren Kopf hinhalten, eine Bestrafung in diesem Falle natürlich erforderlich.

Mit dem heutigen Freispruch klingt die Begründung ganz so, als ob es nun dem Landgericht eben nicht egal war, ob es auch den Richtigen dabei trifft.

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